Änderungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz – PostStruktG) – Bundestags-Drucksache (11/2854)

Stand: 6.3.1989

hier: Maßnahmen nach 100a, 100b der Strafprozeßordnung sowie nach dem Gesetz zu Artikel 10 des Grundgesetzes
– Ergänzung des Artikels 4 des o.a. Gesetzentwurfs

Artikel 4 des Entwurfs eines Poststrukturgesetzes wird um folgende Absätze 15, 16, 17 und 18 ergänzt:

Absatz 15:
„(15) Das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13. August 1968 (BGBl. I S. 949), geändert durch Gesetz vom 13. September 1978 (BGBl. I S.1546), wird wie folgt geändert:

1. Artikel 1 1 wird wie folgt gefaßt:

„(1) Zur Abwehr von drohenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes einschließlich der Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages oder der im Land Berlin anwesenden Truppen einer der Drei Mächte sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Amt für den militärischen Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst berechtigt, dem Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis unterliegende Sendungen zu öffnen und einzusehen, sowie den Fernmeldeverkehr zu überwachen und aufzuzeichnen.

(2) Die Deutsche Bundespost hat der berechtigten Stelle auf Anordnung Auskunft über den Postverkehr zu erteilen und Sendungen, die ihr zur Übermittlung auf dem Postweg anvertraut sind, auszuhändigen. Die Deutsche Bundespost und jeder andere Betreiber von Fernmeldeanlagen, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, haben der berechtigten Stelle auf Anordnung Auskunft über den nach Wirksamwerden der Anordnung durchgeführten Fernmeldeverkehr zu erteilen, Sendungen, die ihnen zur Übermittlung auf dem Fernmeldeweg anvertraut sind, auszuhändigen sowie die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs zu ermöglichen. Sie haben für die Durchführung der vorstehend genannten Anordnung das erforderliche Personal bereitzuhalten, das gemäß 3 Abs.2 Nr.1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes über-prüft und zum Zugang zu Verschlußsachen des jeweiligen Geheimhaltungsgrades ermächtigt ist.

2. Artikel 1 4 Abs.2 Nr.1 Buchstabe c wird wie folgt gefaßt:
„c) bei Handlungen gegen die Bundeswehr das Amt für den militärischen Abschirmdienst durch seinen Leiter oder dessen Stellvertreter“

3. Artikel 1 5 Abs.2 Satz 1 wird wie folgt gefaßt:
„Die Anordnung ergeht schriftlich; sie ist dem Antragsteller und der Deutschen Bundespost oder dem anderen Betreiber von Fernmeldeanlagen, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, mitzuteilen.“

4. Artikel 1 7 Abs.2 Satz 3 wird wie folgt gefaßt:
„Die Beendigung ist der Stelle, die die Anordnung getroffen hat, und der Deutschen Bundespost oder dem anderen Betreiber von Fernmeldeanlagen, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, mitzuteilen“.

5. In Artikel 3 werden folgende Vorschriften eingefügt:
“ 10
(1) Wird der Fernmeldeverkehr nach Artikel 1 dieses Gesetz oder nach den 100a, 100b der Strafprozeßordnung überwacht, so darf diese Tatsache von Personen, die eine für den öffentlichen Verkehr bestimmte, nicht von der Deutschen Bundespost betriebene Fernmeldeanlage betreiben, beaufsichtigen, bedienen oder bei ihrem Betrieb tätig sind, anderen nicht mitgeteilt werden.

(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 die Tatsache der Überwachung des Fernmeldeverkehrs einem anderen mitteilt.“

11
(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Betreiber einer für den öffentlichen Verkehr bestimmten, nicht von der Deutschen Bundespost betriebenen Fernmeldeanlage entgegen
1. Artikel 1 1 Abs.2 Satz 2 eine Auskunft nicht erteilt, Sendungen nicht aushändigt oder das Überwachen des Fernmeldeverkehrs nicht ermöglicht oder
2. Artikel 1 1 Abs.2 Satz 3 das erforderliche Überprüfte und zum Zugang zu Verschlußsachen des jeweiligen Geheimhaltungsgrades ermächtigte Personal nicht bereithält.

(2) Die Ordnungwidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis 30.000 DM geahndet werden.“

6. Artikel 3 10 bis 13 (alt) werden 12 bis 15 (neu).

7. Artikel 3 13 neu wird wie folgt gefaßt:

“ 13
Die nach diesem Gesetz berechtigten Stellen haben die Leistungen der Deutschen Bundespost oder anderer Betreiber von Fernmeldeanlagen, die für die öffentlichen Verkehr bestimmt sind, abzugelten.“

Absatz 16:
(16) Die Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1974), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 17. Mai 1988 (BGBl. I S. 606), wird wie folgt geändert:

1. In 100 a Satz 1 werden die Worte „Aufnahme des Fernmeldeverkehrs“ ersetzt.

2. 100 b wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 1 Satz 1 werden die Worte „Aufnahme des Fernmeldeverkehrs auf Tonträger“ durch die Worte „Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs“ ersetzt.

b) Absatz 3 wird wie folgt gefaßt:
„(3) Aufgrund der Anordnung haben die Deutsche Bundespost und jeder andere Betreiber von Fernmeldeanlagen, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, dem Richter, der Staatsanwaltschaft und ihren im Postdienst tätigen Hilfsbeamten ( 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs zu ermöglichen. 95 Abs. 2 gilt entsprechend.“

c) Absatz 4 Satz 2 wird wie folgt geändert:
„Die Beendigung ist dem Richter und der Deutschen Bundespost oder dem anderen Betreiber von Fernmeldeanlagen, die für den öffentlichen Verkehr bestimmt sind, mitzuteilen.“

Absatz 17:
(17) Nach 17 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 1969 (BGBl. I S. 1756), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 9. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2326), wird folgender 17a eingefügt:

“ 17a
Herausgabe von Gegenständen, Überwachung des Fernmeldeverkehrs, Auskunftsersuchen
(1) Für Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde Gegenstände herausgeben ( 95 Abs.1 der Strafprozeßordnung) oder die Pflicht zur Herausgabe entsprechend einer Anheimgabe der Strafverfolgungsbehörde abwenden, Auskunft erteilen oder die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs ermöglichen ( 100b Abs.3 der Strafprozeßordnung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes sinngemäß. Artikel 3 13 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses findet keine Anwendung.

(2) Die Dritten werden wie Zeugen entschädigt.

(3) Bedient sich der Dritte eines Arbeitnehmers oder einer anderen Person, so werden ihm die Aufwendungen dafür ( 11) im Rahmen des 2 Abs.2 und 5 ersetzt.

(4) Für die Benutzung von Festverbindungen bei der Überwachung des Fernmeldeverkehrs sind auch die in den allgemeinen Tarifen dafür vorgesehenen Entgelte zu ersetzen.“

Absatz 18:
(18) Absatz 15 gilt nicht im Land Berlin.

Begründung:
– Ergänzung des Artikels 4 (Änderung und Aufhebung von sonstigen Gesetzen –

I. Allgemeiner Teil

Das Poststrukturgesetz läßt bei den Fernmeldediensten grundsätzlich – mit Ausnahme des Telefondienstes – den Wettbewerb zwischen der Deutschen Bundespost und privaten Anbietern zu. Davon betroffen sind u.a. folgende Bereiche:

Satellitenfunkanlagen
Private erhalten einen Rechtsanspruch auf das Betreiben von Satelliten-funkanlagen mit niedrigen Bit-Raten bei Erfüllung bestimmter funktechnischer Voraussetzungen. Die Bit-Raten sollen so bemessen sein, daß Sprachübermittlung nicht möglich ist. Es ist davon auszugehen, daß der Satellitenfunk auch zur Übermittlung von Nachrichten innerhalb des Bundesgebietes in Zukunft in steigendem Maße genutzt wird.

Autotelefon
Im geplanten europaeinheitlichen Mobilfunknetz D wird neben der Deutschen Bundespost ein weiterer, privater Anbieter zugelassen. Das dann europaeinheitliche, nicht mehr national begrenzte D-Netz wird nach den bisherigen Schätzungen bis Ende der 90er Jahre europaweit über mindestens 10 Millionen Teilnehmer verfügen.

Mobile Funkrufdienste
Mobile Funkrufdienste, auch der Stadtfunkrufdienst (sog. City-call), eignen sich generell zur konspirativen Kommunikation von Personen, die Straftaten nach 2 Abs.1 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses planen, begehen oder begangen haben.

Die Änderungen sollen Lücken schließen, die im Anwendungsbereich des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses vom 13. August 1968 und der 100a, 100b StPO entstehen, wenn – wie im Gesetzentwurf vorgesehen – Private Telekommunikationsleistungen für andere über von der Deutschen Bundespost TELEKOM bereitgestellten Verbindungen erbringen oder ein privates Fernmeldenetz (Mobilfunknetz) betreiben. Verfolgter Zweck ist die Sicherstellung der Durchführung und Geheimhaltung von Überwachungsmaßnahmen nach dem Gesetz zu Art.10 GG und nach 100a, 100b StPO auch in diesen Fällen. Von dem bisherigen Wortlaut der Vorschriften werden private Anbieter von Telefommunikationsdienstleistungen nicht erfaßt. Aus sicherheitspo-litischer und strafverfahrensrechtlicher Sicht bedarf es der Änderung, da sonst die große Gefahr besteht, daß Nischen entstehen, in die z.B. die organisierte Kriminalität und der internationale Terrorismus ausweichen können. Nach den Erfahrungen der Sicherheitsbehörden würden potentiell Betroffene die sonst fehlenden Überwachungsmöglichkeiten erkennen und verstärkt nutzen.