Rezensionen

„Das Dschiu Dschitsu, die Selbstverteidigungskunst ohne Waffen“, Verlag Deutsche Polizeiliteratur, Hilden 1990

Bei diesem Buch handelt es sich um den Nachdruck eines Kapitels aus „Die Polizeischule“ von Dr. Max Weiß aus dem Jahre 1920.
Wie sich dem nachwort entnehmen läßt, wurde es 1980 in einem Hamburger Antiquariat aufgestöbert. Mir war „sofort klar, daß es sich hier um die ältesten Fotos dieses Sports handeln muß. So war mein Entschluß schnell gefaßt, diese sporthistorischen Dokumente möglichst vielen Interessenten wieder zugänglich zu machen“, schreibt der stolze Entdecker.
Zumindest teilweise scheint ihm dies gelungen zu sein, indem er den Verlag Deutsche Polizeiliteratur zu einem Reprint motivieren konnte. Dem Verlagsprogramm entsprechend beschäftigt sich das Buch ausschließlich mit der Selbstverteidigung bei der Polizei.
Die reichlichen Fotos haben aus heutiger Sicht bestimmt einen gewissen Unterhaltungswert. Alles in allem jedoch nichts für den Bücherschrank, sondern eher etwas für E. Vollands Agentur „Komische Fotos“.

Eine schwere Geburt – Das Reichskriminalpolizeigesetz vom 21. Juli 1922 – Geschichte und historische Lektion“
in: Kriminalistik 8-9/90

Gelegentlich zeigt sich die Realität noch um vieles absurder, als es sich erfinden ließe, denn niemand würde es glauben wollen. Just so verhält es sich beispielsweise mit dem Beitrag von Heinz Felfe in Kriminalistik 8-9/90.
Dabei ist es allerdings nicht der Beitrag als solcher, der eine Würdigung durch CILIP erfordert, als vielmehr der Verfasser desselben. Zunächst mag man den eigenen Augen nicht trauen, als man beim ersten routinemäßigen Sichten unter der Rubrik „Polizeigeschichte“ auf Felfe stößt:
1936 Eintritt in den SS-Motor-Sturm;
1941 Dienstantritt im Reichssicherheitshauptamt (RSHA);
1949 Arbeitsaufnahme für den russischen KGB;
1951 Eintritt in die „Organisation Gehlen“, den Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes (BND);
1961 Verhaftung;
1963 Verurteilung zu 15 Jahren Haft;
1969 Austausch und Übertritt in die DDR; seitdem Tätigkeit als Hochschullehrer an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin,
sind die Daten, die sich in Fachkreisen spontan mit dem Namen Heinz Felfe verbinden.
Neugierig geworden sucht man nun nach der redaktionellen Vorbemerkung für den ungewöhnlichen Gastautoren. Vergebens! Erste Zweifel kommen auf, dazu muß eine Redaktion doch etwas sagen. Sollte es tatsächlich einen Namensvetter geben?
Ein Fotovergleich mit Felfes Selbstbekenntnis von 19…, “ Im Dienst des Gegners“ in der Lichtbildkartei von CILIP vertreibt diese Zweifel: Felfe ist älter geworden und die Haare sind lichter als früher – aber Felfe ist Felfe!
Sollte der Redaktion von Kriminalistik dieser Zusammenhang tatsächlich nicht aufgefallen sein?
Bekommen die Herren Burghard, Thomann, Steincke, Meier und Clages vielleicht gerade jetzt, durch die Lektüre des zugesandten Frei-CILIP-Freiexemplares nacheinander „Rote Ohren“?
In diesem Moment fällt der Blick des CILIP-Verfassers auf die Einleitung zu Felfes Artikel:
„Nun weisen solcherart Einfaltspinsel jede Art von Torheit weit von sich, reklamieren allenfalls sachliche Zwänge“.
Da ist die Erklärung! Eine vorgezogene Amnestie für den dreifach gewendeten Felfe. Nun ja, inhaltlich waren sich die Polizeifachleute hüben und drüben bei der Beurteilung des Reichskriminalpolizeigesetzes ja auch ohnehin stets einig gewesen.
Phillip Knightly: Die Geschichte der Spionage im 20. Jahrhundert, Schertz-Verlag, München 1989

Phillip Knightly, britischer Spionage-Spezialist von internationaler Reputation hat ein neues Buch vorgelegt. Kenntnis- und faktenreich beschreibt Knightly auf rund 370 Seiten Entstehung und Entwicklung der drei großen internationalen Geheimdienste CIA, SIS und KGB.
Seinen eigentlichen Wert zieht das Buch jedoch nicht aus der Darstellung der einzelnen Fakten; vieles davon hat man so oder ähnlich bereits irgendwo schon einmal gelesen.
Interessant und lesenswert wird das Buch durch die Analysen und Schlußfolgerungen des Autors.
Liest man sein Werk aufmerksam durch, wird man sich Knightleys Resümee kaum verschließen können, wenn er feststellt: „Das Wesen der Geheimdienstarbeit begünstigt eine elitäre Haltung und Gefühl der Überlegenheit. Die Zugehörigkeit zu dieser Elite wird als Privileg betrachtet. Der neue Mitarbeiter lernt, keinem Außenseiter zu trauen, und stellt bald fest, daß er sich nur unter seinesgleichen gehen lassen kann. Geheimdienstler neigen dazu, mit ihresgleichen zu essen und mit ihresgleichen zu trinken und verkehren ausschließlich mit ihresgleichen. Bald wird der Club, ob er nun CIA, SIS oder KGB heißt, eine geschlossene, autarke Gesellschaft. Die Außenwelt wird immer ferner, ihre Realitäten immer unwichtiger“, und als Grund hierfür den uralten Mythos des Menschen anführt, das Ungeheuer zu besiegen. Die Geschichte wie der Held als einziger die Gefahr erkennt, die dem Stamm vom Ungeheuer droht, wie er sich auf den Kampf vorbereitet, wie er das Geheimnis des Ungeheuers lüftet und dieses schließlich tötet, dient seit Jahrhunderten in allen Zivilisationen als Gleichnis für den Kampf des Menschen gegen das Böse. Kaum irgendwo sonst ist dieses Grundmotiv so ausgeprägt wie in der Welt der Nachrichtendienste.
Vor dem heutigen Hintergrund des Zusammenbruchs der Staatssicherheit in der früheren DDR, die letztendlich an ihrem angehäuften Wissen erstickt ist, wirken Knightleys Verweise auf die Unsinnigkeit geheimdienstlicher Sammelleidenschaft geradezu prophetisch. So zitiert er den einstigen britischen Premierminister Winston Churchill mit den Worten: „Sehen Sie sich bitte diesen Haufen von Material an, der an einem einzigen Morgen auf meinem Schreibtisch landet … Es ist doch so, daß sich mehr und mehr Leute hinter all diesen Papieren verschanzen, deren schiere Menge ihren Sinn ad absurdum führt.“ Ein ähnliches Beispiel findet Knightley auch für Stalin – und immer wieder taucht dieses Phänomen nachrichtendienstlichen Wirkens blitzlichtartig in seinen Texten auf.
Dies könnte für die Menschen außerhalb der diversen Dienste etwas Beruhigendes haben, wiese Knipghtley nicht gleichzeitig auch nach, das die außer Kontrolle geratene Flut von Geheimdiensterkenntnissen für Außenstehende zwar sichtbar ist, die Dienste und ihre Beamten allerdings schon nach Mittel und Wege suchen, um sie zu kanalisieren. So scheint ein weiteres Überlegen von Geheimdiensten denn auch in der Zukunftin irgendeiner Form mehr als wahrscheinlich: Die Geheimdienste haben ihren Regierungen im Laufe der Zeit schließlich drei Prämissen konsequent eingebleut, die ihr Überleben und ihr Wachstum garantieren sollen.
Die erste lautet, daß es in der Welt der Geheimdienste oft unmöglich ist, Erfolg von Mißerfolg zu unterscheiden.
Die zweite Prämisse lautet, daß ein Mißerfolg auf einer falschen Bewertung der Information durch die zuständige Politik beruht.
Die dritte Prämisse schließlich heißt, daß der Geheimdienst rechtzeitig hätte warnen können, wenn er nur genügend Mittel zur Verfügung gehabt hätte.
Daß Knightley zwischenzeitlich selbst vom Virus der massenhaften Kleinteiligkeit ergriffen wird und seitenlange Agentenstories vor den Lesern ausbreitet , wie man sie von Stil und Inhalt zur Genüge kennt, ist zwar bedauerlich, tut dem Wert des Buches jedoch keinen Abbruch.