Verwunderlich ist es sicher nicht, daß „Bürgerrechte & Polizei“ (CILIP) von Beschäftigten der Verfassungsschutzämter gelesen und ausgewertet wird – schließlich verstehen auch wir unsere Arbeit als Beitrag zum Verfassungsschutz, zum Schutz verfassungsrechtlich garantierter Grundrechte und politischer Freiräume. Die Lese-Perspektive der beamteten Verfassungsschützer scheint jedoch – wie sich unlängst zeigte – eine andere zu sein.
Unterwandert
Im Zuge der Aufklärung der Journalistenüberwachung durch das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz wurde im Februar d.J. bekannt, daß wir als Teil der verdächtigten Szenepresse erfaßt und drei Herausgeber als Produzenten von des Linksextremismus verdächtigem Schriftgut mit Bruchstücken ihrer politischen Vita abgespeichert sind.
Unlängst hat nun die Bundesregierung offiziell – in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Schilling zur „Kontrolle von Zeitungs-Redaktionen …“ eröffnet, daß über Bürgerrechte & Polizei (CILIP) „Informationen in Akten gesammelt wurden“, da „sich Mitglieder und Anhänger linksextremistischer Organisationen“ an dieser Zeitschrift beteiligt hätten (Siehe Kasten).
Nur was hilft es uns, in dieser Form vor unserer Unterwanderung gewarnt zu werden, wenn nicht zugleich „Roß und Reiter“ benannt sind? So haben wir uns selbst um Aufklärung bemüht!
Die Erkenntnisse
Seit Jahren tarnt sich der Herausgeberkreis durch diverse Mitgliedschaften:
– in der Humanistischen Union,
– im Komitee für Grundrechte und Demokratie,
– in der AL
– und von besonderer Perfidität, auch durch die Mitgliedschaft in der SPD.
An der Aufdeckung sonstiger extremistisch-klandestiner Geheimverbindungen der FreundInnen im Herausgeberkreis brennend interessiert, werden wir wohl versuchen müssen, gerichtlich die Grundlage der Äußerungen der Bundesregierung in Erfahrung zu bringen.
Unsere eigenen Recherchen über die Vergangenheit des Herausgeberkreises haben ergeben, daß wir in der Summe recht repräsentativ sind für den politischen Werdegang unserer Generation:
Kaum ein Lernschritt wurde ausgelassen, so manche politische Enttäuschung war zu verarbeiten, es gab keinen politischen Fehler unserer Generation, der sich nicht auch im CILIP-Kreis wiederfinden ließe – von der zeitweiligen KPD-ML-Zugehörigkeit bis zum SPD-Parteibuch.
Redaktionsmitglieder haben zudem eingestanden, da einst an einer sozialistischen Assistentenzelle am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin „mitgliedschaftlich beteiligt“ gewesen zu sein, um sich dann später dem Sozialistischen Büro anzuschließen; es wurde zugegeben, in Berlin 1979 „Bürger beobachten die Polizei“ mitgegründet zu haben und an der Organisation des „Russell-Tribunals“ beteiligt gewesen zu sein; zu Hochzeiten von Haus-besetzungen in Berlin Anfang der 80er Jahre übernahmen CILIP-HerausgeberInnen „Patenschaften“ für besetzte Häuser und seit mehr als einem Jahrzehnt haben einzelne CILIP-HerausgeberInnen immer wieder Stellung gegen die Haftbedingungen der RAF-Häftlinge bezogen.
Nur: wer uns aber derzeit extremistisch unterwandert – darüber haben unsere Erkenntnisse uns keinen Einblick verschafft.
Die zirkuläre Verdachtsgenerierung
Oder handelt es sich bei der Erklärung der Bundesregierung doch nur um das in der „Verfassungsschutz“-Branche übliche zirkuläre Verfahren der Verdachtsgenerierung?
Da Bürgerrechte & Polizei verdächtig erschien, wurden die daran beteiligten Personen überprüft. Da ein Teil der MitherausgeberInnen bereits „amtsbekannt“ war, wurden ihre Dossiers umsortiert und fortan unter der Kategorie „linksextremistische Presse“ (später „Szenepresse“) neu verkartet. Die Mitarbeit am verdächtigen Objekt wiederum bestätigte die Notwendigkeit, diese HerausgeberInnen weiterhin in Augenschein – und in Akten – zu behalten.
Damit zu leben, fällt heute leichter als noch vor 10 oder 5 Jahren. Die „Ämter“ haben sich mit ihrer maßstabslosen Sammel- und De-nunziationsleidenschaft inzwischen selbst in einem Maße politisch demontiert, daß solcherart Verrufserklärungen schlechtestenfalls noch in CDU/CSU-Ländern und in der Rechtspresse verfangen. Dafür gilt ihnen unser Dank.
Was uns heute bewegt
Wie trösten wir jenes Redaktionsmitglied, das betrübt und selbstzweiflerisch ob seines bisherigen politischen Engagements zur Kennntis nehmen mußte, daß zumindest das Berliner Landesamt für Verfassungschutz nichts (mehr?) über ihn gespeichert hat?