Archiv der Kategorie: CILIP 094

(3/2009) Der sicherheitsindustrielle Komplex

Redaktionsmitteilung

„Am 29. Januar 2008 beteiligten sich etwa 400 Personen an der Kundgebung ‚Sicherheit kostet Freiheit‘ gegen den 11. Europäischen Polizeikongress in Berlin. Dazu hatte ein breites Bündnis, dem auch Linksextremisten unterschiedlicher ideologischer Ausrichtung angehörten … mobilisiert.“ So steht es im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) von 2009 auf Seite 194. Der Autor dieser Zeilen hatte ebenfalls für diese Demonstration, nach BfV-Lesart ein „herausragendes Ereignis“, geworben. Ob er nun zu den „Linksextremisten“ zählt oder sich bloß des Kontaktes mit ihnen schuldig gemacht hat, bleibt den Bewertungskünsten des Amtes überlassen.

Sicher ist jedoch, dass der jährliche „Polizeikongress“ ein durchaus merkwürdiges Ereignis ist. Organisiert wird er durch einen privaten Verlag („Behördenspiegel“). Seine Podien sind paritätisch besetzt durch PolitikerInnen, PolizistInnen und RepräsentantInnen der Sicherheitsindustrie. Unternehmen dieser Branche sind seine Sponsoren und stellen dort ihre Produkte aus, weshalb der Anlass in manchen Veranstaltungskalendern zu Recht als „Messe“ firmiert. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Das Dröhnen der Drohnen – Technisierung von Überwachung und Kontrolle

von Volker Eick

Der Einsatz von Drohnen ist in den vergangenen Jahren nicht allein im militärischen und geheimdienstlichen Bereich ausgebaut worden. Auch im zivilen Sektor werden diese wieder verwendbaren Flug- und Fahrobjekte verstärkt genutzt und können daher als Ausdruck der zunehmenden Verschmelzung von militärischer, geheimdienstlicher und ziviler Sicherheitspolitik, -wirtschaft, -technik und -forschung gelesen werden.

Drohnen sind technische Systeme, die ohne Personenbesatzung entweder eigenständig (geleitet etwa durch das US-amerikanische Global Positioning System, GPS) oder ferngesteuert operieren. Flugdrohnen können so klein wie ein Insekt oder so groß wie ein Verkehrsflugzeug sein.[1] Trotz ihres Facettenreichtums ist der Markt für diese unbemannten Flugzeuge noch verhältnismäßig klein, doch wird ihm ein großes Wachstumspotential attestiert. So geht die jüngste Marktstudie der US-amerikanischen Teal Group für das Jahr 2009 von einer Produktion von 3.328 Drohnen weltweit aus. Bis zum Jahr 2018 würden so 28.685 neu produziert worden sein und den Umsatz von gegenwärtig 4,4 Milliarden US-Dollar auf 8,7 Milliarden US-Dollar gesteigert haben.[2] Im Jahr 2007 produzierten weltweit 259 Firmen in 42 Ländern fliegende Drohnen.[3] 108 Unternehmen bauten im selben Jahr rund 200 solcher Apparate in Europa (davon 56 in Frankreich, 45 in Großbritannien und 31 in Deutschland). Zu den Produzenten in Deutschland gehören die AirRobot GmbH, Diehl BGT Defence Ltd., EADS, EMT, Imar Navigation, Mavionics, MicroDrones, Rheinmetall Defence, SIM Security und die UAV S&S.[4] Das Dröhnen der Drohnen – Technisierung von Überwachung und Kontrolle weiterlesen

Unisys Corp. – Eine Spinne im Netz informatisierter „Sicherheit“

von Eric Töpfer

Ehemals viertgrößter Rüstungskonzern der USA, hat sich die Unisys Corporation inzwischen weltweit als einer der führenden Anbieter von Technologien für die „Homeland Security“ etabliert. Ihre Geschäfte und Politik sind exemplarisch für die geballte Macht des sicherheitsindustriellen Komplexes.

Beschäftigt man sich mit den technischen Großprojekten der europäischen Polizei- und Justizzusammenarbeit, reibt man sich verwundert die Augen. Ob es um die Programmierung der Prüm-CODIS-Schnittstelle für den Abgleich der nationalen DNA-Datenbanken und ihren Draht über den Atlantik geht, um das Upgrade des Schengener Informationssystems zum SIS II und dessen „Synergien“ mit dem Visa-Informationssystem, um die Entwicklung von Europols Informationssystem oder die Vernetzung der Kraftfahrzeugregister im Rahmen von EUCARIS, um die Standardisierung des Datenaustausches zwischen den nationalen Strafregistern oder um eine Vorstudie für das Critical Infrastructure Warning Network der EU[1] – ein Name ist immer dabei: Unisys. Unisys Corp. – Eine Spinne im Netz informatisierter „Sicherheit“ weiterlesen

Never ending story – Kennzeichnung von PolizeibeamtInnen

von Otto Diederichs

Die obligatorische Kennzeichnung von PolizeibeamtInnen mit Dienstnummern oder Namensschildern steht zwar immer wieder auf der politischen Tagesordnung. Auch unter der „rot-roten“ Landesregierung in Berlin ist die Identifizierbarkeit der BeamtInnen jedoch bisher nur ein Projekt.

„Ich habe sehr viel von diesen Demokraten gelernt, es muss dahin gestrebt werden, dass sie ihren Einfluss verlieren, dadurch dass die Polizei bessere Dinge bringt“.[1] So begründete der im November 1848 nach der Niederschlagung der Revolution eingesetzte Berliner Polizeipräsident Karl Ludwig Friedrich Freiherr von Hinckeldey, ein bürokratischer Reaktionär, die Kennzeichnung seiner Beamten. In den ersten Jahren seiner Amtszeit (bis 1856) trugen die Berliner „Schutzmänner“ noch eine betont bürgerliche Uniform: einen Zweireiher und einen Zylinder, auf dem gut sichtbar die Dienstnummer angebracht war. Schon 1852 wurde der Hut durch den Helm ersetzt, die Dienstnummer rutschte auf die Schulterklappe, war logischerweise erheblich kleiner und kaum mehr zu erkennen. Anfang des 20. Jahrhunderts verschwand dieses Überbleibsel der gescheiterten bürgerlichen Revolution ganz. Never ending story – Kennzeichnung von PolizeibeamtInnen weiterlesen

Summaries

Theme: Security-industrial complex

From the military to the security industrial complex
by Heiner Busch
The spiralling technological armament has reached the sphere of public security. The overlaps and parallels to the military-industrial complex are hard to miss. They can be seen in the companies involved, the use of military technology but particularly in the political dynamic: the continually renewed threat scenarios of terrorist attacks and other catastrophes that allegedly require society to be prepared for the „worst case” and to create the necessary scientific technological and industrial bases. The result is a surveillance technology that in many ways resembles the intricate nuclear arsenal of the Cold War era. Summaries weiterlesen

EU-Kriminalaktennachweis

Lob und Tadel hatte der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann für das Stockholmer Programm bereit, das der Europäische Rat am 11. Dezember 2009 verabschiedete: Tadel gabs für die „falschen Signale“ in Sachen Asyl und Migration. „Für mich ist klar: Deutsche und europäische Arbeitnehmer müssen auf dem Arbeitsmarkt Vorrang haben.“ Und: „auch die Tendenz zu höheren Schutz- und Verfahrensstandards für Asyl­bewerber geht in die völlig falsche Richtung. Wir dürfen keine zusätzlichen Anreize für illegale Zuwanderung schaffen …“. So weit, so gewohnt fremdenfeindlich.[1] EU-Kriminalaktennachweis weiterlesen

„Troublemakers“

Mit dem Stockholmer Programm hat die EU-Kommission einen weiteren Arbeitsauftrag gefasst. Sie soll „prüfen, wie am besten darauf hingewirkt werden kann, dass die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Informationen über reisende Gewalttäter, u.a. solche, die an Sport- oder sonstigen Großveranstaltungen teilnehmen, austauschen können.“ Auch dieser Punkt wurde in letzter Minute ins Programm aufgenommen. Und er geht ebenfalls auf eine deutsche Initiative zurück. „Troublemakers“ weiterlesen

Verfassungsschutz gegen Abgeordnete

In der letzten Legislaturperiode waren alle 53 Abgeordnete der Linksfraktion sowie einige ihrer MitarbeiterInnen in einer „Sachakte“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) erfasst. Um dazu ansatzweise brauchbare Auskünfte zu erhalten, bedurfte es einer Vielzahl Klei­ner Anfragen von Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen[1] sowie eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das die Position der Bundesregierung, nur das Parlamentarische Kontrollgremium, nicht aber das Bun­destagsplenum hierüber informieren zu wollen, für verfassungswidrig erklärte.[2] Auch nach der BVerfG-Entscheidung blieben die Angaben der Bundesregierung jedoch ausgesprochen mager. Verfassungsschutz gegen Abgeordnete weiterlesen