Schlagwort-Archive: Bundesinnenministerium

Eine Zensur findet doch statt: Das Verbot der Internetplattform linksunten.indymedia.org

von Angela Furmaniak und Kristin Pietrzyk

Im Kampf gegen eine politisch unliebsame Internetplattform ignoriert das Bundesministerium des Innern nicht nur die Presse- und Meinungsfreiheit, sondern einmal mehr auch das Gebot der Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten.

Seit 2009 existierte die Internetplattform „linksunten.indymedia.org“ als eigenständiges Independent Media Center (IMC) innerhalb des Indymedia-Netzwerkes. Zunächst als südwestdeutscher Ableger der Open-Posting-Plattform gedacht, entwickelte sich „linksunten“ – wie es genannt wurde – binnen weniger Jahre zu einer der wichtigsten Online-Nachrichten- und Diskussionsplattformen für linke Ideen in Deutschland. Weithin bekannt wurde die Webseite durch die Veröffentlichung interner Diskussionen der Deutschen Burschenschaft zum „Ariernachweis“ und die Leaks von internen AfD-Chatkommunikationen. Darüber hinaus fanden sich aber auch Aufrufe zu Demonstrationen, Veranstaltungsankündigungen, Positionspapiere linker Gruppen, aber auch Selbst­bezichtigungsschreiben zu Anschlägen und Anleitungen zum Bau von Brandsätzen. „linksunten“ wurde wegen dieses vielfältigen Angebots bald auch Quelle für Recherchen von bürgerlichen Journalist*innen und Datenbank für Antifa-Recherchen oder rechte Übergriffe auf Geflüchtete, deren Unterkünfte oder Andersdenkende. Eine Zensur findet doch statt: Das Verbot der Internetplattform linksunten.indymedia.org weiterlesen

Britische Polizei entschuldigt sich wegen Einsatz von Sexualität und Emotionen durch Spitzel – Deutsche Übersetzung

Acht Frauen aus Großbritannien haben die Metropolitan Police wegen des Einsatzes von Sexualität und des Eingehens tiefgehender, emotionaler Beziehungen im Rahmen verdeckter Ermittlungen verklagt. Die Beziehungen dauerten mitunter bis zu neun Jahren. In einem Fall hinterließ der Spitzel nach seinem Untertauchen einen Sohn, für den von der britischen Polizei kein Unterhalt gezahlt wurde. Zuvor hatte der gleiche Polizist sexuelle Beziehungen mit drei anderen Aktivistinnen. Ein anderer verdeckter Ermittler zeugte zwei Kinder mit einer Ziel- oder Kontaktperson.

Die Betroffenen werten die Praxis als emotionalen und sexuellen Missbrauch. Kritisiert wurde der „institutionalisierte Sexismus“ der Polizei, der solche Rechtsbrüche überhaupt erst möglich macht. Das vor vier Jahren begonnene Zivilverfahren orientierte sich unter anderem an Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Eindringen in die Privatsphäre regelt. Britische Polizei entschuldigt sich wegen Einsatz von Sexualität und Emotionen durch Spitzel – Deutsche Übersetzung weiterlesen

Gewalt gegen die Polizei – Wenig Klarheit zum Berufsrisiko von PolizistInnen

von Norbert Pütter und Randalf Neubert

Alle sind sich einig: Die Angriffe auf PolizistInnen hätten zugenommen, der Polizeiberuf sei gefährlicher geworden, der Respekt vor den VertreterInnen der Staatsgewalt schwinde rapide. Denn durch den Angriff auf seine RepräsentantInnen werde der Staat insgesamt angegriffen. Angesichts dieses Konsenses verwundert, dass gesicherte Erkenntnisse über die Gefahren des Polizeiberufs weiterhin nur spärlich vorhanden sind.

2009 führten die anhaltenden Berichte über vermehrte Gewalt gegen die Polizei und die massive Öffentlichkeitsarbeit der Polizeigewerkschaften zu einem Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK), das Berufsrisiko von PolizistInnen erneut wissenschaftlich untersuchen zu lassen. Die letzte einschlägige Studie hatte die IMK 2000 in Auftrag gegeben, nachdem im selben Jahr acht Polizisten von Straftätern getötet worden waren – so viel wie in den 25 Jahren zuvor nicht mehr. Gewalt gegen die Polizei – Wenig Klarheit zum Berufsrisiko von PolizistInnen weiterlesen

Verlängertes Gewaltmonopol? Der kommerzielle Teil der „neuen Sicherheitsarchitektur“

von Volker Eick

Aus U- und Fernbahnhöfen scheinen sie nicht mehr wegzudenken, in Innenstädten und Wohnquartieren gewinnen sie an Bedeutung, in Ordnungspartnerschaften mit der Polizei sind sie eingebunden, die Skandale bei Lidl und der Deutschen Telekom AG verdeutlichen ihre Rolle auch innerhalb von Unternehmen: die privaten Wach- und Sicherheitsdienste.

Mit rund 3.340 Unternehmen, 177.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und einem Umsatz von 4,35 Milliarden Euro stellt das kommerzielle Sicherheitsgewerbe einen relevanten Wirtschaftsfaktor in Deutschland dar. Der Sicherheitsmarkt ist oligopolistisch organisiert: Die zehn größten Unternehmen halten einen Umsatzanteil von rund 50 Prozent; anders formuliert: Zwölf Prozent der bundesweit 3.300 gemeldeten Unternehmen teilen 81 Prozent des Umsatzes unter sich auf und beschäftigen zwei Drittel aller (registrierten) MitarbeiterInnen. Zu berücksichtigen sind Konzentrations- und Globalisierungstendenzen: So hat der Weltmarktführer der Branche, die Group4Securicor (420.000 Beschäftigte), seinen Sitz in London, der zweite der Branche, die Securitas AB (217.000), im schwedischen Stockholm – beide Unternehmen sind weltweit tätig, zusammen in mehr als hundert Ländern. Sie sind auch marktführend in Deutschland und Österreich, in der Schweiz gehören sie zu den großen Vier. Allein die sechs größten Unternehmen decken weltweit 20 Prozent Marktanteile ab, die Group4Securicor kontrolliert den afrikanischen Kontinent mit rund 82.000 Beschäftigten faktisch allein.[1] Mit wenigen Ausnahmen, etwa hoch spezialisierten Personenschutz- oder Sicherheitsanalyse-Diensten, handelt es sich um einen klassischen Niedriglohnsektor mit schlechtem Ausbildungsstand.[2] Unter diesen Vorzeichen gilt als sicher, dass die kommerzielle Sicherheitsindustrie weiter wachsen wird. Verlängertes Gewaltmonopol? Der kommerzielle Teil der „neuen Sicherheitsarchitektur“ weiterlesen

Leuchtende Zukunft – Nächste Runde beim Aufbau des EU-Staats

von Heiner Busch und Peer Stolle

Ende 2009 läuft das Haager Programm „zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht“ aus. Bis dahin sollen die Staats- und Regierungschefs der EU, der Europäische Rat, einen neuen Fünfjahresplan für die Innen- und Justizpolitik beschließen. Die Vorarbeiten dazu leistete die „Zukunftsgruppe“.

Vom ersten Fünfjahresplan für die Innen- und Justizpolitik der EU (2000-2004), den „Schlussfolgerungen“ von Tampere, erhielt die Öffentlichkeit erst am Morgen des 16. Oktobers 1999 Kenntnis, wenige Stunden bevor sie die Staats- und Regierungschefs verabschiedeten. Das darauf folgende Haager Programm (2005-2009) lag gerade mal vier Wochen vor, als es der Europäische Rat am 4. November 2004 ohne weitere Diskussion absegnete. Für die Erarbeitung des neuen Programms, so scheint es, haben sich die InnenpolitikerInnen der EU neue Manieren zugelegt: Von „Transparenz“ ist die Rede, von „offener“ Diskussion und „intensivem Austausch“, für die man sich ungewöhnlich viel Zeit nahm. Leuchtende Zukunft – Nächste Runde beim Aufbau des EU-Staats weiterlesen

Unsere Visitenkarte – Die deutsche und europäische Visapolitik

von Mark Holzberger

Im Zuge des so genannten Visa-Untersuchungsausschusses wurde zwar die Praxis der Visumvergabe, nicht jedoch das deutsche Visumsrecht verschärft. Kein Wunder, denn die Musik spielt auch hier vor allem in Brüssel.

Im Jahr 2007 haben die deutschen Auslandsvertretungen 1,95 Mio. Visumanträge bewilligt und 210.000 abgelehnt. Nur ein Bruchteil dieser Bewilligungen (136.000) – nämlich die für längerfristige Aufenthalte z.B. zum Familiennachzug oder zur Arbeitsaufnahme – richtete sich nach deutschem Recht. Dagegen erteilten die deutschen Konsulate über 1,8 Mio. so genannte Schengen-Visa mit einer Gültigkeit von drei Monaten, z.B. für Tourismus oder für Familienbesuche.[1] Ausschlaggebend hierfür ist das EU-Recht, genauer: das der EG, denn dieser Politikbereich ist durch Art. 62 Nr. 2 b EG-Vertrag „vergemeinschaftet“. Unsere Visitenkarte – Die deutsche und europäische Visapolitik weiterlesen

Länderberichte

BRD

In der für die Terrorliste der EU zuständigen Arbeitsgruppe des Rates wird die BRD nicht etwa durch einen Beamten des Bundeskriminalamtes oder des Bundesinnenministeriums, sondern durch einen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes vertreten. Das Referat des Außenministeriums, dem er angehört, soll die Aktivitäten der deutschen Behörden sowohl hinsichtlich der UN- als auch der EU-Liste koordinieren, dürfte praktisch jedoch vor allem die Funktion eines Transmissionsriemens haben.

„Wir gehen mit diesen Instrumenten sehr zurückhaltend um“, bemüht sich der Sprecher des Auswärtigen Amtes zu betonen. Auf die Frage, welche Personen und Organisationen aufgrund deutscher Initiative auf den Listen gelandet sind, will er jedoch keine Auskunft geben. Es kämen nur solche in Frage, die entweder schon verurteilt seien oder „kurz vor der Verurteilung stehen“. Länderberichte weiterlesen

Geheimdienstrechts-Ergänzungsgesetz – Terrrorismusbekämpfung als Universallegitimation

von Heiner Busch

Die Geheimdienste dürfen weiterhin Auskünfte von Banken, Fluggesellschaften und Telekommunikationsfirmen verlangen. Am 1. Dezember 2006 verlängerte und erweiterte der Bundestag die Befugnisse, die er den Diensten vor fünf Jahren eingeräumt hatte.

Das jetzt beschlossene „Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz“ (TBEG) ist der deutliche Beweis dafür, dass die Befristung von Sicherheitsgesetzen eine Farce ist. Ende Dezember 2001 hatte das damals von Otto Schily geführte Bundesinnenministerium (BMI) das „Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus“ über die parlamentarischen Hürden gepeitscht.[1] Als Zückerchen für den kleinen grünen Koalitionspartner hatte man die darin enthaltenen neuen Befugnisse der Geheimdienste auf fünf Jahre befristet. Vor Ablauf der Frist sollten sie „evaluiert“ werden. Geheimdienstrechts-Ergänzungsgesetz – Terrrorismusbekämpfung als Universallegitimation weiterlesen