Schlagwort-Archive: Spanien

Erklärung zur polizeilichen Unterwanderung sozialer Bewegungen in Barcelona

88 Organisationen erklären ihre Unterstützung für die fünf Aktivistinnen, die wegen der Unterwanderung sozialer und gewerkschaftlicher Bewegungen durch einen Polizeibeamten des spanischen Nationalen Polizeikorps in Barcelona vor Gericht gehen. Der verdeckte Ermittler nutzte intime, sexuelle Beziehungen, um ein Vertrauensverhältnis zu diesen Bewegungen aufzubauen und zu festigen. Seine Handlungen wurden vom restlichen Polizeiapparat gebilligt und unterstützt. Seine Tätigkeit wurde dank einer Untersuchung der Zeitung La Directa von Mai 2020 bis Oktober 2022 dokumentiert.

Am 31. Januar 2023 haben fünf der von dem Polizeieinsatz betroffenen Aktivistinnen, Menschenrechtsverteidiger und Gewerkschafter eine Strafanzeige gegen den Polizeibeamten gestellt, und zwar wegen systematischen sexuellen Missbrauchs, Folter und Verstößen gegen die moralische Integrität, der Aufdeckung und Weitergabe von Geheimnissen sowie der Einschränkung ihrer Bürgerrechte, einschließlich der Verletzung der Vereinigungsfreiheit. Die Strafanzeige, die auch gegen die Vorgesetzten des Polizeibeamten gerichtet ist, stützt sich auf die rechtliche Unterstützung von Irídia – Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte und der Gewerkschaft CGT.

In Anbetracht der Schwere dieser Verstöße erklären die unterzeichnenden Organisationen und Kollektive, dass:

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Westafrika: Eine kurze Geschichte der europäischen Migrationskontrolle

von Sebastian Carlotti

Im Senegal will Frontex erstmals eine Operation auf dem afrikanischen Kontinent durchführen. Die Agentur ist seit ihrer Gründung bereits in den dortigen Gewässern präsent.

Im Februar wurde bekannt, dass die Europäische Kommission den senegalesischen Behörden vorgeschlagen hat, zum ersten Mal in der Geschichte operative Frontex-Kräfte in das Hoheitsgebiet eines afrikanischen Staates zu entsenden. Die vorgebliche Absicht der Stationierung entlang der Außengrenzen des Senegal besteht darin, den Menschenhandel über diese Grenzen zu unterbinden. Europa will damit aber vielmehr direkt auf den Routen der Migranten*innen eingreifen, um diese schon „zu Hause“ zu stoppen.

Der Plan, der vom Senegal noch nicht abgesegnet wurde, sieht eine aktive Überwachung der so genannten Atlantikroute vor. Außerdem könnten die Grenzposten zu Mauretanien und anderer Routen über Algerien und Libyen überwacht werden. Berichten zufolge sollen als Gegenleistung für diese Zusammenarbeit neue Mittel zur Bekämpfung der Auswirkungen der Pandemie auf die senegalesische Wirtschaft und die Schaffung neuer Möglichkeiten für die legale Migration angeboten werden. Das für einen Frontex-Einsatz nötige Abkommen würde auch eine neue Dimension in der Externalisierung der europäischen Grenzen in diesem Gebiet einführen und könnte später auf Mauretanien ausgedehnt werden. Westafrika: Eine kurze Geschichte der europäischen Migrationskontrolle weiterlesen

Katalysator Wirtschaftskrise? Zum Wandel von Protest Policing in Europa

von Andrea Kretschmann

Seit 2008 entfaltet sich in der EU die größte Krise des Kapitalismus seit den 30er Jahren. Begleitet wird sie von einer für die letzten Dekaden ungewöhnlichen Vehemenz sozialer Kämpfe. KriminologInnen beobachten im gleichen Zeitraum einen qualitativen Wandel des Protest Policing. Der Beitrag fragt nach den Zusammenhängen der Entwicklungen.

Die Krise hat Einzug gehalten in Europa. Politische ÖkonomInnen sehen seit 2008 nicht nur den kapitalistischen Normalbetrieb gestört, sie beobachten außerdem, wie angesichts von mangelndem Wirtschaftswachstum und Massenarbeitslosigkeit auch die neoliberale Ideologie zunehmend brüchig wird.[1] Dies nicht zuletzt deshalb, weil sich „ökonomische Systemrisiken und kalkulierbare Schadensfälle für die Mehrzahl derjenigen, die in aller Abhängigkeit nichts zu entscheiden haben, in elementare Gefahren verwandelt“ haben.[2] Katalysator Wirtschaftskrise? Zum Wandel von Protest Policing in Europa weiterlesen

Eine fast vergessene Grenze: Verzweiflung und Tod an den Zäunen von Ceuta

lnterview mit Peio Aierbe

Der Anblick von Leichen bewirke mehr als alle Reden über Migrationspolitik, sagt Peio Aierbe von SOS-Racismo/Mugak, der die spanischen Organisationen im Netzwerk ,,Migreurop“ vertritt. Amanda Ioset und Heiner Busch befragten ihn über die Situation an der Grenze zwischen Marokko und den spanischen Enklaven in Afrika.

Bis heute finden sich nur an wenigen Stellen der EU-Außengrenze streng bewachte Sperranlagen. Die sechs Meter hohen doppelten Stacheldrahtzäune, die die beiden spanischen Städte Ceuta und Melilla von Marokko trennen, waren deshalb in den Nullerjahren die sichtbaren Symbole der europäischen Festungspolitik. Spätestens seit dem „arabischen Frühling“ haben sich die internationalen Medien jedoch auf einen anderen Abschnitt der EU-Außengrenze konzentriert: Im Vordergrund der Berichterstattung standen nun die Katastrophen rund um die italienische Insel Lampedusa. Ceuta und Melilla gerieten in Vergessenheit – und mit den beiden Städten auch die Situation der afrikanischen Migrantlnnen und Flüchtlinge in Marokko. Seit Anfang Februar dieses Jahres sind die beiden spanischen Enklaven auf dem afrikanischen Kontinent wieder in die Nachrichten gerückt. Eine fast vergessene Grenze: Verzweiflung und Tod an den Zäunen von Ceuta weiterlesen

Mit Rückenwind der EU – Die spanische Anti-Terror-Politik

von Peio M. Aierbe

Der 11. September 2001 hat die spanische Anti-Terror-Politik nicht grundsätzlich verändert. Eine willige öffentliche Meinung und die gewachsene Kooperationsbereitschaft anderer Staaten ermöglichten der Regierung vielmehr ein schnelleres Tempo auf dem bereits vorgezeichneten Kurs.

Die Anti-Terror-Politik der spanischen Regierung verfolgt seit Jahrzehnten ein grundsätzliches Ziel: die Bekämpfung der bewaffneten baskischen Organisation ETA und ihres Umfeldes. Die dafür notwendigen polizeilichen und geheimdienstlichen Strukturen, rechtlichen Grundlagen und politischen Bündnisse sind seit langem fest etabliert. Mit Rückenwind der EU – Die spanische Anti-Terror-Politik weiterlesen

Spaniens elektronische Mauer – Immigration zwischen Vertuschung und Kriminalisierung

von Gerhard Piper

Täglich versuchen Menschen aus Marokko oder Schwarzafrika in kleinen Fischerbooten die Straße von Gibraltar zu überqueren. Genau 12,964 Kilometer trennen hier den reichsten vom ärmsten Kontinent.[1] Nun will der Schengen-Staat Spanien die Abschottung seiner Südgrenze durch ein neues Überwachungssystem verstärken. Bis Juli 2001 soll der erste Bauabschnitt des Sistema Integrado de Vigilancia Exterior (SIVE) fertiggestellt sein.

Im ersten Quartal dieses Jahres nahmen die spanischen Polizeien rund 3.000 Personen fest, die die Meerenge, den Estrecho, ohne die notwendigen Papiere überquert hatten.[2] Wie viele Menschen insgesamt jedes Jahr, getrieben von wirtschaftlicher Not, Bürgerkriegen oder Verfolgung, diesen gefährlichen Versuch unternehmen, ist nicht bekannt. Wo das Mittelmeer in den Atlantik fließt, kentern viele kleine Boote durch den Seegang oder die Bugwellen großer Frachtschiffe und Öltanker. Fluchthelfer haben die Boote so voll Menschen gestopft, dass nicht einmal mehr Platz zum Schöpfen bleibt, wenn Meerwasser über die Bootskante schwappt. Gerät ein Flüchtlingsboot in Seenot, können die Einwanderer niemanden zu Hilfe rufen.[3] Eine zivile Seenotrettungsorganisation, wie sie an den deutschen Küsten schon seit hundert Jahren tätig ist, gibt es in Spanien nicht.[4] Obwohl sie nur gegen die Visa-Bestimmungen verstoßen haben, werden die „Papierlosen“ häufig mit Kriminellen und Drogendealern gleichgesetzt.[5] Spaniens elektronische Mauer – Immigration zwischen Vertuschung und Kriminalisierung weiterlesen