Polizeihilfe an Folterregime der Dritten Welt – ein Beitrag zur Demokratisierung?

von Dieter Schenk und Manfred Such

Entwicklungshilfe im sogenannten Sicherheitsbereich wurde durch die Bundesrepublik bislang an insgesamt 52 Folterregime geleistet. Politische Bedingungen für eine Demokratisierung oder gar die Garantie von Men-schenrechten wurden daran oft genug gar nicht erst geknüpft.

Über eine halbe Milliarde Mark wurde in den letzten zehn Jahren von der Bundesregierung an Ausbildungs- und Ausstattungshilfe für die Polizei in Ländern der Dritten Welt ausgegeben.1 Nicht mitgerechnet ist dabei die milliardenschwere polizeiliche Ausbildungshilfe, die der Türkei im Rahmen der Nato-Hilfe geleistet wird.

Daß Polizeihilfe überwiegend an Staaten ging, in denen gefoltert und gemordet wird und Menschen spurlos verschwinden, zeigt zumindest die Oberflächlichkeit, mit der Polizeihilfe bis heute immer noch vergeben wird.

Die Tatsache, daß auf solche Weise Diktaturen unterstützt werden, die To-desschwadrone unterhalten und hierfür junge Männer auch zwangsweise re-krutieren, läßt sich nicht leugnen. Wer also solche polizeiliche Entwick-lungshilfe verantwortet, ist nicht von dem Vorwurf zu befreien, indirekt Hilfe zu Menschenrechtsverletzungen zu leisten.

Die Begründung, evtl. auch Hoffnung mancher Befürworter, mit polizeilicher Entwicklungshilfe einen Beitrag zur Demokratisierung von Staaten der Dritten Welt zu leisten, hat sich in der Praxis durchgängig als falsch erwiesen. Als Beitrag zur Demokratisierung ist Polizeihilfe kaum geeignet. Vielmehr sind mit solchen Maßnahmen handfeste politische und wirtschaftliche Interessen verbunden. Zum einen geht es darum, auf diese Weise Einflußspähren zu erweitern und die eigenen Werte und Überzeugungen zu verbreiten, desweiteren darum, der heimischen Wirtschaft Anschlußaufträge in z.T. Millionenhöhe zu verschaffen.

Am Beispiel mehrerer Staaten kann vielmehr belegt werden, daß Entwick-lungshilfe auf dem Polizeisektor eher ein Beitrag zur Festigung von Folterre-gimen war.

Allein deshalb sollte sich Polizeihilfe von demokratischen Staaten an totali-täre Systeme von selbst verbieten. Polizeiliche Entwicklungshilfe an Folter-regime muß grundsätzlich, d.h. auch für strategische Zwecke, ausgeschlossen werden.

Polizeihilfe ist kein Mittel zur Straftatenbekämpfung

Ebenso fatal ist es, zu glauben, technische Polizeihilfe sei in nicht demokratischen Staaten nur ein Mittel zur Straftatenbekämpfung. Vom Kraftfahrzeug bis zur Funkausrüstung, vom Observationsgerät bis zur Abhörtechnik, können all diese Mittel natürlich auch dazu benutzt werden, die Opposition zu überwachen. In vielen Empfängerländern geschieht das denn auch. In Guatemala etwa konnten unabhängige Menschenrechtsgruppen belegen, daß die Ausstattung der dortigen Polizei mit modernem technischen Gerät aus deutscher Produktion, wie z.B. Fahrzeuge und Funkausrüstung, lediglich dazu geführt hatte, die polizeilichen Übergriffe auf die Bevölkerung zu verfeinern und effektiver zu machen. Der Druck und die Übergriffe auf die Landbevölkerung Guatemalas hat nach Aussagen der Menschenrechtsvertreter nach der Ausstattung der Polizei durch die Bundesrepublik noch weiter zugenommen. Hilfeersuchen aus der Bevölkerung an die Polizei hingegen werden nach wie vor gar nicht oder nur höchst widerwillig entgegen genommen und bearbeitet. Gerade in diesem Bereich jedoch eine effektive Polizei einzusetzen, entspricht unseren westlichen Vorstellungen von der „Dienstleistung“ der Polizei.

Ausstattungen mit kriminaltechnischem Gerät, welches im Bereich der Kri-minalistik ausschließlich zur Sachbeweisführung genutzt werden kann, findet in den Empfängerländern hingegen nur wenig Anwendung. Da das notwendige Know-How im Rahmen von Ausbildungshilfen ebenfalls mitgeliefert wird, kann dies mit mangelnden Fachkenntnissen nicht begründet werden. Offenbar wird die „Beweisführung“ auch weiterhin mit zweifelhaften Vernehmungs- und Ermittlungsmethoden – nicht selten Folter – immer noch für das bessere Mittel gehalten.

Mit Millionenaufwand errichtete Kriminallabore, ausgestattet mit hochwertigem Spurensicherungs- und -auswertungsgerät, verkommen schließlich in wenigen Jahren zu reinen Gerätemuseen.

Geradezu grotesk ist es, davon auszugehen, die Ausbildung von Polizeisti-pendiaten in der Bundesrepublik trage zur Demokratisierung in den Empfän-gerländern bei. Polizeiangehörige totalitärer Regime werden durch die Aus-bildung beim BKA oder der Polizeiführungsakademie noch nicht zu Demokraten!
In Guatemala jedenfalls zeigte sich das Ergebnis einer Ausbildung in der Bundesrepublik nicht durch ein Nachlassen von Menschenrechtsverletzungen.

Auch der nicht zu bestreitende Umstand, daß die Polizei in totalitären Regimen oft selbst in Verbrechen verstrickt und Korruption an der Tagesordnung ist, verbietet im Grunde schon jede polizeiliche Entwicklungshilfe für solche Länder. Die Erfahrung, daß Polizisten nach Wohnungseinbrüchen bei ihrer „Arbeit“ am Tatort die Wohnungen ausbaldowern, um hinterher den nächsten Einbruch in diese Wohnung zu begehen, veranlaßt die Geschädigten häufig, auf eine Benachrichtigung der Polizei von vornherein ganz zu verzichten.

Die Ausbildung von Stipendiaten sowie die polizeilichen Kurz- oder Lang-zeitberater aus der Bundesrepublik in den Entwicklungsländern bergen zudem die Gefahr informeller Verbindungen, die den rechtsstaatlich vorgesehenen Gesetzesweg in der internationalen Rechtshilfe gefährden können. Über diesen „kleinen Dienstweg“ lassen sich u.U. im Bedarfsfalle auch schon mal Durchsuchungen oder auch Festnahmen initiieren. Eine richterliche Kontrolle würde damit ausgehebelt.

Auch ohne deutsche Polizeihilfe bringt selbst der ärmste Staat für seine Poli-zei noch ausreichende Mittel auf. Da es insbesondere Folterregimen darum geht, Macht zu stabilisieren, werden die Garanten dieser Macht, die Polizei und das Militär, stets vorrangig ausgebaut und unterstützt. Polizeihilfe zementiert also die bestehenden Verhältnisse in den Entwicklungsländern und unterstützt damit die Machterhaltung der Regime.

Forderungen nach Demokratisierung, die an eine Gewährung polizeilicher Entwicklungshilfe geknüpft werden, unterlaufen die Empfängerländer deshalb auch nicht selten durch eine Scheindemokratisierung. Die Trennung von Polizei und Militär, eine der Hauptforderungen an demokratische Polizeistrukturen, wird nicht schon dadurch erreicht, daß Generale die Uniform ausziehen und dann als Polizeibefehlshaber auftreten, wie das z.B. in unserem Beispiel Guatemala praktiziert wurde.

Drogenbekämpfung ist kein Argument für polizeiliche Entwicklungshilfe

Keine glaubhafte Argumentation zu polizeilicher Entwicklungshilfe läßt sich auch für die Bekämpfung der Drogenkriminalität finden. Drogenmißbrauch und illegaler Drogenhandel lassen sich erfahrungsgemäß mit polizeilichen Mitteln nicht erfolgreich bekämpfen.

In allen Ländern, in denen Drogenmißbrauch und Drogenkriminalität primär mit polizeilichen Mitteln bekämpft werden, müssen diese Konzepte durchweg als gescheitert angesehen werden. Nicht nur die Zahlen der Süchtigen und der Drogentoten, auch die steigenden Gewinne der Drogenhändler belegen das auf dramatische Weise. Überlegungen, polizeiliche Entwicklungshilfe zur Drogenbekämpfung einzusetzen, in der Hoffnung, sie könne auch ein Beitrag zur Bekämpfung der Drogenkriminalität im eigenen Land sein, ist daher grundfalsch. Drogenkonsum muß als soziales Problem begriffen werden, das durch bloße Kriminalisierung nicht beseitigt werden kann.

Das Konzept, polizeiliche Entwicklungshilfe zur Drogenbekämpfung durch Entsendung von Rauschgiftverbindungsbeamten zu leisten, wirkt sich sogar kontraproduktiv aus, nicht zuletzt deshalb, weil in nicht wenigen Stationie-rungsländern die dortige Polizei selbst in den Drogenhandel verstrickt ist.

Da Rauschgiftverbindungsbeamte in den „Gastländern“ nicht selten an Exe-kutivmaßnahmen teilnehmen, stehen sie zudem in einem bedenklichen Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeit, da dies sowohl gegen nationales wie auch in-ternationales Recht verstößt. Die sich ausbreitende polizeiliche Praxis, selbst über ihre Verbindungsleute Drogen zu bestellen und mittels kontrollierter Lieferungen nach Deutschland einzuführen, um sie hier dann pressewirksam beschlagnahmen zu können, kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, daß es legitim ist, dem Markt möglichst große Mengen des Stoffes zu entziehen. Ware, die ursprünglich gar nicht für den deutschen Markt bestimmt war, verfälscht nicht nur die polizeilichen Statistiken, sondern – was schwerer wiegt – es ist auch geeignet, in den Anbauländern die Produktion zu erhöhen. Darüberhinaus ist es geradezu paradox, durch Rauschgiftverbindungsbeamte und polizeiliche Ausrüstungshilfe einen Parallel-Markt zu schaffen. Die Effektivität polizeilicher Drogenbekämpfung mit dem Einsatz von Rauschgiftverbindungsbeamten zu begründen, die sich solcher täuschender Mittel bedienen, kann nur selbst als Täuschungsmanöver bezeichnet werden.

Fazit

Polizeiliche Entwicklungshilfe leistet weder einen Beitrag zur Demokratisie-rung eines Staates, noch dient sie in den Empfängerländern einer Sicherung der Bevölkerung vor Kriminalität. Als Beitrag zur Bekämpfung der Drogen-kriminalität im eigenen Lande ist sie ebenso unwirksam wie in den Her-kunftsländern illegaler Drogen. Viel eher kann Polizeihilfe für Folterregime indirekt Beihilfe zu Folter, Menschenrechtsverletzung und Unterdrückung bedeuten.
Polizeihilfe für Folterregime konterkariert im Ergebnis genau das, was sie vorgibt zu leisten – Hilfe zur Demokratisierung zu sein!

Dieter Schenk, Ex-BKA-Kriminaldirektor, Mitbegründer und stellv. Vor-sitzender von Business Crime Control/ BCC; Autor von „BKA – Die Reise nach Beirut“, Rowohlt-Verlag
Manfred Such, Kriminalhauptkommissar, Ex-MdB DIE GRÜNEN, Mitbegründer der BAG Kritische Polizi-sten und Polizistinnen, Mitbegründer BCC; Autor von „Bürger statt Bullen“, Klartext-Verlag.
1 vgl. Bürgerrechte & Polizei/CILIP 31, 3/1988, S. 58 ff.