Zwei Seiten einer Medaille – Über Chancen und Risiken der Nebenklage

von Daniel Wölky

Das Instrument der Nebenklage ermöglicht es den Verletzten, aktiv ins Prozessgeschehen einzugreifen – um Strafverfolgungsbehörden und Gerichte zu kontrollieren, aber auch um eigene höchst partikulare Interessen oder gar Rachebedürfnisse zur Geltung zu bringen.

Ein Fall von Kindesentführung und Vergewaltigung von Anfang des Jahres 2006 sorgte im Herbst desselben Jahres erneut für Schlagzeilen. Hervorgerufen wurde das öffentliche Aufsehen jedoch nicht durch die Straftaten des Mario M., sondern durch die offensive Medienstrategie der Anwälte des 13-jährigen Opfers Stephanie R.: Es begann mit einem Artikel des „Spiegel“ unter dem Titel: „Willst Du mich umbringen?“, in welchem das Mädchen detailreich von den erlittenen Qualen berichtete.[1] Kurze Zeit später wurde sie in Johannes B. Kerners Talkshow präsentiert.[2] Unablässig gab die Nebenklagevertretung Stellungnahmen ab. Als Mario M. am 8. November auf das Dach der Haftanstalt kletterte, forderte der Anwalt von Stefanie R. gar eine Standleitung zum Justizminister und zur Gefängnisleitung, „damit man immer informiert“ sei. Zwei Seiten einer Medaille – Über Chancen und Risiken der Nebenklage weiterlesen

Chronologie

zusammengestellt von Jan Wörlein

März 2007 (Nachtrag)

14.03.: Wohnraumüberwachung erlaubt: Der Verfassungsgerichtshof von Rheinland-Pfalz hält die im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz des Landes vorgesehene akustische und optische Wohnraumüberwachung zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit für verfassungskonform. (Az.: VGH B 1/06)

15.03.: Großaktion gegen Sans-papiers: Bei der bisher größten bundesweiten Kontrolloperation decken Bundespolizei, Länderpolizeien und Zoll 166 illegale Aufenthalte und 136 illegale Einreisen auf. 90 Haftbefehle werden erlassen. Grundlage der dreitägigen Aktion war eine Analyse des Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrums Illegale Migration.

21.03.: Hizbollah-Symbole erlaubt: Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin erklärt das Mitführen von Symbolen der Hizbollah und Bildern ihres Generalsekretärs bei Demonstrationen für nicht strafbar. Chronologie weiterlesen

Literatur

Zum Schwerpunkt

Mittlerweile ist die Praxis der „extraordinary rendition“, der Verschleppungen, Inhaftierungen und Folterungen vielfach dokumentiert. Den Veröffentlichungen ist aber insgesamt gemeinsam, dass sie sich gegen das Leugnen, die rhetorischen Tricks und die gezielte Ignoranz der Regierungen und sowie Sabotage weiterer Aufklärungsarbeit behaupten müssen. Aber wer bereit ist, sich ein eigenes Urteil zu bilden, der wird eine solch erdrückende Fülle an Fakten finden, dass an der menschen-rechtswidrigen Praxis des von den USA angeführten internationalen Anti-Terror-Kampfes keine Zweifel bestehen können. Literatur weiterlesen

Länderberichte

BRD

In der für die Terrorliste der EU zuständigen Arbeitsgruppe des Rates wird die BRD nicht etwa durch einen Beamten des Bundeskriminalamtes oder des Bundesinnenministeriums, sondern durch einen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes vertreten. Das Referat des Außenministeriums, dem er angehört, soll die Aktivitäten der deutschen Behörden sowohl hinsichtlich der UN- als auch der EU-Liste koordinieren, dürfte praktisch jedoch vor allem die Funktion eines Transmissionsriemens haben.

„Wir gehen mit diesen Instrumenten sehr zurückhaltend um“, bemüht sich der Sprecher des Auswärtigen Amtes zu betonen. Auf die Frage, welche Personen und Organisationen aufgrund deutscher Initiative auf den Listen gelandet sind, will er jedoch keine Auskunft geben. Es kämen nur solche in Frage, die entweder schon verurteilt seien oder „kurz vor der Verurteilung stehen“. Länderberichte weiterlesen

Redaktionsmitteilung

Der BND-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages befasst sich unter anderem mit der Frage, ob auch deutsche „Sicherheitsbehörden“ ihren US-amerikanischen Partnern bei „extraordinary renditions“ geholfen haben, diese Entführungen duldeten oder von den Aussagen der Betroffenen in diversen Folterzentren zu profitieren meinten. Sein Vorsitzender, der Abgeordnete Siegfried Kauder (CDU), hat kürzlich demonstriert, dass die erste und vornehmste Aufgabe eines solchen Gremiums nicht in der schonungslosen Aufklärung, sondern vielmehr in der Sorge darum besteht, dass die geheimen Unterlagen, die die Regierung und ihre Geheimdienste dem Ausschuss preisgegeben haben, auch wirklich geheim bleiben. Darum hat er im März Anzeige gegen jene JournalistInnen erstattet, die aus solchen Papieren zitiert haben. Das Ergebnis waren siebzehn Ermittlungsverfahren, von denen bei Redaktionsschluss eines schon wieder eingestellt war. Redaktionsmitteilung weiterlesen

Staatsgewalt jenseits des Rechts – Der transatlantische Kampf gegen die Menschenrechte

von Heiner Busch und Norbert Pütter

Während die Staatsführungen diesseits und jenseits des Atlantiks nicht müde werden zu betonen, dass der internationale islamistische Terrorismus die größte Gefahr für Demokratie und Freiheit darstelle, wird zusehends deutlicher, dass diese Regierungen selbst Menschen- und Bürgerrechte systematisch und dauerhaft verletzen.

Der neue, nicht nur transatlantische, sondern weltweite Anti-Terrorismus ist durch drei Elemente gekennzeichnet: Erstens wird in seinem Namen eine internationale Infrastruktur der Überwachung geschaffen. Zweitens werden mit ihm Kriege und militärische Operationen begründet. Und drittens wird im anti-terroristischen Kampf ein Instrumentarium entwickelt, das sich den herkömmlichen Kategorien entzieht: Es ist weder Krieg noch Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr, es verknüpft militärische, polizeiliche und geheimdienstliche Aktionen; es steht außerhalb des Rechtssystems und stellt die Betroffenen rechtlos; es schaltet Öffentlichkeit und Parlamente aus und verbindet geheime exekutive Praktiken mit einem umfassenden Repertoire an Sanktionen. Staatsgewalt jenseits des Rechts – Der transatlantische Kampf gegen die Menschenrechte weiterlesen

Summaries

Focus: International Anti-Terrorism

State power beyond the law – an introduction
by Norbert Pütter and Heiner Busch
The new global anti-terrorism is characterised by three core elements: an international surveillance structure is created in its name. Wars and military operations are justified by it. And last but not least, the „war on terror“ creates instruments that are neither war nor criminal prosecution, but that link military with police and secret service actions and deny terror suspects all fundamental rights. Summaries weiterlesen

Gipfel des Sicherheitswahns – Politik, Protest und Polizei beim G8-Gipfel 2007

von Elke Steven

Anfang Juni gaben sich die Staats- und RegierungschefInnen der Grup­pe der acht mächtigsten Industriestaaten ihr jährliches Stelldichein – diesmal im Ostseebad Heiligendamm. Proteste gegen diese Demonstration der Macht waren nicht erwünscht. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hat die Ereignisse mit einer Gruppe von BeobachterInnen begleitet.[1]

Seit die WTO-Ministerkonferenz 1999 wegen massiver Proteste abgebrochen werden musste, gelten Gipfeltreffen als gefährdete Ereignisse. Mit dem legitimatorischen Rückenwind des 11.9.2001 und nachfolgender Anschläge scheint den Sicherheitsbehörden heute jedes Mittel recht, Proteste publizistisch in den Dunstkreis des Terrorismus zu rücken, einzuschränken und weitestgehend zu verbieten. Von Beginn an sah sich denn auch das breite und heterogene Bündnis, das zu den Protesten gegen den G8-Gipfel mobilisierte, mit repressiven und eskalierenden politisch-polizeilichen Strategien konfrontiert. Früh begannen vor allem Bundeskriminalamt (BKA) und Verfassungsschutz medienwirksam vor terroristischen Anschlägen, vor Straf- und Gewalttätern zu warnen, mussten aber bei Nachfragen zugeben, über keine konkreten Hinweise zu verfügen. Das verhinderte jedoch nicht, dass die Sicherheitsbehörden seit Anfang 2007 eine Art polizeiliche Propaganda der Tat entfalteten. Gipfel des Sicherheitswahns – Politik, Protest und Polizei beim G8-Gipfel 2007 weiterlesen

Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit e.V.