Archiv der Kategorie: CILIP 033

(2/1989) VfS-Skandale Berlin; Todesschüsse 1988; REPs und Polizei; Schengen-Abkommen

Der „Genetische Fingerabdruck“ – Verfahrensstand und rechtspolitische Diskussion

von Bernhard Gill *

Insbesondere durch den Bericht der Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ wurde hierzulande ein Verfahren bekannt (1), das Mitte der 80er Jahre in den USA und England unter dem Namen „Genetic Fingerprinting“ eingeführt worden war. Der amerikanische Sprachgebrauch markiert dabei recht genau den vornehmlichen Zweck des Verfahrens, die Identifzierung von Personen durch die Strafverfolgungsbehörden. Erstmals in der bundesdeutschen Kriminalgeschichte wurde im August 1988 in Berlin ein „Genetischer Fingerabdruck“ als Beweismittel akzeptiert und darauf gestützt ein Haftbefehl erlassen. Inzwischen haben weitere Gerichte dieses Verfahren akzeptiert. Der „Genetische Fingerabdruck“ – Verfahrensstand und rechtspolitische Diskussion weiterlesen

Sicherheitsverluste durch Aufhebung der EG-Binnengrenzkontrollen?

„Das organisierte Verbrechen wird vom Abbau der Grenzkontrollen profitieren“, so erklärte unlängst BKA-Präsident Boge (Handelsblatt, 19.5.89). Ähnliche Anmerkungen finden sich zuhauf. Das Europa des einheitlichen Binnenmarktes werde zum Mekka der Kriminellen, wenn nicht etwas dagegen getan werde. „Keine Freie Fahrt für Straftäter“, so lautet die Parole, die Ex-Innenminister Zimmermann (BGS 9/1988) ausgab und die ihm offenbar die Journalisten aus der Hand fressen.

Stimmt das aber? Ist damit zu rechnen, daß die organisierte Kriminalität wächst und sich ausbreitet, wenn die Grenzen in Westeuropa fal-len? Sind also die Maßnahmen, die in den Arbeitsgruppen der Schengen-Staaten (BRD, Frankreich, Benelux) und in der TREVI-Gruppe (Gesamt-EG) diskutiert werden, tatsächlich Ausgleichsmaßnahmen? Sicherheitsverluste durch Aufhebung der EG-Binnengrenzkontrollen? weiterlesen

Berliner Geheimdienstskandale – Nichts mehr so wie vorher

von Albrecht Funk und Wolfgang Wieland

Der Berliner Wahlkampf, dessen sensationeller Ausgang am 29. Januar 1989 alle überraschte, war von seltener Langeweile und Einfallslosigkeit. Er hatte eigentlich nur ein Thema: den Verfassungsschutz-skandal. Sechs Wochen vor der Wahl, in einer im Regelfall parlamentsfreien Zeit, war noch ein Untersuchungsausschuß eingesetzt worden, der innerhalb eines Monat ein Mammutprogramm bewältigen sollte: die Klärung der Telschow-Pätzold-Affäre sowie der Bespitzelung von Presseorganen, von Politikern und von Rechtsanwälten. Schließlich sollten auch noch die Verstrickung des VfS in den Mordfall Schmücker untersucht werden. Zu den ersten Ergebnissen und zum weiteren Verfahren in Sachen Landesamt für VfS Berlin nach dem Regierungswechsel der folgende Beitrag. Berliner Geheimdienstskandale – Nichts mehr so wie vorher weiterlesen

Todesschüsse: Gnade vor Recht gegenüber Polizeibeamten?

von Harald Freytag

Von Zeit zu Zeit wird die These vertreten, Straftaten von Polizeibeamten würden mit einem viel milderen Maßstab gemessen als die anderer Bürger. Kaum ein Polizist werde für seine Verfehlungen – insbesondere, wenn sie in Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten begangen werden – zur Rechenschaft gezogen. Wenn überhaupt Ermittlungen aufgenommen würden, so würden sie meist bald wieder eingestellt. Komme es einmal zu einem Urteil, so sei dem Täter in Uniform Milde sicher. 1) Exemplarisch zeigt sich dies an einem Fall tödlichen polizeilichen Schußwaffeneinsatzes vom Januar 1988, dessen justitielle Erledigung dieser Beitrag analysiert. Todesschüsse: Gnade vor Recht gegenüber Polizeibeamten? weiterlesen

Verdachtsobjekt CILIP

Verwunderlich ist es sicher nicht, daß „Bürgerrechte & Polizei“ (CILIP) von Beschäftigten der Verfassungsschutzämter gelesen und ausgewertet wird – schließlich verstehen auch wir unsere Arbeit als Beitrag zum Verfassungsschutz, zum Schutz verfassungsrechtlich garantierter Grundrechte und politischer Freiräume. Die Lese-Perspektive der beamteten Verfassungsschützer scheint jedoch – wie sich unlängst zeigte – eine andere zu sein. Verdachtsobjekt CILIP weiterlesen

Ein Nachtrag: „Die größte Datenaktion der Berliner Polizei“

von Lena Schraut*

Vor und während der IWF-Tagung 1988 im herbstlichen Berlin nutzte die Polizei vor allem das Mittel der verdachtsunabhängigen Personenkontrollen, um Informationen zu gewinnen. Als Rechtsgrundlage dienten zum einen das Berliner Polizeirecht (ASOG) und die Straßenverkehrsordnung, zum anderen der Kontrollstellenparagraph 111 StPO. Wir berichteten darüber in CILIP 31 (S.99 ff.). Inzwischen gibt es einige Details mehr zum Umfang der Kontrollen nach 111 StPO und eine, dem Generalbundesanwalt geltende Rüge des Bundesgerichtshofes. Ein Nachtrag: „Die größte Datenaktion der Berliner Polizei“ weiterlesen

Chronologie der Ereignisse

April 89
18.4. Bei der Untersuchung eines Radios ereignet sich im BKA Wiesbaden eine Explosion, bei der ein Beamter getötet, ein anderer schwer verletzt wird. Das Gerät war im Rahmen der Ermittlungen gg. paläst. Terroristen sichergestellt worden.
25.4. Nach einem Polizeieinsatz in der Hafenstraße kommt es zu militanten Auseinandersetzungen. Der Pachtvertrag mit den Bewohnern der Hafenstraße wird fristlos gekündigt.
26.4. Vier zu lebenslanger Haft verurteilte Mitglieder der Action Directe treten mit der Forderung nach Zusammenlegung in den Hungerstreik.
27.4. Die Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts wird von CDU und FDP im hessischen Landtag abgelehnt.
27.4. Bremen beschließt die Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts. Chronologie der Ereignisse weiterlesen

Mai-Randale 89 in Berlin-Kreuzberg – Obristenrevolte gegen „Rot-Grün“

von Otto Diederichs*/ Till Meyer**

Der Einsatz am 1. Mai d.J. hat Berlins Polizei wieder einmal weit über die Stadtgrenzen hinaus ins Gerede gebracht. Die Gründe dafür sind ebenso vielfältig wie die „Pannen“, die diesen Einsatz zu einem polizeilichen Desaster mit rund 320 „verletzten“ Beamten machten. Häme über einen dilettantischen Einsatz ist jedoch ebenso unangebracht wie Genugtuung über die erste Bauchlandung des neuen rot-grünen Senats oder gar der Ruf nach mehr Härte. Alles trifft in diesem Falle nicht, denn bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Ganze – so die These des folgenden Beitrages – als durchaus nicht ungeschickt eingefädeltes Komplott der Berliner Polizeiführung. Mai-Randale 89 in Berlin-Kreuzberg – Obristenrevolte gegen „Rot-Grün“ weiterlesen

Berndt Georg Thamm: Drogenfreigabe – Kapitulation oder Ausweg. Pro und Contra zur Liberalisierung von Rauschgiften als Maßnahme zur Kriminalitätsprophylaxe, Verlag Deutsche Polizeiliteratur, Hilden 1989

Während die Bundesregierung nach wie vor an ihrer starren Prohibitionspolitik gegenüber Drogen festhält, ist es interessanterweise die Gewerkschaft der Polizei, die in einem Fachseminar das Thema kritisch aufgegriffen hat und deren Verlag „Deutsche Polizeiliteratur“ eines der gegenwärtig wohl provozierendsten Bücher zu dieser Frage auf den Markt gebracht hat.

Thamms Plädoyer für eine Drogenfreigabe beginnt mit einem Kapitel über die „Geschichte der Drogenkontrollen“, in dem er der aktuellen Diskussion den Spiegel früherer gescheiterter Prohibitionsversuche in Bezug auf andere Drogen, darunter auch Alkohol, Tabak und Kaffee, vorhält. Berndt Georg Thamm: Drogenfreigabe – Kapitulation oder Ausweg. Pro und Contra zur Liberalisierung von Rauschgiften als Maßnahme zur Kriminalitätsprophylaxe, Verlag Deutsche Polizeiliteratur, Hilden 1989 weiterlesen

§129a – Anmerkungen zum „PKK“-Verfahren

von Katharina Kümpel *

Wahrscheinlich Ende des Jahres beginnt beim OLG Düsseldorf das bisher größte 129a-Verfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Anklage wirft 20 KurdInnen vor, mitgliedschaftlich bzw. unterstützerisch an Straftaten „terroristischer Teilvereinigungen“ beteiligt gewesen zu sein. Erstmalig wird hier der 129a StGB auf eine nationale Befreiungsbewegung angewandt.

1. Die Anklage

Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft den KurdInnen in ihrer Anklage vom 20.10.88 vor, als Mitglieder bzw. Unterstützer Straftaten der „Teilvereinigungen“ begangen zu haben. Laut Anklage handelt es sich dabei u.a. um ein „Europäisches Zentralkomitee“, einen „europäischen Arbeitsbereich Parteisicherheit, Kontrolle und Nachrichtendienst“ oder auch „Gruppen für spezielle Arbeiten“ und um „Parteiuntersuchungskommissionen“. Diese sollen sich innerhalb der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) und der Volksbefreiungsarmee Kurdistans (ARKG) gebildet haben und in der BRD selbständig tätig gewesen sein. Neben diesem zentralen Vorwurf werden gegen einzelne Beschuldigte noch Vorwürfe von seit 1983 angeblich im Zusammenhang mit der „terroristischen Vereinigung“ begangener sonstiger Delikte, von Urkundenfälschung bis hin zu drei angeblichen Morden, erhoben. §129a – Anmerkungen zum „PKK“-Verfahren weiterlesen