Länderberichte

BRD

In der für die Terrorliste der EU zuständigen Arbeitsgruppe des Rates wird die BRD nicht etwa durch einen Beamten des Bundeskriminalamtes oder des Bundesinnenministeriums, sondern durch einen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes vertreten. Das Referat des Außenministeriums, dem er angehört, soll die Aktivitäten der deutschen Behörden sowohl hinsichtlich der UN- als auch der EU-Liste koordinieren, dürfte praktisch jedoch vor allem die Funktion eines Transmissionsriemens haben.

„Wir gehen mit diesen Instrumenten sehr zurückhaltend um“, bemüht sich der Sprecher des Auswärtigen Amtes zu betonen. Auf die Frage, welche Personen und Organisationen aufgrund deutscher Initiative auf den Listen gelandet sind, will er jedoch keine Auskunft geben. Es kämen nur solche in Frage, die entweder schon verurteilt seien oder „kurz vor der Verurteilung stehen“.

Soweit erkennbar sind tatsächlich alle in deutschen Terrorismusverfahren angeklagten Personen vor ihrer Verurteilung auf die Liste der UN geraten. Die Liste dient damit als eine Art Vorverurteilung, die unabhängig vom Ausgang des Verfahrens erhalten bleibt. Dazu einige Beispiele: Mounir el Motassadeq wurde am 30. Sep­tember 2002 erfasst, fünf Monate bevor ihn das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Beihilfe zu den Anschlägen des 11. Septembers 2001 verurteilte. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil im März 2004 wieder auf. Erst in der zweiten Runde, im Januar 2007, hatte die fragwürdige Verurteilung durch das OLG Bestand. Der wegen der gleichen Vorwürfe angeklagte Abdelghani Mzoudi steht seit Juni 2003 auf der UN-Liste, obwohl ihn das OLG Hamburg im Februar 2004 freisprach und der BGH das Urteil im Juni 2005 bestätigte. Weder die zwischenzeitliche Aufhebung des Urteils im Fall El Motassadeq noch der definitive Freispruch für Mzoudi hatten irgendeinen erkennbaren Einfluss auf ihre Listung.

Die vier Angeklagten, die das Düsseldorfer OLG im Al Tahwid-Verfahren am 26. Oktober 2005 verurteilte, wurden bereits im September 2003 auf der UN-Liste erfasst. Am gleichen Tag gelistet wurde auch Abdallah S., den dasselbe Gericht im November 2003 mit vier Jahren Haft vergleichsweise milde bestrafte. S. war sowohl im Al Tahwid-Verfahren als auch in den Hamburger Prozessen gegen Al Motassadeq und Mzoudi als Quasi-Kronzeuge aufgetreten. Am 23. Dezember 2004 wurde er wieder von der UN-Liste gestrichen und so für seine „recht abenteuerlichen Geschichten“ belohnt.[1]

Der Iraker Lokman M., den das OLG München im Januar 2006 im ersten Verfahren nach dem neuen § 129b Strafgesetzbuch (StGB) wegen Mitgliedschaft in Ansar al Islam (AAI) und sechs Fällen des gewerbsmäßigen Einschleusens zu sieben Jahren Haft verurteilte, stand bereits einen Monat vorher auf der Liste; ebenso ein weiterer Iraker, den dasselbe OLG im Juni 2006 zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilte – wegen Sozialhilfebetrugs und Unterstützung von AAI: Dieman A.I. hatte 150 Euro an AAI gespendet. Da die Organisation seit Februar 2003 auf der UN-Liste stand, hatte der Asylbewerber zugleich einen Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz begangen.[2]

Die BRD verfügt zwar nicht über eine eigene Liste von terroristischen Organisationen. Allerdings kann sie vereinsrechtliche Organisations- und Tätigkeitsverbote verhängen, bei denen das Vermögen der betreffenden Gruppierung nicht nur eingefroren, sondern beschlagnahmt und eingezogen wird. So sind bereits seit 1993 die Kurdische Arbeiterpartei PKK (inkl. sämtlicher Nachfolgeorganisationen) und seit 1998 die türkische DHKP-C verboten. Im Mai 2002 traf der Bannstrahl des Bundesinnenministers auch den in Aachen ansässigen Al Aksa e.V. Es war das erste Mal, dass die im Terrorismusbekämpfungsgesetz von Januar desselben Jahres erweiterten Verbotsgründe für „Ausländervereine“ zur Anwendung kamen. Al Aksa e.V. habe Spenden für die Hamas gesammelt und damit eine ausländische „gewalttätige und terroristische Organisation“ unterstützt.[3] All drei genannten Organisationen sind auf der EU-Liste zu finden. In allen drei Fällen ist davon auszugehen, dass der Eintrag auf die Initiative der BRD zurückgeht.

Einfrieren

Gemäß der einschlägigen EG-Verordnung ist die Bundesbank – genauer: ihr in München ansässiges „Servicezentrum Finanzsanktionen“ – die in der BRD zuständige Behörde für das Einfrieren von Geldern. Auf unsere Frage nach der blockierten Gesamtsumme und der entsprechenden Zahl von Konten teilte uns dieses Zentrum mit, dass man „Angaben zu den eingefrorenen Geldern … im Einzelnen aus Datenschutzgründen nicht machen“ könne. Die „kontoführenden Institute“ haben von sich aus Gelder von auf den Listen verzeichneten Personen oder Organisationen „zu identifizieren und dafür Sorge zu tragen, dass es nicht zu Verstößen (z.B. durch unzulässige Kontobewegungen oder Auszahlungen) kommt.“ Sie müssen ferner den Vollzug des Einfrierens samt der Konto-Stammdaten an die Bundesbank zurückmelden.

Das Servicezentrum ist auch für Ausnahmegenehmigungen zuständig. Die „Freigabe von Geldern für Grundausgaben“ bedarf aber einer „Notifikation des Sanktionsausschusses“ der UN bzw. einer Konsultation mit den anderen EU-Mitgliedstaaten. Bei der Höhe der freizugebenden Beträge orientiert sich die Bundesbank „zum Beispiel an den Bedarfssätzen nach der deutschen Sozialgesetzgebung“, anders ausgedrückt: am Niveau von Hartz IV. „Eine Statistik über die Zahl der Ausnahmegenehmigungen … wird nicht geführt.“

Einzufrieren sind aber nicht nur Gelder auf Konten, sondern jede Art wirtschaftlicher Ressourcen der Gelisteten. So hat der freigesprochene Mzoudi zwar Anspruch auf eine Haftentschädigung von 4.708 Euro für die 428 Tage, die er in Untersuchungshaft saß. Weil er aber nach wie vor auf der UN-Liste erfasst ist, verweigert das Hamburger Justizverwaltungsamt die Auszahlung. Der mittlerweile nach Marokko zurückgekehrte Mann will diese Gelder nun einklagen.[4]

Theoretisch sind nicht nur öffentliche Institutionen, sondern auch sämtliche Privatpersonen und Unternehmen im Lande unter Androhung von hohen Bußgeldern gehalten, den Betroffenen die Auszahlung von Geld oder die Aushändigung geldwerter Güter zu verweigern. Firmen müssten ihre Geschäftspartner und Mitarbeiter mit den Listen abgleichen, meint der Leiter Datenschutzdienste der „Hoch-Tief Facility Management“. „Um keine rechtlichen Risiken hinsichtlich der Straf- und Bußgeldvorschriften einzugehen, werden die Unternehmen den Kreis der zu überprüfenden eher weit als zu eng ziehen.“[5] Dass auch die Finanzinstitute ihre KundInnen misstrauisch beäugen, zeigt die Statistik der Verdachtsanzeigen nach dem Geldwäschegesetz (GWG). Seit dessen Änderung im Jahre 2002 sind die Banken (und andere private Dienst­leister) nicht mehr nur zur Wachsamkeit gegenüber möglichen Fällen von Geldwäsche, Betrug etc., sondern auch wegen Finanzierung des Terrorismus verpflichtet. Die Verdachtsanzeigen gehen an die Landeskriminalämter. Die BKA-Staatsschutzabteilung erhält jeweils eine Kopie.

Von den Verdachtsanzeigen nach dem GWG insgesamt machen die terrorismusbezogenen zwar nur einen Bruchteil aus (2006: 0,6 Prozent). 494 solcher Meldungen gingen zwischen dem Inkrafttreten der GWG-Änderung am 15. August 2002 und dem Ende des letzten Jahres bei den Landeskriminalämtern ein. Von denen jedoch bezogen sich bezeichnenderweise 297 auf so genannte „Listenfälle“, d.h. auf eine mögliche Übereinstimmung mit einer Person auf den Terrorlisten. Die 21 derartigen Meldungen des letzten Jahres waren sämtlich Falschmeldungen. Das geht aus dem Jahresbericht der Financial Intelligence Unit (FIU) des BKA, das als Zentralstelle fungiert, hervor.[6]

Bereits im Jahresbericht 2005 hatte das BKA einen kontinuierlichen Rückgang der Listenfälle vermeldet, den es unter anderem auf den „zunehmenden Aufklärungsgrad“ der „Verpflichteten“ zurückführte. Diese hätten ihre Anzeigen zuvor „in hohem Maße“ auf die OFAC-Liste der USA gestützt, die in der EU keine Geltung hat. Das BKA betont auch in seinem neuesten Bericht, dass diese Art Fehlmeldungen rückläufig sei. Dass sie weiterhin vorkommen, zeigt nicht nur die Aufklärungsresistenz mancher Bankangestellten, sondern auch die von den Listen ausgelöste Bereitschaft, die eigene Kundschaft als gefährlich einzustufen.

Zielscheibe Asylsuchende

Nach der Resolution 1373 des UN-Sicherheitsrates sollen sich die Staaten „im Einklang mit den entsprechenden Bestimmungen des innerstaatlichen und des Völkerrechts … vergewissern, dass der Asylsuchende keine terroristischen Handlungen geplant oder erleichtert oder sich an ihnen beteiligt hat.“ Die Aufnahme einer Organisation auf eine Terrorliste wird deshalb vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als Auftrag verstanden, den Mitgliedern oder Sympathisanten von gelisteten Organisationen den Asylstatus zu verweigern oder abzuerkennen – oder dieses zumindest zu versuchen. Auf unsere Anfrage berichteten einige AnwältInnen über ihre Erfahrungen:

Beispielhaft sind die Fälle von 30 iranischen Frauen, deren Asylanerkennung das BAMF im Jahre 2003 widerrief. Sie waren alle am 30. März 2003, also kurz nach Beginn des Irak-Krieges, aus Amman eingereist. Das Bundesamt behauptete nun, sie gehörten zum Kreis der „reisenden Führungskader“ der Volksmudjahedin (MEK) und hätten sich im Irak aufgehalten, um dort am bewaffneten Kampf gegen das Regime im Iran teilzunehmen. Es wertete dies als „schwer wiegendes nicht-poli­ti­sches Verbrechen“ und damit als Ausschlussgrund nach Art. 1 F der Genfer Flüchtlingskonvention. „Vor den Gerichten hat das alles nicht gehalten“, sagt Rechtsanwalt Reinhard Marx, der eine der betroffenen Frauen vertreten hat. Das Verwaltungsgericht Köln ließ in seinem Urteil vom 22. September 2005 „offen … wie in diesem Zusammenhang der Umstand zu bewerten ist, dass die MEK vom Rat der Europäischen Union im Mai 2002 in die zur Bekämpfung des Terrorismus erstellte Liste … aufgenommen worden ist.“ Für einen Asylwiderruf sei vielmehr entscheidend, ob „der Ausländer Teilnehmer im strafrechtlichen Sinne von Terrorhandlungen gewesen ist oder im Vorfeld Unterstützungshandlungen zugunsten terroristischer Aktivitäten unternommen hat.“[7]

„Massenhaft Widerrufsverfahren“ gibt es laut Marx auch bei Mitgliedern der PKK. „In der Vergangenheit wurden PKK-Leute in Deutschland nur dann als Flüchtlinge anerkannt, wenn sie in der Organisation eine höhere Position, zumindest eine Funktionärsrolle, inne hatten. Das Perfide ist, dass dieselben Argumente, die damals zum Asyl geführt haben, nun gegen diese Leute genutzt werden und für den Widerruf herhalten müssen.“

Gegen Mitglieder und SympathisantInnen gelisteter und verbotener Organisation macht Bayern reichlichen Gebrauch von den mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz und dem Zuwanderungsgesetz neu geschaffenen ausländerrechtlichen Instrumenten. Rechtsanwältin Gisela Seidler berichtet, dass die Behörden selbst Personen, die nur an kulturellen Veranstaltungen der Volksmudjahedin teilgenommen haben, die Einbürgerung verweigern. Sicherheitsbefragungen im Beisein von Beamten des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) seien für die iranischen MandantInnen aber „glimpflich verlaufen“. Für den Umgang mit islamistischen Organisationen wie Ansar al Islam (AAI) hat sich das Land eigens die Arbeitsgruppe BIRGiT („beschleunigte Identifizierung und Rückführung von Gefährdern aus dem Bereich des islamistischen Terrorismus/Extremismus“) geschaffen, an der neben den Ausländerbehörden auch das LfV und das Landeskriminalamt beteiligt sind.

Der von Rechtsanwalt Hubert Heinhold vertretene Tunesier C. ist zwar auf keiner Liste aufgeführt, wurde aber wegen seiner angeblichen Unterstützung verschiedener Personen, die verschiedenen Gruppierungen zugeordnet wurden, als Gefährder eingestuft. „Strafrechtlich hat man ihm nie etwas Einschlägiges nachweisen können. Ein Ermittlungsverfahren wurde vor drei Jahren eröffnet. Seitdem ist da aber nichts mehr passiert“, sagt Heinhold. C‘s Problem sei, dass er zu viele Leute kenne. Der Verwaltungsgerichthof hat die Ausweisung C‘s bestätigt. Weil eine Abschiebung nach Tunesien nicht zulässig ist – es besteht ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz wegen drohender Folter –, hat man ihn in eine abgelegene Kleinstadt im Bayerischen Wald verbannt. Er darf das Gemeindegebiet nicht verlassen und muss sich täglich bei der örtlichen Polizeistation melden. Außerdem darf er kein Internet oder öffentliches Telefon benutzen, sondern nur über ein ihm zugeteiltes Telefon telefonieren.

(Heiner Busch/Jan Wörlein)

Großbritannien

Die britische Regierung bedient sich zweier Terrorlisten. Zum einen führt das Innenministerium eine Liste der „internationalen terroristischen Organisationen“, die aufgrund des Anti-Terror-Gesetzes aus dem Jahre 2000 und seiner Ergänzung von 2006 verboten worden sind.[8] Sie umfasst derzeit 58 Gruppierungen – darunter auch 14 nordirische und zwei, denen „Verherrlichung des Terrorismus“ vorgeworfen wird. Wer Mitglied einer verbotenen Organisation ist, sie unterstützt, für sie wirbt oder ihre Kennzeichen zeigt, begeht eine Straftat. Um diese Liste zu erweitern, muss der Innenminister dem Parlament eine Verbotsanordnung vorlegen. Diese Anordnungen wurden bislang automatisch rechtskräftig, weil das Parlament auf eine Debatte verzichtete.

Die Betroffenen können ihre Listung zunächst durch einen Wiedererwägungsantrag an den Innenminister und in einem zweiten Schritt durch eine Beschwerde an einen speziellen Ausschuss mit richterlichen Funktionen, die „Proscribed Organisations Appeal Commission (POAC), anfechten. Die von der Regierung eingesetzten Richter tagen geheim. Ebenso geheim ist das Beweismaterial, das die Betroffenen nicht zu Gesicht bekommen. Vertreten werden sie nicht etwa durch einen Verteidiger ihrer Wahl. Den Kreis der zugelassenen AnwältInnen bestimmt wiederum die Regierung. Bisher hatte keine Beschwerde Erfolg.

Die zweite, die „konsolidierte“ Liste des Finanzministeriums (Treasury) beruht auf einer „statutory order“, einer Verordnung also, die die Regierung gestützt auf einen „königlichen Vorbehalt“ ohne Mitwirkung des Parlaments verabschiedet hat, und mit der sie die Forderungen der UN-Sicherheitsratsresolution 1373 vom 28. September 2001 in britisches Recht umsetzte. Die Bank of England erhielt dadurch die Befugnis, im Auftrag des Finanzministeriums Personen und Organisationen zu bezeichnen, deren Vermögen und Einkünfte einzufrieren sind und deren finanzielle Unterstützung eine Straftat darstellt.[9] Selbst für kleinste Beträge (15 Pfund für einen Familienausflug) brauchen die Betroffenen eine Ausnahmegenehmigung. Wer sie in irgendeiner Weise finanziell unterstützt, begeht eine Straftat von erheblicher Bedeutung. Auf dieser Liste finden sich derzeit 105 Personen und 60 Gruppen.

Von diesen 165 Einträgen beziehen sich 48 auf die Terrorliste der UN und 57 auf die der EU. Bei der Mehrheit dieser 105 Fälle handelt es sich um britische EinwohnerInnen oder um in Britannien ansässige Organisationen, die direkt auf einer der beiden Listen genannt sind. Bei anderen hingegen beschränkt sich der Bezug zu den beiden internationalen Listen darauf, dass sie „Assoziierte“ oder „Mitglieder“ einer dort aufgeführten Gruppierung sind. In 78 Fällen mit „Bezug“ zur EU- oder UN-Liste findet sich die Bemerkung „post UK listing“, was nichts anderes heißt, als dass Britannien diese Individuen oder Gruppen bereits als terroristisch geächtet hatte, bevor sie auf die Liste der UN oder der EU gesetzt wurden. Auf letzterer finden sich derzeit insgesamt 48 Organisationen; 24 dieser Einträge dürften auf britische Initiative zurückzuführen sein.

Wie die restlichen 60 der 165 Personen oder Gruppen auf die Treasury-Liste geraten sind, ist schwer zu erklären. Bei Asif Mohammed Hanif und Omar Sharif – beide sind mittlerweile tot – wird eine Verbindung zu einem Bombenanschlag in Tel Aviv 2003 als Begründung aufgeführt. Bei vier Männern heißt es nur, sie seien „höhere Hamas-Repräsentanten“. Neu auf die Liste kamen in diesem Jahr eine Reihe von britischen Staatsbürgern marokkanischer, pakistanischer oder bengalischer Herkunft, von denen man nicht weiß, was ihnen vorgeworfen wird, zwei Tamilen, die derzeit als Mitglieder und Spendensammler der Tamil Tigers (LTTE) vor Gericht stehen, und Bilal Talal Abdullah, der im Juli bei einem fehlgeschlagenen Selbstmordattentat auf den Glasgower Flughafen verhaftet wurde.

Im Jahre 2005 waren nach Angaben des damaligen Schatzkanzlers und heutigen Premiers Gordon Brown insgesamt rund 500.000 Euro eingefroren worden.[10] Die vergleichsweise geringe Summe, die dem Vernehmen nach seither kaum gewachsen ist, zeigt, wie wenig das Bild vom reichen und machtvollen Terror-Financier der Realität entspricht. StrafverteidigerInnen bestätigen, dass das administrative Einfrieren von Vermögen und Einkünften zur regelmäßigen Begleiterscheinung von Strafverfahren wegen Terrorismus geworden ist. Sie wird häufig bereits angeordnet, wenn die Beschuldigten festgenommen werden, und trifft vielfach auch bloß „Assoziierte“. Wie weit gestreut die Auswirkungen des Terrorismus-Labels sind, zeigt sich an einem Fall, der Statewatch kürzlich zugetragen wurde. Danach hat die „Charities Commission“ offenbar auf Intervention der Geheimdienste zwei britischen Organisationen die Gemeinnützigkeit aberkannt, weil sie sich nicht genügend von einer ausländischen Gruppierung distanziert hätten, die auf der Terrorliste des Innenministeriums aufgeführt ist.

(Ben Hayes)

Schweden

Schweden[11] führt zwar keine eigene Terrorliste, ist aber verpflichtet, diejenigen der UN- und der EU anzuwenden. Im November 2001 nahm das UN-Sanktionskomitee den in Stockholm ansässigen somalischen Verein Al-Barakaat und drei seiner Mitarbeiter auf die Liste. Gegen eine kleine Provision transferiert Al-Barakaat Geld von Exil-Somalis an Banken in Somalia, wo es durch Mittelspersonen abgehoben und an die jeweiligen EmpfängerInnen ausgezahlt wird – eine Art der Überweisung, wie sie in Ländern mit einem defekten oder fehlenden Bankensystem derart üblich ist, dass selbst die schwedische Regierung über Al-Barakaat ihre Entwicklungshelfer in Somalia auszahlte.

Nach „Erkenntnissen“ der US-Geheimdienste sollen aber auch Osama bin Laden und die Al Qaida die Dienste von Al-Barakaat genutzt haben, so dass der Verein auf die OFAC-Sanktionsliste („Office of Foreign Assets Control“) des US-Finanzministeriums und infolgedessen auch auf die UN-Terrorliste gesetzt wurde, die von der EU automatisch übernommen wird. Dies hatte zur Folge, dass neben noch nicht überwiesenen Gel­dern von KundInnen in Höhe von 150.000 Euro auch die Vermögen und Einkünfte der drei Mitarbeiter Abdirisak Aden, Abdulaziz Ali und Ahmed Yusuf eingefroren wurden. Weder durften sie eine Arbeit annehmen, noch wurde ihnen in den ersten Monaten ihrer Ächtung die Sozialhilfe ausbezahlt. Beides fällt gemäß der entsprechenden EG-Ver­ordnung unter Terrorfinanzierung. Auch die Unterstützung der Betroffenen und ihrer Angehörigen durch ein spontan gegründetes Solidaritätskomitee war demnach illegal, wurde aber durch die Behörden geduldet.

Auf die diplomatische Anfrage Schwedens nach einer Begründung verwiesen die USA lediglich auf die Tätigkeit der drei für Al-Barakaat. Die schriftlichen „Beweise“, die die amerikanischen Dienste im Dezember 2001 übergaben, waren laut der schwedischen Geheimpolizei SÄPO „unzureichend auch nur ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen“. Im April 2002, nach wiederholter Intervention der schwedischen Regierung, stellten die USA den Betroffenen schließlich einen 67 Punkte umfassenden Fragebogen zu. Gefordert wurden darin Auskünfte zur politischen Gesinnung, zu Bekanntschaften, Reisen, familiärem Hintergrund und zur finanziellen Situation. Die Somali-Schweden mussten ferner detailliert schildern, mit welchen Organisationen sie in der Vergangenheit Kontakt hatten, und versichern, dass sie mit bestimmten, darunter Al-Barakaat, nie wieder Kontakt haben würden. Aufgrund der Antworten von Aden und Ali veranlasste die US-Regierung ohne Angabe von Gründen ihre Streichung. Yusuf, der nach anfänglichem Zögern den Bogen erst einige Monate später beantwortete, verblieb auf der Liste – mit allen Konsequenzen. Seine Klagen vor dem EuGI und dem EuGH wurden am 21.9. und 1.12.2005 abgewiesen.[12] Obwohl das FBI schon im August 2004 in einem Dokument für die 11.-September-Kommission[13] erklärte, keine Indizien für eine Terrorfinanzierung via Al-Barakaat zu haben, wurden die Sanktionen gegen Yusuf erst am 24. August 2006 aufgehoben.

Die Terrorlisten haben aber auch straf- und ausländerrechtliche Folgen. So verurteilte das Stockholmer Oberlandesgericht am 12. Mai 2005 den 29-jährigen Imam Ali Berzengi und den 26-jährigen Besitzer eines Falafelstandes Ferman Abdulla zu fünf und viereinhalb Jahren Haft wegen Terrorfinanzierung. Sie hatten 148.000 Euro an Spenden für „Ansar al-Islam“ gesammelt, eine Organisation, die ebenfalls auf der UN-Liste erfasst ist. Ein Beweis, dass das gespendete Geld für Terroranschläge verwendet wurde, konnte jedoch nicht erbracht werden. Zwei weitere Verdächtige mussten nach einem halben Jahr wegen Mangels an Beweisen freigelassen werden. Die beiden Verurteilten werden nach dem Absitzen ihrer Haftstrafe in den Irak abgeschoben.

Die wachsende Zahl von Ausweisungen dürfte zum Teil auch auf die Terrorlisten zurückzuführen sein. Im Jahr 2006 überprüfte die SÄPO 140 der insgesamt 25.000 Asylanträge. In 65 Fällen wurden die Gesuche wegen „Terrorverdachts“ abgelehnt. Auch wenn die Betroffenen selbst nicht erfasst sind, könnten ihre Kontakte zu Personen oder Organisationen auf den Listen den Ausschlag gegeben haben. So ist vielleicht eine monatliche Spende von 30 Euro an „Al-Aqsa Spanmål“ der Grund, warum dem seit zehn Jahren in Schweden lebendem Palästinenser Hassan Asad im Gegensatz zu seiner Frau und seinen Kindern die Staatsbürgerschaft verweigert wurde und ihm nun die Ausweisung droht. Es bleibt bei der Vermutung, denn die Gründe für seine Ausweisung sind mit Verweis auf die innere Sicherheit und die Beziehungen der SÄPO zu ausländischen Sicherheitsdiensten geheim.

(Jan Wörlein)

Schweiz

Gestützt auf seine Ausnahmekompetenzen zum Schutz der inneren Sicherheit nach Art. 185 der Bundesverfassung verabschiedete der Bundesrat (die Landesregierung) am 7. November 2001 die so genannte Al Qaida-Verordnung und setzte damit die UN-Sicherheitsratsresolution 1267 in schweizerisches Recht um – freiwillig, denn die Schweiz war zu diesem Zeitpunkt noch kein UNO-Mitglied. Den Entscheidungen des Sanktionskomitees folgend wird seither regelmäßig auch der Anhang der Verordnung, nämlich die entsprechende Liste von Personen und Organisationen, erneuert und im Bundesblatt publiziert. Seit dem UNO-Beitritt im September 2002 sei man hierzu „völkerrechtlich verpflichtet“, erklärt ein Sprecher des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), das für die Handhabung der Liste zuständig ist, auf unsere Anfrage.

Noch vor der Publikation würden die Änderungen der Liste den Compliance-Abteilungen (Rechtsabteilungen) sämtlicher Banken übermittelt. Diese hätten nach eventuellen Konten der betreffenden Personen und Organisationen zu suchen, deren Sperrung zu vollziehen und dem SECO weiterzumelden. Tun sie es nicht, müssten sie mit einem Strafverfahren rechnen. Blockiert werden aber nicht nur Bankkonten, sondern jegliche Vermögenswerte oder Einkünfte – selbst Altersrenten. Aktuell seien etwa 25 Millionen Franken auf rund 50 Konten eingefroren. Anfang 2002 waren es noch 42 Millionen Franken auf 69 Konten.[14] Laut SECO-Angaben seien Konten teilweise deblockiert worden, um den Betroffenen lebensnotwendige Ausgaben oder auch die Zahlung von Anwaltshonoraren zu ermöglichen. Vor dem UNO-Beitritt konnte das SECO diese Entscheidung aufgrund einer Härtefallregelung in der Verordnung selbst treffen. Heute müssen Ausnahmebewilligungen auf Antrag der Schweiz durch das Sanktionskomitee genehmigt werden. Auch ein Antrag auf „delisting“ braucht die Unterstützung der Regierung, die Betroffenen können ihn nicht selbst stellen.

Strafverfahren eingestellt – Listeneintrag bleibt

Der Eintrag in der Liste und die entsprechenden Sanktionen haben administrativ-politischen Charakter, der Ausgang eines Strafverfahrens hat darauf keinen Einfluss. Was das bedeutet, zeigt der Fall der inzwischen aufgelösten Nada Management Organization (früher: Al Taqwa) mit Sitz in Lugano. Die Firma war seit dem 7. November 2001 auf der UN-Liste bzw. im Anhang der schweizerischen Al Qaida-Verordnung erfasst ebenso wie die fünf Mitglieder des Verwaltungsrates: die beiden Geschäftsführer, Youssef Nada[15] und Ali Ghaleb Himmat, beide italienische Staats­bürger, der eine ägyptischer, der andere syrischer Herkunft, sowie die drei schweizerischen Mitglieder des Verwaltungsrats, die es aus formalen Gründen brauchte: der pensionierte Journalist Ahmed Huber sowie Mohamed Mansour, ein ehemaliger Professor der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, und seine Ehefrau Zeinab Mansour Fatouh. Die beiden letzteren wurden am 18. Januar 2006, nach mehr als vier Jahren, von der Liste gestrichen, nachdem die Schweiz ihren Antrag unterstützt hatte.

Gegen Nada und Himmat hatte die Bundesanwaltschaft bereits am 24. Oktober 2001 ein Ermittlungsverfahren wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation eröffnet, das am 7. Oktober mit einer spektakulären Durchsuchung am Firmensitz in Lugano sowie an Nadas Wohnort Campione d’Italia, einer italienischen Enklave in der Schweiz, große Publizität erhielt. Der Vorwurf: Nada habe die Anschläge vom 11. September 2001 mitfinanziert. Gelder seien über die Konten der Firma geflossen. Am Anfang des Verfahrens stand zwar offensichtlicher Druck aus den USA, die in der Folge allerdings nicht bereit und wohl auch nicht in der Lage waren, auf die schweizerischen Rechtshilfeersuchen zu antworten. Nach dreieinhalb Jahren ergebnisloser Ermittlungen zwang das Bun­desstrafgericht die Bundesanwaltschaft zur Einstellung.[16]

Dennoch gestand das Gericht Nada im Juni 2007 nur eine Entschädigung von 5.000 Franken zu.[17] Der eigentliche Schaden sei nicht durch das Verfahren der Bundesanwaltschaft, sondern durch die Erfassung in der UN-Terror-Liste entstanden, die auch nach der Einstellung des Strafverfahrens erhalten blieb. „Ich lebe mit und von meiner Familie“, erklärt der inzwischen 75-Jährige auf unsere Frage. Eigene Einkünfte darf er nicht haben. Er hat zwar einen Antrag auf Streichung von der Liste gestellt, aber um Ausnahmebewilligungen will er nicht ersuchen: „Ich bettele nicht darum, über mein eigenes Vermögen verfügen zu dürfen.“

Beeinträchtigt fühlt er sich vor allem durch die Reisebeschränkungen: „Campione ist eine Insel. Hier kommen die Leute nur hin, um im Casino zu spielen. Wenn man ins Krankenhaus oder zu einem Facharzt will, muss man entweder nach Lugano oder nach Italien.“ Der Weg aus der Enklave führt durch die Schweiz und in die darf Nada nicht einreisen. Zwar findet am Eingangstor von Campione d’Italia praktisch keine Grenzkontrolle statt, aber einfach davon schleichen will er sich nicht.

EU-Liste: nicht ohne Wirkung

Als Nicht-Mitgliedstaat ist die Schweiz nicht gezwungen, die EU-Liste umzusetzen. Forderungen aus den Reihen der bürgerlichen Parteien nach einem „autonomen Nachvollzug“ scheiterten bisher vor allem am Außenministerium (EDA): Die Schweiz bemüht sich um eine Vermittlungsrolle zwischen der kolumbianischen Regierung und den Guerilla-Organisationen FARC und ELN, sie war auch immer wieder Ort für Verhandlungen zwischen den Tamil Tigers (LTTE) und der Regierung von Sri Lanka. Sowohl die kolumbianischen Guerilla-Organisationen FARC und ELN als auch die LTTE stehen auf der EU-Liste.

Wirkungslos bleibt die Politik der EU jedoch nicht: Im Jahr 2006 erklärte das EDA, Visa für LTTE-VertreterInnen nunmehr restriktiver vergeben zu wollen, und die Staatsschutzabteilung (DAP) des Bundesamts für Polizei erwog die Verhängung von Einreisesperren. Sowohl die LTTE als auch die kurdische PKK und deren Nachfolgeorganisationen werden vom DAP seit Jahren als „gewalttätige Extremisten“ klassifiziert. In seinem Urteil vom 23. Januar 2007, in dem es die Auslieferung von Mehmet Esiyok, einem ehemaligen ZK-Mitglied der PKK, grundsätzlich bewilligte, verwies das Bundesgericht auf ein Gutachten, in dem der DAP auf das PKK-Verbot in Deutschland und auf die EU-Terror-Liste verwies. Gegen das Urteil ist ein Revisionsgesuch anhängig.[18]

(Heiner Busch)

[1] s. die Liste von Verfahren zum internationalen Terrorismus bei Waterkamp, S.; Eidam, M.: Terrorismusprävention und ihre Resultate, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 86 (1/2007), S. 25-33 (30 f.)
[2] Tagesspiegel v. 25.6.2007
[3] Bundesinnenministerium: Pressemitteilung v. 5.5.2002
[4] Hamburger Abendblatt v. 26.2.2007
[5] Peuser, A.: EU-Verordnungen zur Terrorismusbekämpfung in Unternehmen, in: Datenschutz und Datensicherheit 2006, H. 11, S. 680-684 (682)
[6] BKA, FIU: Jahresbericht 2006, Wiesbaden 2007; alle FIU-Jahresberichte seit 2002 unter www.bundeskriminalamt.de/profil/zentralstellen/geldwaesche/fiu_berichte.html
[7] VG Köln: Urteil v. 22.9.2005, Az.: 16 K 5591/03.A, in: Informationsbrief Ausländerrecht 2006, H. 2, S. 100-104 (104)
[8] http://security.homeoffice.gov.uk/legislation/current-legislation/terrorism-act-2000/ proscribed-terrorist-groups?version=1
[9] Terrorism (United Nations Measures) Order, i.d.F. v. 10.10. 2006, www.opsi.gov.uk/ SI/si2006/20062657.htm; www.bankofengland.co.uk/publications/financialsanctions/
regimes/terrorism.htm
[10] www.spy.org.uk/spyblog/2006/02/does_chancellor_gordon_brown_p.html
[11] Der Länderbericht stützt sich auf Recherchen und Materialien, die Reinhard Wolff zusammengetragen hat. Herzlichen Dank.
[12] Siehe S. 50 f. in diesem Heft.
[13] www.9-11commission.gov/staff_statements/911_terrfin_monograph.pdf
[14] Le Temps v. 24.1.2002
[15] s. www.youssefnada.ch mit seiner Darstellung des Falls
[16] s. Busch, H.: 200 Dollar und ein paar SMS, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 86 (1/2007), S. 71-77 (72) m.w.N.
[17] Tagesanzeiger v. 26.6.2007; Le Temps v. 27.6.2007
[18] Le Temps v. 30.6.2006 ; WOZ v. 9.8.2007 ; Antidot v. 15.6.2007