Griffen 1983 Polizeibeamte in 24 Fällen mit tödlichem Ergebnis zur Schußwaffe, so zeigt unsere inoffizielle Zählung für das Jahr 1984 nur sechs Opfer polizeilichen Schußwaffeneinsatzes.
Sofern alle Fälle erfaßt worden sind, wäre dies seit 1974 die niedrigste Zahl an Opfern tödlichen Schußwaffeneinsatzes durch die Polizei (vgl. CILIP 16/983, S.72 ff.). Ob korrespondierend zum deutlichen Rückgang der Todesfälle auch insgesamt deutlich weniger auf Menschen geschossen wurde als in den Jahren zuvor, ist erst zu beurteilen, wenn die Polizeiführungsakademie respektive die Inneministerkonferenz die inoffizielle Statistik für das Jahr 1984 vorlegt. Bisher sind die Zahlen verweigert worden.
Erklärungen für diesen erheblichen Rückgang der Todesfälle im Jahre 1984 zu finden, fällt schwer. Zu widersprüchlich sind die denkbaren Einflußfaktoren.
Zum einen wäre zu hoffen, daß die auf den Negativrekord an Todesschüssen und einige untypisch deutliche erstinstanzliche Gerichtsurteile gegen polizeiliche Todesschützen an den Polizeibeamten nicht spurlos vorbeigegangen sind. Einige ausführliche Artikel in ministeriellen Polizeizeitschriften (Die Streife 1-2/1985, S. 12; BGS 5/1984, S. 6) sowie die Anordnung des NRW-Innenministers, durch technische Veränderungen an den Maschinenpistolen der Landespolizei die Umschaltung auf Dauerfeuer zu erschweren, zeigen an, daß in den Polizeiführungen Überlegungen zur Vermeidung spektakiilkrer Todesschüsse angestellt worden sind (vgl. Die Streife 9/1984, S. 9). Andererseits sieht die Innenininisterkonferenz keinen Anlaß, aus dem Negativrekord des Jahres 1983 Konsequenzen zu ziehen. So erklärte 1984 der stellvertretende Vorsitzende der IMK, Schleswig-Holsteins Innenminister Claussen, daß die Statistik über den Schußwaffengebrauch für die Jahre 1982 und 1983 belege, „daß die Schußwaffe von den Polizeibeamten der Bundesrepublik Deutschland keinesfalls leichtfertig, sondern mit größter Umsicht und Zurückhaltung benutzt wird“ (Polizei-Verkehr-Technik 11/1984, S. 417). Im selben, naßforschen, selbstgerechten Ton heißt es in einer Erklärung der IMK vom 26. Apr il 1985, daß „bei der Anwendung von Schußwaffen gegen Personen Polizeibeamte außergewöhnliche Zurückhaltung“ zeigen würden und keinerlei „Rückschlüsse auf allgenieine Unzulänglichkeiten bei den gesetzlichen Grundlagen, der Ausbildung und der Ausrüstung der Polizei gezogen werden können“ (vgl. Kasten). Angesichts dieser Haltung der politischen Führung der bundesdeutschen Polizei ist kaum damit zu rechnen, daß dem Schußwaffeneinsatz gegen Demonstranten, von dem für das Jahr 1984 zumindest zwei Fälle bekannt geworden sind (Warnschüsse bei Blockaden in Nordenham am 26.6.1984 und in Hanau am 25.9.1984), ein Riegel vorgeschoben wird.
Unverändert „töricht“ – so ein Kommentar im GdP-Organ „Deutsche Polizei“ (6/1984, S. 8) ist auch die Nicht-Veröffentlichungspraxis der IMK in bezug auf die Statistik polizeilichen Schußwaffengebrauchs. Bis heute ist die Jahresstatistik 1984 allen nachfragenden Journalisten verweigert worden, und zu erwarten ist eine Statistik, die weniger Informationen enthält als die seit 1974 von der Polizeiführungsakademie geführte. Im IMK-Beschluß vom 13. Juni 1984 heißt es: „Die Polizei-Führungsakademie wird gebeten, aufgrund der Meldungen der Länder und des Bundes eine Jahresgesamtstatistik (nicht gegliedert) zu erstellen. Der Vorsitzende der IMK wird ermächtigt, erforderlichenfalls die Jahresgesamtstatistik zu veröffentlichen.“ (Die Streife, 7-8/1984, S. 11).