88 Organisationen erklären ihre Unterstützung für die fünf Aktivistinnen, die wegen der Unterwanderung sozialer und gewerkschaftlicher Bewegungen durch einen Polizeibeamten des spanischen Nationalen Polizeikorps in Barcelona vor Gericht gehen. Der verdeckte Ermittler nutzte intime, sexuelle Beziehungen, um ein Vertrauensverhältnis zu diesen Bewegungen aufzubauen und zu festigen. Seine Handlungen wurden vom restlichen Polizeiapparat gebilligt und unterstützt. Seine Tätigkeit wurde dank einer Untersuchung der Zeitung La Directa von Mai 2020 bis Oktober 2022 dokumentiert.
Am 31. Januar 2023 haben fünf der von dem Polizeieinsatz betroffenen Aktivistinnen, Menschenrechtsverteidiger und Gewerkschafter eine Strafanzeige gegen den Polizeibeamten gestellt, und zwar wegen systematischen sexuellen Missbrauchs, Folter und Verstößen gegen die moralische Integrität, der Aufdeckung und Weitergabe von Geheimnissen sowie der Einschränkung ihrer Bürgerrechte, einschließlich der Verletzung der Vereinigungsfreiheit. Die Strafanzeige, die auch gegen die Vorgesetzten des Polizeibeamten gerichtet ist, stützt sich auf die rechtliche Unterstützung von Irídia – Zentrum für die Verteidigung der Menschenrechte und der Gewerkschaft CGT.
In Anbetracht der Schwere dieser Verstöße erklären die unterzeichnenden Organisationen und Kollektive, dass:
Ich dachte, Mark Kennedy wäre mein Liebhaber und Freund, aber er manipulierte mich. Seine Vorgesetzten logen sogar in ihrer Entschuldigung bei mir.
Dieser Offene Brief von Kate Wilson erschien in einer früheren Form zuerst im britischen Guardian.
Im Jahr 2003 habe ich mich in einen Mann verliebt, der nicht existiert hat. Er war charismatisch und romantisch und teilte viele meiner Interessen und Träume. Wir lebten mehr als ein Jahr lang als LiebhaberInnen zusammen. Wir sind gereist. Er stand meiner Familie nahe und war im Mittelpunkt meiner Welt. Wir waren sieben Jahre lang die engsten FreundInnen. Ich habe ihn zuletzt im August 2010 gesehen. Er lud mich zum Abendessen ein, und danach gingen wir am Fluss entlang und sprachen über unser Leben. Ich wurde von einem Undercover-Polizisten missbraucht. Aber wie weit oben war diese Täuschung bekannt? weiterlesen →
Acht Frauen aus Großbritannien haben die Metropolitan Police wegen des Einsatzes von Sexualität und des Eingehens tiefgehender, emotionaler Beziehungen im Rahmen verdeckter Ermittlungen verklagt. Die Beziehungen dauerten mitunter bis zu neun Jahren. In einem Fall hinterließ der Spitzel nach seinem Untertauchen einen Sohn, für den von der britischen Polizei kein Unterhalt gezahlt wurde. Zuvor hatte der gleiche Polizist sexuelle Beziehungen mit drei anderen Aktivistinnen. Ein anderer verdeckter Ermittler zeugte zwei Kinder mit einer Ziel- oder Kontaktperson.
Ende November 2009 hat das schweizerische Justizministerium, das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), den Vorentwurf für ein Polizeiaufgabengesetz des Bundes (PolAG) vorgelegt. Geregelt werden darin auch die verdeckten Methoden der Bundeskriminalpolizei.
Das PolAG solle „die Zersplitterung des heutigen Polizeirechts des Bundes“ überwinden, so heißt es in zwei amtlichen Pressemitteilungen sowie in dem rund 100 Seiten langen erläuternden Bericht zu dem Gesetzentwurf.[1] Die Polizeiaufgaben des Bundes seien derzeit in „zahlreichen Bundesgesetzen“ und in einer „Vielzahl von verstreuten Einzelnomen“ geregelt. Das sei nicht nur unübersichtlich, sondern stehe in einem „gewissen Kontrast“ zu der organisatorischen Konzentration der polizeilichen Dienste auf eidgenössischer Ebene im Bundesamt für Polizei, das sich seit einigen Jahren neumodisch als „fedpol“ abkürzt. Das PolAG bringe keine grundsätzlichen Änderungen, es fasse bloß die vorhandenen Bestimmungen zusammen und konkretisiere sie da, wo es nötig sei. Darf’s sonst noch was sein? Schweiz: Neues Polizeirecht für den Bund weiterlesen →
Drei Spioninnen infiltrierten über Monaten hinweg linke und autonome Gruppen in der Westschweiz. „Nestlégate“ wird der Spitzelskandal in der Presse genannt, da der Nahrungsmittelmulti Nestlé den Auftrag erteilt hatte. Ausgeführt hat ihn die Sicherheitsfirma Securitas. Erstmals liegen dem Autor nun auch Gerichtsakten zu einem der drei Fälle vor.[1]
Auftraggeberin von mindestens zwei der drei Spionagemissionen war Nestlé. Der Konzern mit Sitz in Vevey am Genfer See lässt seine Gebäude in der Schweiz traditionellerweise von der Securitas bewachen. Die Securitas ist ein Schweizer Familienunternehmen mit knapp 6.000 Angestellten und zahlreichen Tochtergesellschaften, das eine breite Palette an „Sicherheitsdienstleistungen“ anbietet. Bekannt ist sie einer breiteren Öffentlichkeit durch ihre NachtwächterInnen, zumeist ältere Männer in blauen Uniformen, die nachts mit Taschenlampen durch die Städte ziehen und in manchen Gemeinden auch Parkbußen verteilen dürfen. Securitas Schweiz ist nicht zu verwechseln mit der global tätigen Securitas AB, die in der Schweiz unter dem Namen Protectas auftritt.
Innerhalb der Securitas existiert seit dem Jahr 2000 eine Art Geheimdienstabteilung namens „Investigation Services IS“, deren Zweck laut Handelsregistereintrag „Überwachungen und Nachforschungen jeglicher Art“ sind. Sitz der IS ist Kloten, operativ ist sie aber in Zürich und in Lausanne beheimatet. Nestlégate – Private Spioninnen im Dienste von Nestlé weiterlesen →
Seit einigen Jahren ist von der „neuen Sicherheitsarchitektur“ die Rede. Die Institutionen der alten Bundesrepublik seien den neuen Herausforderungen nicht mehr gewachsen; sie müssten gründlich umgebaut werden. Unter dem Schlagwort der „Vernetzung“ findet gegenwärtig die Reorganisation des Gewaltmonopols statt.
Die Institutionen, die Innere Sicherheit gewährleisten sollen, unterliegen einem ständigen Wandel. Bereits das Entstehen des administrativ-politischen Komplexes „Innere Sicherheit“ in der Bundesrepublik ist ein Resultat dieses Wandels, der in das Ende der 60er/den Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts fällt.[1] Obwohl sie nicht trennscharf an Jahreszahlen geschieden werden können, lassen sich für die Entwicklung der BRD deutlich vier (wenn man die alliierte Vorgeschichte hinzunimmt fünf) Phasen benennen. Sie unterscheiden sich in der Organisation, in der rechtlichen Regulierung, in der Qualifikation des Personals, der strategischen Orientierung und hinsichtlich derjenigen Probleme, denen sich die innere Sicherheitspolitik und ihre Apparate vorrangig widmeten. Typisierend vereinfacht verliefen die Wandlungen in dieser Abfolge: Sicherheitsarchitekturen im Wandel – Polizei – Geheimdienst – Militär weiterlesen →
Bereits seit Jahren angekündigt, legte das Bundesjustizministerium im November 2006 einen Gesetzentwurf vor, der die Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) über verdeckte Ermittlungsmethoden reformieren soll.[1] Indem der Entwurf versucht, ein rechtsstaatlich einwandfreies Fundament für geheime Polizeiarbeit zu liefern, wird er zu deren Ausweitung beitragen.
Nach eigenem Bekunden ist die Novelle aus drei Gründen erforderlich: Erstens verlangten technischer Fortschritt und praktische Schwierigkeiten der Strafverfolgung nach neuen und übersichtlicheren Regelungen für verdeckte Ermittlungsmethoden. Zweitens müsse der Gesetzgeber Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus der jüngeren Vergangenheit Rechnung tragen – namentlich den Urteilen zum Großen Lauschangriff, zur Erhebung von Verkehrsdaten der Telekommunikation (TK) sowie den in verschiedenen Entscheidungen formulierten Maßstäben für Rechts- und Datenschutz bei verdeckten Ermittlungen. Drittens ergäben sich die Änderungen aus den Vorgaben der Cybercrime-Konvention des Europarats, die demnächst ratifiziert werde, sowie aus der EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von TK-Verkehrsdaten. Verdeckte Methoden im Strafprozess – Zum Entwurf der aktuellen StPO-Novellierung weiterlesen →
1991/92 setzte das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg in mehreren Städten des Landes, u.a. in Freiburg, Verdeckte Ermittler (VE) ein, um die linke Szene auszuforschen. Ganze elf Jahre dauerte es, bis das LKA – gerichtlich gezwungen – den VE-Einsatz in Freiburg zugab, weitere zwei Jahre bis zur Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass der Einsatz rechtswidrig war.
Freiburg im Sommer 1991: Acht junge Leute treffen sich, um Hilfe für politische Gefangene zu leisten und den Schutz von Flüchtlingswohnheimen gegen die sich häufenden Anschläge zu organisieren. Mit dabei ist Hans-Joachim Carlsen – Hajo –, angeblich Zivildienstleistender, der sich mit S. anfreundet, regelmäßig in dessen Wohngemeinschaft verkehrt und so Kontakt zu weiteren Personen aus dem persönlichen und politischen Umfeld von S. erhält. „Hajo“ beteiligt sich an gemeinsamen Essen, an Diskussionen über Politik, Staat, Beziehungen und erfährt selbst von den psychischen Schwierigkeiten, wegen der sich S. in psychiatrische Behandlung begeben hat. Das Verhältnis wird so vertrauensvoll, dass S. und dessen Freundin im April 1992 einen gemeinsamen Zelt-Urlaub mit „Hajo“ in Frankreich planen. Der sagt jedoch im letzten Moment ab und verschwindet im Juni 1992, nachdem er mit dem Verdacht, ein Spitzel zu sein, konfrontiert wird. Illegaler Einsatz Verdeckter Ermittler – Zur gerichtlichen Kontrolle der „Spätzle-Stasi“ weiterlesen →
Zur effizienten Bekämpfung der vermeintlich zunehmenden und sich perfektionierenden „organisierten Kriminalität“ brauche es ausgedehnte polizeiliche Befugnissen, den Einsatz technischer Mittel und Verdeckte Ermittler. So schallt es seit Jahren aus den Reihen der RepressionstrategInnen. Dass die Erfolge im Zweifel bescheiden sind, zeigt das folgende Beispiel aus der Strafverfolgungspraxis.
Im Frühjahr 2004 wird das Landgericht Berlin drei Männer wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Kokain in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen zwischen siebeneinhalb und neun Jahren verurteilen. Die Geschichte ihres Falles beginnt damit, dass einer der drei einen Arbeitskollegen anspricht, der – wie er selbst – im schlecht bezahlten privaten Sicherheitsgewerbe arbeitet. Er fragt, ob dieser nicht junge deutsche Männer kenne, die gegen gutes Geld für ein paar Tage nach Südamerika fliegen und auf dem Rückweg „Stoff“ in die Niederlande bringen könnten, wo die „Ware“ dann von anderen Personen in Empfang genommen würde. Der Kollege geht prompt zur Polizei, wird dort mit seiner Geschichte jedoch zunächst weggeschickt. An der Wache hält man ihn dann doch noch zurück und fragt, ob er (im Folgenden: Zeuge X) bereit sei, „ggf. aktiv mit der hiesigen Dienststelle zusammenzuarbeiten“, insbesondere seinem Kollegen einen von der Polizei gestellten „Scheintransporteur“ vorzustellen. Er bejaht dies.[1]Außer Spesen nichts gewesen – Polizeilich bestellte Drogenlieferung weiterlesen →
In den vergangenen zwei Jahrzehnten war das Strafverfahrensrecht einer Serie von Veränderungen unterworfen, die vor allem der Polizei einen Machtzuwachs im Ermittlungsverfahren brachten. Die Strafprozessordnung, die einst als Magna Charta der Beschuldigtenrechte galt, wurde ins Recht der Inneren Sicherheit eingemeindet.
Wer die ersten Seiten des Kommentars von Meyer-Goßner zur Strafprozessordnung (StPO) aufschlägt, wird sich die Augen reiben.[1] Hier findet man eine Übersichtstabelle über die Änderungen der StPO seit ihrer Einführung 1877: Von den insgesamt 149 Änderungsgesetzen fallen 120 in die Geschichte der Bundesrepublik. Von denen wiederum wurden 91 seit der Strafprozessreform von 1974 und 74 seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von Dezember 1983 verabschiedet.
Welp konstatierte schon 1994, die StPO habe mittlerweile nur noch die Stabilität einer „Ausführungsverordnung zum Einkommenssteuergesetz“.[2] Dass ein Gesetzeswerk wie dieses in relativ kurzer Zeit so oft geändert wurde, ist eines. Etwas anderes ist, dass es sich bei den Veränderungen keineswegs nur um irgendwelche Detailanpassungen gehandelt hat, sondern zum Teil um tiefe Einschnitte. Verpolizeilichung des Strafverfahrens – Eine Gesetzgebungsbilanz weiterlesen →
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