Internationaler Frauenhandel in der Bundesrepublik Deutschland – eine Einführung

von Tippawan Duscha

Der moderne Frauenhandel ist eine der extremsten Ausdrucksformen von Rassismus und Sexismus. Die herrschende Weltwirtschaftsordnung, die Kluft zwischen den Ländern Afrikas, Asiens, Lateinamerikas und den Industrienationen ist das Resultat der durch Jahrhunderte von Weißen geprägten Herrschaftsstrukturen, deren Geschichte weit in die Anfänge der Kolonisation zurückreicht. Die weltweite Massenmigration aus den ausgebeuteten Ländern in die reichen Metropolen ist eine der Folgen dieser Entwicklung. Die Wege des Frauenhandels verlaufen denn auch analog zu den historischen Handelswegen der ehemaligen Kolonialstaaten. Afrikanische Frauen z.B. werden verstärkt nach Frankreich und Frauen aus Mittelamerika überwiegend nach Holland verkauft. Offensichtlich ist der Markt jedoch flexibel: die BRD ist dafür ein gutes Beispiel.

Laut deutschem Strafgesetzbuch (StGB) gilt derjenige als Menschenhändler, der „einen anderen
1. mit Gewalt, durch Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List dazu bringt, daß er der Prostitution nachgeht, oder
2. anwirbt oder wider seinen Willen durch List, Drohung oder Gewalt entführt, um ihn unter Ausnutzung der Hilflosigkeit, die mit seinem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, zu sexuellen Handlungen zu bringen, die er an oder vor einem Dritten vornehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen lassen soll“. 1

Das allerdings beschränkt sich nur auf den Bereich der Prostitution. In der Realität gibt es jedoch mehrere Formen sexueller und rassistischer Ausbeutung: Frauen werden in Situationen gebracht, in denen sie nur als Objekte behandelt werden; Selbstbestimmung wird ihnen verweigert; sie bekommen die gängige geschlechtspezifische Rollenaufteilung (Sexualität, Haus- und Versorgungsarbeit) zudiktiert. Wird „Frauenhandel“ so definiert, dann fallen auch die Bereiche Heiratshandel und Handel mit Hausmädchen darunter.

Heiratshandel

In der Bundesrepublik gibt es gegenwärtig ca. 60 Heiratshändler, die auf den Handel mit Frauen aus Asien, Lateinamerika und Ost-Europa spezialisiert sind. In der Regel verlassen die Frauen ihre Heimat ohne finanzielle Rücklagen und müssen schon deshalb so schnell wie möglich heiraten. Desweiteren ist ihr Aufenthaltsstatus in der BRD an eine Heirat gekoppelt.

Heiratshandel gilt als legal. Eine Strafverfolgung braucht der Händler daher nicht zu fürchten. Jedermann kann ein solches Geschäft beim Gewerbeamt anmelden. Es gibt weder Auflagen noch Kontrollen. In Frankfurt kann ein Händler sein Geschäft sogar aus dem Gefängnis heraus betreiben. Den Behörden war es gar nicht aufgefallen, und auch auf eine Mitteilung der „Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung e.V. (agisra)“ hin wurde nichts unternommen. Ein anderes eindrucksvolles Beispiel bilden die Recherchen eines Journalisten, der zum Schein eine Partner-Vermittlung gründete, um herauszufinden, wie weit man damit bei den Behörden gehen kann. Problemlos konnte er seine Firma unter dem Namen „Hotpants – Frauen- und Mädchenhandel“ anmelden und eine ordentliche Steuernummer bekommen. Sogar eine Mitgliedschaft bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) war möglich.

Vermarktet werden die ausländischen Frauen von den Heiratsvermittlern dann in Zeitungsanzeigen und Geschäftsunterlagen. Die Geschäftspraktiken beinhalten üblicherweise auch ein Probe- und Umtauschrecht, sogar Ratenzahlungen sind möglich. Die Händler arbeiten dabei hauptsächlich mit rassistischen Klischees und Bildern von angeblich „willenlosen, unterwürfigen …“ Ausländerinnen. Die Erfahrungen der Beratungsstellen belegen, daß in den so zustandegekommenen Ehen ein großes Konfliktpotential ruht. Oft kommt der Mann mit der von den Prospekten abweichenden Realität nicht zurecht. Realität heißt hier, daß er nicht eine willenlose Person erhält, wie es ihm der Händler versprach, sondern mit dem konkreten Ziel der Frauen konfrontiert wird, Geld nach Hause zu schicken. Sein Handlungsspielraum beschränkt sich dann zumeist allein auf Gewalttätigkeiten. Kommt es schließlich zur Trennung oder Scheidung, droht den Frauen die Abschiebung.

Illegale Arbeit

Ein anderer Bereich ist die Vermittlung von Frauen (vor allem von den Philippinen) in illegale Arbeitsverhältnisse in der Gastronomiebranche, pri-vate Haushalte usw. Schätzungsweise ca. 10.000 Frauen arbeiten so illegal in der Bundesrepublik. Oft müssen sie im Sklavinnenverhältnis von morgens bis spät in die Nacht arbeiten. Die Ausbeutung als Arbeitskräfte geht zumeist einher mit einer freien sexuellen Verfügbarkeit dieser Frauen für die männli-chen „Arbeitgeber“. Nicht selten wird auch die Auszahlung des vereinbarten Gehaltes verweigert. Als illegale Arbeiterinnen können sie den Anspruch darauf nirgendwo geltend machen. Das wissen die ArbeitgeberInnen und nutzen diese Wehrlosigkeit schamlos aus. Werden die Frauen irgendwann durch Unfall oder Krankheit arbeitsunfähig, so werden sie, da sie weder kranken- noch sozialversichert sind, häufig einfach auf die Straße gesetzt. Werden sie dann von der Polizei aufgegriffen, so werden sie in der Regel umgehend abgeschoben, damit ist das Problem dann „gelöst“. Nur in wenigen Ausnahmefällen wird, wie etwa in Frankfurt, eine andere Praxis angewandt, indem Beratungsstellen miteinbezogen werden, die dann u.U. die sofortige Abschiebung mit Hilfe von Anwältinnen verhindern konnten. Zumindest nach dem alten Ausländergesetz war dies in einigen Fällen möglich.

Angeworben werden die Frauen von Agenten des internationalen Menschenhandels, meist selbst Frauen. Ihnen werden attraktive Jobs mit guter Bezahlung in Europa versprochen. Meist kommen die Frauen aus ärmeren Regionen, wo sie und ihre Familien sich in wirtschaftlicher Not befinden. Häufig sind es Mütter mit mehreren Kindern. Die Perspektivlosigkeit in der Heimat fördert die Risikobereitschaft von Frauen auszuwandern. Für die Vermittlung kassieren die AgentInnen Gebühren von umgerechnet 5.000 bis 10.000 DM. Um diese Vermittlungsgebühr bezahlen zu können, müssen die angeworbenen Frauen dann hohe Schulden machen.

Prostitution

In der Bundesrepublik ist eine große Nachfrage nach ausländischen Sexar-beiterinnen zu verzeichnen. In großen Städten wie Hamburg, Berlin und Frankfurt sind z.T. bereits mehr als 50% der Prostituierten Ausländerinnen. Die Palette des Angebots wird dabei immer internationaler: Frauen aus Asien, Lateinamerika, Afrika und inzwischen auch aus Ost-Europa bieten ihre sexuellen Dienstleistungen an. Der Handel in die Prostitution verläuft ähnlich wie in den bereits genannten Bereichen. Manche Frauen wissen, daß sie in der Prostitution arbeiten werden, ohne daß jedoch genauere Bedingungen und die Verdiensthöhe vereinbart wurden. Andere werden z.T. unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angeworben, wie etwa dem Versprechen einer Tätigkeit als Servierkraft oder Putzhilfe. Sind sie erst hier, kommen sie wegen der Sprachschwierigkeiten und Orientierungslosigkeit aus der Situation kaum mehr heraus. Zudem sind sie nun bei den Schleppern verschuldet, die für ihre Dienste zwischen 10.000 bis 17.000 DM berechnen. Nicht-EG-Angehörigen ist es im allgemeinen auch nicht erlaubt, in der BRD zu leben und zu arbeiten, es sei denn, die Frau ist mit einem Deutschen verheiratet. Das erzeugt eine zusätzliche Abhängigkeit, die deutsche Männer ebenfalls in Geld umzusetzen wissen.

Schwierigkeiten der Strafverfolgung

Im Juni 1990 wurde der sog. Ulmer Frauenhandels-Prozeß eröffnet. Angeklagt waren vier deutsche Männer, denen Menschenhandel, Förderung der Prostitution, Zuhälterei, Freiheitsberaubung und Vergewaltigung vorgeworfen wurde.
Gemeinsam mit drei Helfern hatte ein ehemaliger Skilehrer – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – einen Nachtclub eröffnet. Da Ausländerinnen meist billiger sind als deutsche Frauen, hatte er drei Thailänderinnen anwerben las-sen. Laut Vereinbarung sollten die Frauen in seinem Club im Bikini tanzen. Als sie im April 1989 ankamen, wurden sie jedoch durch physische und psychische Gewalt gezwungen, nackt zu tanzen und an den Kunden sexuelle Handlungen vorzunehmen. Pässe und Flugtickets hatten die Frauen zuvor bereits abgeben müssen. Um einen legalen Status zu erhalten, sollte eine der Frauen zudem mit ihrem Aufpasser (und Vergewaltiger) verheiratet werden. Die beiden anderen hatte man nach Ablauf ihres Vertrages im August 1989 wieder abreisen lassen, da die Polizei inzwischen auf das Etablissement aufmerksam geworden war. Als die Zurückgebliebene ihrem Peiniger schließlich entfliehen konnte und sich an die Polizei wandte, begann die Strafverfolgung.

Im Prozeß bestritt der Mann die Vorwürfe weitgehend und gab an, die Frau sei während einer Verkehrskontrolle urplötzlich von seinem Motorrad gesprungen und in den Polizeiwagen gestiegen; die Beamten hätten sie daraus jedoch wieder mit dem Argument entfernt, daß sie schließlich kein Taxiunternehmen seien.

Die Vernehmung der Frau wurde vom Richter als nicht verwertbar eingestuft, da es sich bei ihr um eine „hochgradig nervöse, neurotische Person“ ohne jede Glaubwürdigkeit handele. Zwar wurde noch versucht, ihre einstigen Kolleginnen wiederzufinden und zeugenschaftlich zu vernehmen, indem ein Staatsanwalt und zwei Kripobeamte nach Thailand geschickt wurden. Rund ein halbes Jahr nach der Ausreise der beiden gelang ihnen dies jedoch nur noch in einem Falle.
In seiner Urteilsbegründung ließ der Richter viel Verständnis für die Täter erkennen. So habe der Haupttäter nur aufgrund einer wirtschaftlichen Notsi-tuation gehandelt und lediglich seine Schulden bezahlen wollen. Wegen min-derschwerem Menschenhandel, dirigistischer Zuhälterei und Förderung der Prostitution sowie unerlaubtem Waffenbesitz wurde er zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die übrigen Täter erhielten kaum nennenswerte Strafen bzw. wurden gleich freigesprochen.

Kein Verständnis zeigte der Vorsitzende dagegen für die Opfer. Da die Frauen bereits vorher der Prostitution nachgegangen waren, galten sie als nicht glaubwürdig. „Es waren ja keine Pensionatsmädchen, alle hatten Bor-dellerfahrung“, so der Richter. Dies war zugleich auch die Begründung dafür, daß es sich lediglich um einen Fall „minderschweren“ Menschenhandels handelte.

Dieser Prozeß zeigt exemplarisch, daß Frauenhandel hierzulande immmer noch als Kavaliersdelikt gilt. Bei der Strafverfolgung spielt er nur eine unter-geordnete Rolle. Daß es sich hierbei auch um Menschenrechtsverletzung handelt, wird nicht wahrgenommen. Daß betroffene Frauen sich gegen ihre Ausbeutung kaum wehren können, ohne dabei eigene schwere Nachteile – bis hin zur Abschiebung – in Kauf zu nehmen, gibt den Händlern bei der Kontrolle der Frauen noch einen zusätzlichen Spielraum. Die relative Rechtlosigkeit, in der sie sich als Ausländerinnen ohnehin schon befinden, verstärkt sich so im Kontext der Strafverfolgung noch einmal und legt die Grundlage einer Kriminalisierung.

Ausblick und Vorschläge

Die Problematik ist vielschichtig und Patentrezepte für eine Lösung gibt es nicht. Einige Ansätze könnten das Problem allerdings etwas mildern:
Zunächst einmal ist es unbedingt notwendig, in der BRD (illegal) lebenden Ausländerinnen Schutz und Rechte zu gewähren, um sie in die Lage zu versetzen, sich überhaupt gegen ihre Ausbeutung zu wehren. Da es an Schutz für die als Zeuginnen in Frage kommenden Frauen fast immer fehlt, haben sie meistenteils Angst, gegen die Händler auszusagen. Doch auch sonst werden die Interessen der Frauen bei der Strafverfolgung in der Regel völlig ignoriert. So werden z.B. kaum Anwältinnen oder Beratungsstellen hinzugezogen, die umfassenden sozialen und rechtlichen Beistand leisten könnten. Die Opfer haben schon wegen der hierzulande praktizierten „Ruck-Zuck“-Abschiebungen überhaupt keine Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche wie Schmerzensgeld oder finanzielle Einbußen geltend zu machen. Um dies zu ändern, wäre z.B. an das „holländische Modell“ zu denken, bei dem den Betroffenen ein Aufenthalt bis zum Prozeßende garantiert wird. Auch eine engere Zusammenarbeit zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Ausländerbehörden könnte die Strafverfolgung erleichtern. Jede Form der Garantie von Schutz und Aufenthalt erhöht bei den Zeuginnen ihre Bereitschaft, gegen die Täter auszusagen. Hierzu ist jedoch zunächst einmal als Realität anzuerkennen, daß die Bundesrepublik längst zu einem Einwanderungsland geworden ist. Solange die gegenwärtigen Wirtschaftstrukturen weltweit so bleiben wie bisher, die Gelder also stets in die reichen Industrienationen fließen, solange werden auch die Menschen in die gleiche Richtung wandern. Es macht daher keinen Sinn, die EinwanderInnen zu kriminalisieren. So werden sie lediglich zu doppelten Opfern des Menschenhandels.

Im letzten Jahr hat Nordrhein-Westfalen im Bundesrat die Initiative zur Än-derung des 181 StGB ergriffen. Allerdings wird auch dabei wieder zu kurz gegriffen, da lediglich eine Erleichterung der Strafverfolgung angestrebt wird: für Opfer und/oder Zeuginnen soll es danach anstelle einer umgehenden Abschiebung wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz eine vierwöchige „Gnadenfrist“ geben, nach deren Ablauf ihnen eine menschenwürdige Rückreise ermöglicht werden soll. Die Interessen und der Schutz der Frauen bleiben auch bei dieser Initiative wieder völlig unberücksichtigt. Die Ursachen des Frauenhandels, der Wunsch von Frauen, ihr Land zu verlassen, um so ihre Existenznöte zu beseitigen, wird weiterhin ignoriert. Unbedingt notwendig ist deshalb ein Aufenthaltsrecht und die Möglichkeit zur Arbeit und/oder Ausbildung für Frauen, die durch Frauenhändler in die Bundesrepublik verschleppt worden sind. Nur so werden sie in die Lage versetzt, langfristig ihre Probleme selbst zu lösen. Geschieht dies nicht, so bleiben sie gezwungen, ständig aufs Neue auszuwandern und so dem internationalen Frauenhandel als „Menschenmaterial“ zur Verfügung zu stehen.

Tippawan Duscha ist Diplom-So-zialarbeiterin und lebt seit 15 Jahren in Deutschland; Studium an der Thammasat-University, Thailand; von 1987-1990 Lehrbeauftragte an der Fachhochschule Frankfurt/M.; 1986 Mitbegründerin der „Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung e.V. (agisra)“
1 StGB 181