Chronologie

November 1989

30.11., Bad Homburg: Alfred Herrhausen, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, wird von der RAF auf seinem Weg zur Arbeit mit einem ferngesteuerten Sprengsatz getötet.

Dezember 1989

5.12., Karlsruhe: Nach einem Beschluß des BGH kann die Teilnahme an einem Hungerstreik im Einzelfall strafbar sein.(AZ: I BGs 351/89)
6.12., Berlin (West): Innensenator Pätzold (SPD) korrigiert die umstrittene Ausländeranweisung vom 20. Juli 1989 dahingehend, daß ausländische Straftäter, die zu einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt werden, nicht mehr eine dreijährige Duldung auf Bewährung und eine anschließende Aufent-haltsgenehmigung erhalten.
7.12., Kiel: Zwei mutmaßliche RAF-Angehörige werden in der Nähe von Husum im Zuge der Großfahndung nach den Mördern von A. Herrhausen festgenommen.
11.12., Hannover: 121 Hochschullehrer in Niedersachsen fordern die Abschaffung der Regelanfrage beim LfV bei Bewerbern für den öffentlichen Dienst. Die Landesregierung lehnt diese Forderung am 17.12. ab.
13.12., Bonn: Das Bundeskabinett verabschiedet das umstrittene Auslän-dergesetz.
Schleswig-Holstein: Nach Hinweisen aus der Bevölkerung entdecken die Sicher-heitsbehörden in Schleswig-Holstein ein Versteck der RAF.
Bonn: Die Bundesregierung will das Zusatzabkommen zum Schengener Vertrag von 1985 unterzeichnen und die DDR in die Vereinbarung miteinbeziehen. Die Ratifi-zierung scheitert schließlich an der Einbeziehung der DDR.
14.12., Wiesbaden: Mit den Stimmen der CDU/FDP-Koalition wird der erste Teil zum hessischen Polizeigesetz verabschiedet.
Karlsruhe: Der Tod des Demonstranten Günter Sare, der am 28.12.1985 in Frank-furt von einem Wasserwerfer erfaßt und getötet wurde, wird noch einmal vor dem LG Frankfurt aufgerollt. Der BGH spricht den Kommandanten und den Fahrer des Wasserwerfers vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. (AZ: 4 StR 567/89)
26.12., Hannover: Der niedersächsische Innenminister Stock (CDU) stellt die Disziplinarverfahren gegen hochrangige Beamte aus dem Innenministerium im Zu-sammenhang mit den Polizeiskandalen (Mauss, Spielbanken etc.) ein.

Januar 1990

8.1., Stuttgart: Die Datenschutzbeauftragte in Baden-Württemberg, Ruth Leutze, kritisiert in ihrem Datenschutzbericht gravierende Verstöße der öffentlichen Verwaltung und der Sicherheitsbehörden gegen den Datenschutz.
11.1., Essen: Ein Sondereinsatzkommando der Polizei beendet eine Geiselnahme in einer Anwaltskanzelei mit Waffengewalt. Der 36jährige Geiselnehmer wird so schwer verletzt, daß er wenig später im Krankenhaus stirbt. Die Geisel bleibt unverletzt.
15.1., Berlin (West): Nach einem Urteil des BVerwG war die Bundeswehr berech-tigt, anläßlich eines „Großen Zapfenstreichs“ in Lübeck 1986 den Rathausplatz zum militärischen Sicherheitsbereich zu erklären.(AZ: 7 C 88.88)
Berlin (West): Die Justizsenatorin Limbach (SPD) beauftragt General-staatsanwalt Treppe, die politischen Abteilungen der Staatsanwaltschaft sofort aufzulösen. Daraufhin erklärt Treppe seinen Rücktritt.
17.1., Bonn: Der Deutsche Anwaltsverein und die Strafverteidiger-vereinigungen lehnen das geplante Strafverfahrensänderungsgesetz ab. Sie befürchten eine Annexion des Strafverfahrens durch die Polizei.
Bonn: Bundesinnenministerium teilt mit, daß 1989 975 Drogentote in BRD gezählt wurden.
18.1., Düsseldorf: Der Sozialminister von NRW, H. Heinemann (SPD), will von allen Asylbewerbern Fingerabdrücke für fälschungssichere Erfassungen abnehmen.
Berlin (Ost): In Potsdam gründen Polizeibeamte die „Deutsche Volkspolizeige-werkschaft“.
24.1., Bonn: In einem vertraulichen Bericht des BfVS werden die Republikaner als verfassungsfeindliche Partei eingestuft.
27.1., Hamburg: Nach einer Meldung des Spiegel’s hört der offiziell aufgelöste Stasi weiterhin den Telephonverkehr politischer Institutionen in Bonn ab.
Bonn: Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD Bundestagsfraktion Jahn verläßt die Parlamentarische Kontrollkommission zur Überwachung der Geheim-dienste, weil dieses Gremium seine Kontrollfunktion nur sehr eingeschränkt wahrnehme.
29.1., Würzburg: Spezialeinheiten der Polizei stürmen einen gekaperten Linienbus. Die Beamten überrumpeln die Entführer und befreien die Geiseln. Es wird niemand verletzt.
Celle: Die drei in Celle inhaftierten RAF-Mitglieder K.H. Dellwo, K. Folkerts und L. Taufer solidarisieren sich in einer Hungerstreikaktion mit den hungerstreikenden Gefangenen in Spanien.
London: Scotland Yard errichtet ein Sonderdezernat für Hooligans.
Berlin: Ein Medizinstudent, der bei dem Kreuzberger Polizeieinsatz im Zusam-menhang mit dem Reagan-Besuch am 12.Juni 1987 Verletzungen durch die Polizei erlitten hatte, erhält nach einer Zivilklage 15.000 DM Schmerzensgeld.
30.1., Bonn: Zum Zweck der „strategischen Überwachung“ kontrolliert der BND weiterhin die Postsendungen und Telephongespräche aus der DDR.
31.1., Hamburg: Seit Jahresbeginn beobachtet das LfV-Hamburg die Republikaner mit nachrichtendienstlichen Mitteln.

Februar 1990

1.2., Hamm/Siegen: Das OLG-Hamm verurteilt einen Autofahrer aus Siegen wegen Beleidigung zu 300 DM Geldstrafe, weil an seinem Auto ein Aufkleber klebte, auf dem ein schlagender Polizist dargestellt war.(AZ: 4 Ss 941/88)
Berlin(West): Heinz Annußek ist neuer Leiter des LfV in Berlin.
5.2., Bonn: Das BfV hat in mindestens einem Fall die Post des SPD-Bundestagsabgeordneten Tietjen geöffnet und gelesen. Nach Presseberichten soll auch eine Akte über Tietjen beim Bundesamt existieren.
6.2., Gorleben: Nach fünf Tagen verlassen die Besetzer des Baugeländes für das atomare Zwischenlager freiwillig den Bauplatz.
8.2., Düsseldorf: Nach fast zwei Jahren werden sieben Angeklagte im so-genannten „Kurdenprozeß“ aus der Untersuchungshaft entlassen.
München: Der bayerische Innenminister Stoiber (CSU) beabsichtigt, den umstrittenen Reizstoff „CS“ auch für den Polizeieinsatz in geschlossenen Räumen freizugeben.
13.2., Berlin (Ost): Im Ost-Berliner Polizeipräsidium treffen sich die Polizeipräsidenten G. Schertz (West) und Generalmajor Bachmann (Ost) zu einem Meinungsaustausch.
16.2., Bern: Der Chef der Schweizer Bundespolizei, Peter Huber, wird im Zu-sammenhang mit der Überwachung von Schweizer Bürgern beurlaubt.
20.2., Dublin: Die IRA bietet der britischen Regierung Verhandlungen über einen Waffenstillstand an.
21.2., München: Bayern überprüft ehemalige SED-Mitglieder bei einem Antrag auf Übernahme in den öffentlichen Dienst auf ihre Verfassungstreue.
22.2., Bremen: In Bremer LfV werden aufgrund der Entwicklungen in der DDR 35% der Personalstellen abgebaut.
26.2., Eschborn: Die Polizei verhindert einen Sprengstoffanschlag auf eine Verwaltungsgebäude der Deutschen Bank.
27.2., Wien: Der Chef der östereichischen Staatspolizei, General Schulz, wird entlassen. Wie sich herausstellte, hat die Staatspolizei jährlich etwa 700 Schnüffelaufträge, z.T. von privaten Firmen, ohne Kenntnis des zuständigen Innenministers übernommen und Privatpersonen überwacht.

März 1990

2.3., Düsseldorf: Nach Auffassung des OLG Düsseldorf rechtfertigt die Teilnahme an einem Hungerstreik allein nicht den Verdacht, daß es sich bei dem Teilnehmer um das Mitglied einer terroristischen Vereinigung handelt.
Hannover: Über drei Jahre nach dem Polizeiüberfall auf das Göttinger Ju-gendzentrum „Juzi“ zahlt das Land Niedersachsen jetzt Schadensersatz an 78 Jugendliche. Das OVG Lüneburg hatte diesen Polizeieinsatz bereits im letzten Jahr für rechtswidrig erklärt.
5.3., Bonn: Nach einem bekanntgewordenen Bekennerschreiben hatte die RAF ein Attentat auf Bundeslandwirtschaftsminister Kiechle geplant.
Hamburg: Nach Presseinformationen hat der BND in den letzten Jahren vielfach Privatbriefe aus der DDR ausgewertet (10.000 Briefe täglich in Hamburg).
6.3., München: Es wird bekannt, daß, die Gründungsversammlung der „Aktionsgemeinschaft zum Schutz der Oberpfälzer Heimat“ wurde im letzten Jahr von einem Zivilbeamten der bayer. Polizei überwacht wurde.
7.3., Berlin (West): Der Kriegsdienstverweigerer G. Scheerer wird von der Polizei festgenommen und per Flugzeug nach Hannover an die Justizbehörden ausgeliefert.
14.3., Bonn: CDU/CSU und FDP einigen sich auf die Entwürfe zum Bundes-datenschutz – und Verfassungsschutzgesetz. Beide Gesetzentwürfe sollen noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden.
Bonn: Der frühere Berliner Justiz-Staatssekretär Alexander von Stahl (FDP) wird neuer Generalbundesanwalt.
15.3., Berlin (West): Es wird bekannt, daß die Berliner Staatsanwaltschaft offenbar regelmäßig Akten – unaufgefordert und aufgefordert – an das LfV weitergegeben hat.
16.3., Köln: Die umstrittene Übersiedlerdatei ADOS (Adressen Objekte Ost) soll nach Angaben des BfV gelöscht sein.
18.3., Karlsruhe: Die Sicherheitsbehörden verhaften im Zusammenhang mit einem Rathauseinbruch einen 28 Jahre alten Arzt unter dem dringenden Verdacht der Unterstützung der RAF.
19.3., München: Ein 29jähriger Häftling der JVA Landsberg am Lech, der nach seinem Ausgang nicht mehr in die Haftanstalt zurückgekehrt war, wird von einem Polizeibeamten erschossen.
21.3., Wiesbaden: Der hess. Datenschutzbeauftragte S. Simitis kritisiert, daß das LKA-Wiesbaden Daten über die Selbstorganisation von Homosexuellen in einem Rundschreiben an sämtliche LKA’s, das BKA, das LfV-Hessen sowie an die Innen-ministerien in Wiesbaden und Düsseldorf geschickt hat.
Bonn: Der BND erklärt, daß angesichts der sich anbahnenden Vereinigung seine Aufklärung in der DDR eingestellt wird.
22.3., Frankfurt/M.: Das OLG-Frankfurt verurteilt drei Angeklagte zu Haftstra-fen bis zu drei Jahren, weil sie sich an Anschlägen auf Strommasten beteiligt hatten.
Karlsruhe: Nach zwei Entscheidungen des BVerfG muß der Konflikt zwischen Kunstfreiheit und Symbolschutz von Fall zu Fall entscheiden werden. Die Ver-fassungsrichter heben die Beschlüsse des OLG-Bayern und des OLG-Frankfurt auf, die in letzter Instanz die Verurteilung dreier Männer wegen Verunglimpfung der Bundesflagge und der Nationalhymne zu Freiheits- und Geldstrafen bestätigt hatten. (AZ: 1 BvR 266/86 und 1 BvR 1215/87)
26.3., Berlin (West): Erstmals in der bundesdeutschen Justizgeschichte wendet das LG-Berlin die im vorigen Jahr verabschiedete Kronzeugenregelung in einem Mordprozeß gegen einen Kurden an. Der Verurteilte soll als Kronzeuge vor dem OLG-Düsseldorf im sogenannten Kurdenprozeß vernommen werden.
27.3., Wiesbaden: Der BKA-Präsident Heinrich Boge, wird verabschiedet. Nachfolger wird BKA-Vize Hans-Ludwig Zachert.
Karlsruhe: Der BGH hebt die Urteile gegen B. Härlin und M. Klöckner auf. Beide waren vom Berliner Kammergericht 1984 im sogenannten „radikal-Prozeß“ wegen Werbung für eine terroristische Vereinigung zu 2 Jahre Freiheitsstrafe verurteilt worden obwohl sie seit zwei Jahren an der Zeitschrift „radikal“ nicht mehr mitgearbeitet hatten.
April 1990

3.4., Berlin (West): Es beginnt die 4. Verfahrensrunde im Schmücker-Mord-Prozeß, nachdem bisher die ersten 3 Urteile vom BGH wieder aufgehoben worden sind.

Zusammengestellt aus: Berliner Morgenpost, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Süddeutsche Zeitung, Tagespiegel, Tageszeitung.

Zur Entwicklung in der DDR vgl. die „Chronik der Stasi-Auflösung“ in dieser Ausgabe auf den Seiten 48-51.