Literatur – Rezensionen und Hinweise

Literatur zum Schwerpunkt

Das vorliegende Heft streift nahezu die gesamte Bandbreite der ‚Politik Innerer Sicherheit‘. Ein Überblick über die Literatur kann daher nur selektiv sein.

Kriminalitätsdebatte/ Innere Sicherheit

Schwerpunkt: Innere Sicherheit – Ausverkauf des Rechtsstaats?, Vorgänge 124, 1993, H. 4, DM 16,-
Beiträge von Hassemer (Organisierte Kriminalität, Massenkriminalität und die Notwendigkeit einer rationalen Kriminalpolitik), Krasmann/ Lehne/ Schmidt-Semisch (CDU-Politik der Inneren Sicherheit im Vorwahlkampf), Gössner (rot-grüne Innenpolitik in Niedersachsen), Schloth (Kriminalität und Krimi-nalitätsfurcht), See (Wirtschafts- und Organisierte Kriminalität); ferner Stellungnahmen der ‚Liga für Menschenrechte‘ zur Inneren Sicherheit und der ‚Gustav-Heinemann-Initiative‘ zum Lauschangriff.

Kampmeyer, Eva/ Neumayer, Jürgen (Hg.): Innere Unsicherheit. Eine kritische Bestandsaufnahme, München (AG SPAK) 1993, 211 S., DM 24,80
Themen: Kriminalität und Kriminalstatistik, Organisierte Kriminalität, Lauschangriff; siehe Rezension in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 47 (1/94).

Jünschke, Klaus/ Meertens, Christoph: Risikofaktor Innere Sicherheit. Ar-gumente gegen den Law-and-Order-Staat, München (Knaur) 1994, 376 S., DM 12,90
Eine aktuelle Einmischung, die zugleich grundsätzliche Einwände gegen die Innere Sicherheitspolitik in der BRD formuliert. Die Autoren versammeln eine Vielzahl von Fakten, Zusammenhängen und Einsichten, die von kritischer (linker) Seite gegen eine ursachenblind auf Kriminalisierung und Repression sowie die Stärkung der entsprechenden Staatsapparate setzenden Politik vorgebracht werden. Im ersten Teil, offensichtlich von dem nun als Journalist tätigen ehemaligen RAF-Mitglied Jünschke verfaßt, wird in 10 Kapiteln die Logik jener Law-and-Order-Politik in einzelnen Feldern nachgezeichnet und überzeugend kritisiert: Von der Situation im Strafvollzug über die Debatten um organisierte und Rauschgiftkriminalität bis zur staatlichen Terrorismusbekämpfung oder die Reaktionen auf rassistische Gewalt. Die Fülle von Argumenten, die aus unterschiedlichen Disziplinen und Diskussi-onszusammenhängen herangezogen werden, verdeutlicht immer wieder, daß die herrschende Innenpolitik auf einer Mischung aus simplen Sprüchen und standhafter Ignoranz fußt, die nur durch die Interessen der Beteiligten ver-stehbar wird. Zutreffend trägt der erste Teil des Bandes den Titel „Wie mit dem Verbrechen Politik gemacht wird“. Im zweiten Teil „Law and Order ’94“, offensichtlich von Chr. Meertens, Geschäftsführer des Organisationsbüros der Strafverteidigervereinigungen, geschrieben, wird das Verbrechens-bekämpfungsgesetz‘ einer ausführlichen Würdigung unterzogen. Die geplanten Regelungen werden vor ihrem rechtshistorischen Hintergrund und aus verfassungs- und bürgerrechtlicher Perspektive kritisiert. Auch wenn die Zweiteilung der Veröffentlichung etwas willkürlich erscheint, ist das Buch insgesamt sehr zu empfehlen.
(Norbert Pütter)

Humanistische Union (Hg.): „Innere Sicherheit“, Ja – aber wie?, Plädoyer für eine rationale Kriminalpolitik, München, (HU-Schriften), 1994, ca. 270 S., DM 10,-
Ein Gemeinschaftswerk der ‚Humanistischen Union‘ mit dem ‚Bundesfach-ausschuß der Richterinnen und Richter, StaatsanwältInnen in der Gewerkschaft ötv‘, und dem ‚Republikanischen AnwältInnenverein‘ (RAV) verspricht eine solide Analyse der aktuellen Politik ‚Innerer Sicherheit‘ und hält dieses Versprechen auch. Dies gilt insbesondere für die Beiträge von Seifert zur verfassungsrechtlichen Situation der Geheimdienste bei der Verbrechensbekämpfung (S. 73-110) und Vultejus zum Umgang mit der polizeilichen Kriminalstatistik (S. 111-122). Asbrock u.a. sezieren aus Sicht der Justiz die Sicherheitspakete der Parteien und zeigen auf, welche Ressourcen in diesem Bereich noch schlummern und schnell aktiviert werden könnten, wenn hierzu der politische Wille vorhanden wäre. Einfach und verständlich geschrieben, streckenweise aber etwas zäh und z.T. stark vereinfacht allerdings ist der Einstiegstext. Dies ganz zu vermeiden, ist bei Überblicksartikeln jedoch meist etwas schwierig. Hier wäre weniger mehr gewesen. Ausgestattet mit einem Dokumentationsteil im Anhang ist der Reader ein wichtiger Beitrag für die weitere politische Diskussion.
(Otto Diederichs)

Seidel-Pielen, Eberhard/ Farin, Klaus: Die Scharfmacher. Schauplatz Innere Sicherheit, Hamburg (Rotbuch) 1994, 183 S., DM 16,90
Jugendgewalt, Kriminalitätsboom, allgemeiner Werteverlust – die Verunsicherung ist groß. Hart durchgreifen scheint angesagt, wollen nicht Politik und Sicherheitsbehörden ihre Existenzberechtigung und Glaubwürdigkeit gegenüber den BürgerInnen dieser Republik verlieren. Gegen diese Bedrohungsszenarien und die immer gleichen repressiven Antworten versuchen die Autoren anzuschreiben. Den PolitikerInnen und der Polizei wird ihr Versagen angesichts der Brandanschläge auf AusländerInnen aufgezeigt. Aber auch die Linke bekommt ihr Fett weg: Sie stimme in den reaktionären Chor nach einem starken Staat ein, wenn sie ein hartes Vorgehen gegen rechte Gewalttäter fordere und die in der Terrorismusbekämpfung eingesetzten Instrumente nun hier angewandt wissen wolle. Statt dessen plädieren die Autoren für mehr „Bürgersinn“ und „Zivilcourage“ gerade im Umgang mit fremdenfeindlicher Ideologie und Gewalt und fordern, staatliches Eingreifen solange wie möglich aus dem Spiel zu lassen. Insgesamt ein lesenswertes, materialreiches und informatives Buch, auch wenn das Thema OK unberücksichtigt bleibt und keine Ursachenanalyse der Gewaltphänomene vorgenommen wird. Ärgerlich ist allerdings, daß die Gewalt männlicher Jugendlicher als „Anpas-sung an die Normen der Erwachsenenwelt“ (S. 153) von den Autoren nur einfach hingenommen und nicht auch als Teil einer männlich dominierten Kultur und Gesellschaft kritisiert wird.
(Martina Kant)

Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine: Innere Sicherheit. Herausforderung an den Rechtsstaat, Heidelberg (C.F. Müller) 1994, 21 S., DM 18,-
Auch die Bundesjustizministerin meldet sich im Wahljahr mit einer eigenen Publikation zu Wort. Die mageren 21 Seiten lesen sich wie eine einzige Be-stätigung ihrer profil- und hilflosen Justizpolitik.
(Norbert Pütter)

Lauschangriff

Kutscha, Martin: Die Legalisierung des Lauschangriffs, in: Demokratie und Recht, 1992, H. 3, S. 247-252
ders.: Der Lauschangriff im Polizeirecht der Länder, in NJW, 1994, H. 2, S. 85-88
Strunk, Sabine: Lauschangriff als Wunderwaffe?, in: Links, September 1993, S. 19-21
Kaum war das OrgKG über die parlamentarische Bühne, forderte der seinerzeitige BMI Seiters den Großen Lauschangriff als unabdingbare Waffe gegen die Organisierte Kriminalität. Daß der Einsatz von Wanzen u.ä. bereits in den meisten Polizeigesetzen der Länder Eingang gefunden hatte, wird vor allem von Kutscha hervorgehoben.
Seifert, Jürgen: Vom Lauschangriff zum „Großen Lauschangriff“. Darf es eine totale Überwachung der Wohnung geben?, in: Kritische Justiz, 1992, H. 3, S. 355-363
Aus der bürgerrechtlichen Perspektive mischt sich Seifert in die Diskussion ein.
Zachert, Hans-Ludwig: Elektronische Überwachung der Wohnung als Mittel zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität
Hassemer, Winfried: Warum man den „Großen Lauschangriff“ nicht führen sollte, beide in: Deutsche Richterzeitung, 1992, H. 9, S. 355-358
In der Debatte um den Lauschangriff treten hier der Chef des BKA und der Hessische Datenschützer gegeneinander an.
Lisken, Hans: Befugnis zum Belauschen
Krüger, Ralf: Verdeckte Ermittlungen im Strafverfahren und die Unverletz-lichkeit der Wohnung, beide in: ZRP, 1993, H. 4, S. 121-127
Der ehemalige baden-württembergische LKA-Chef Krüger beschwört wie üblich die Gefahren der OK und klassifiziert das kaum erst verabschiedete OrgKG als unzureichend. Der Düsseldorfer Polizeipräsident Lisken kontert nicht nur mit prinzipiellen Argumenten eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens, sondern vor allem mit der fehlenden Notwendigkeit der elektronischen Überwachung von Wohnungen.
Böttger, Andreas/ Pfeiffer, Christian: Der Lauschangriff in den USA und in Deutschland, in: Zeitschrift für Rechtspolitik, 1994, H. 1, S. 7-17
Für Diskussionsstoff sorgte eine Studie des Kriminologischen Forschungsin-stituts Niedersachsen über Lauschen und Kontrolle in der BRD und den USA, die den US-Behörden erheblich größere Zurückhaltung mit dem Lausch-Instrumentarium – einschl. Wanzen – bescheinigt, als das in der BRD bei Telefonüberwachungen der Fall ist. Die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie sind hier zusammengefaßt.
Schelter, Kurt: Verbrechensbekämpfung mit elektronischen Mitteln – ein Tabu?, in: ZRP 1994, H. 2, S. 52-57.
Dickel, Andreas: Überwachungspraxis in Deutschland. Telefonüberwachungen auf dem Prüfstand, in: Kriminalistik, 1994, H. 2, S. 87-91

Gesetzentwürfe

CDU/CSU und FDP: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung und anderer Gesetze – Verbrechensbekämpfungsgesetz, Bundestag (BT), Drs. 12/6853 v. 18.2.94;
SPD: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rausch-gifthandels und anderer Erscheinungformen der Organisierten Kriminalität (2.OrgKG), BT-Drs. 12/6784 v. 4.2.94;
Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu den beiden Entwürfen – BT-Drs. 12/7584 v. 18.5.94
Der Ausschuß empfahl mit minimalen Veränderungen die Annahme des Entwurfs der Koalitionsfraktionen. Der Bundestag folgte diesem Votum. Damit entfiel ein früherer Entwurf des Bundesrates für ein ‚Gesetz zur Stärkung des Rechtsfriedens und zur Bekämpfung des Schlepperunwesens‘, BT-Drs. 12/5683 (siehe auch die Beschlußempfehlung des Innenausschusses, BT-Drs. 12/7827 v. 10.6.94).
Der Bundesrat lehnte den Entwurf am 11.6.94 mit den Stimmen der SPD-Länder ab: Gesetzesbeschluß des Bundesrates, Bundesrat (BR), Drs. 416/94 v. 20.5.94. Er geht damit in die Vermittlung, wodurch eine abschließende Beratung in dieser Legislaturperiode unwahrscheinlich wird.

Bürgerrechts- und Anwaltsorganisationen haben diese Gesetzentwürfe einer eingehenden Kritik unterzogen. Neben den Beiträgen aus dem o.a. Buch der ‚Humanistischen Union‘ sowie den Stellungnahmen des Deutschen Anwaltsvereins, der Bundesrechtsanwaltskammer und der Strafverteidigervereinigungen sind folgende Aufsätze von Interesse:
Bandisch, Günter: Zum Entwurf eines Kriminalitätsbekämpfungsgesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP
Wächtler, Hartmut: Der autoritäre Strafprozeß
Welp, Jürgen: Kriminalpolitik in der Krise. Der SPD-Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität,
sämtlich in: Strafverteidiger, 1994, H. 3, S. 153 ff.
Neumann, Ulfried: Zum Entwurf eines Verbrechensbekämpfungsgesetzes, in: Strafverteidiger, 1994, H. 5, S. 273-276
Kätker, Stefan: Das geplante Verbrechensbekämpfungsgesetz der Regie-rungskoalition, in: Datenschutz-Nachrichten, 1994, H. 3, S. 6-9

Einzelne Länder haben im Bundesrat eine Reihe von Initiativen eingebracht:
– Hamburg: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der StPO, BR-Drs. 290/94 v. 31.3.94 (Verfahrensbeschleunigung)
– Bayern: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des GG (Art.13 Abs.3), BR-Drs. 493/94 v. 25.5.94, sowie Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des OrgKG, BR-Drs. 494/94 v. 25.5.94 (Großer Lauschangriff, lebenslange Haft bei bandenmäßigem BtM-Handel, Telefonüberwachung bei Geldwäschever-dacht), Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Rechtsfriedens, BR-Drs. 510/94 – (Landfriedensbruch i.d.F. von vor 1970 und erweiterter Haftgrund der Wiederholungsgefahr)
– Baden-Württemberg: Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes, BR-Drs. 536/94 v. 31.5.94 (Ersatzdienst bei der Poli-zei)
– Bay., Hs., NRW, Rh-Pf., Srl., Thür.: Entwurf eines Strafverfahrensände-rungsgesetz (StVÄG 1994), BR-Drs. 620/94 v. 14.6.94 (Datenregelungen in der StPO)
Ohne Federlesen wurden ferner im Bundestag eine Reihe von wichtigen ‚Sicherheits‘-Gesetzen vorgelegt und z.T. schon verabschiedet, die zumindest genannt werden sollen:
* Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BT-Drs. 12/4891, BR-Drs. 3/94) vom Bundestag am 2.12.93 verabschiedet, siehe auch Kommentar von
Weichert, Thilo: Neues Sicherheitsüberprüfungsgesetz, in: Datenschutz-Nachrichten, 1994, H. 3, S. 13-15
* Ausländerzentralregister (AZR)-Gesetz: Entwurf der Regierungsfraktionen, BT-Drs. 12/6938 v. 1.3.94, von der Bundesregierung übernommen als BT-Drs. 12/7250 v. 11.5.94 (hier auch Stellungnahme des BR und Gegenäuße-rung der Bundesregierung), Beschlußempfehlung des Innenausschusses, BT-Drs. 12/7601 v. 19.5.94: Das Gesetz wurde am 16.6.94 mit den Stimmen der Koalition im BT verabschiedet.
* Entwurf eines Strafverfahrensgesetzes – DNA-Analyse, Drs. 12/7266 v. 14.4.1994
* BGS-Neuregelungsgesetz, BT-Drs. 12/7562 v. 17.5.94: siehe Bürgerrechte & Polizei 47 (1/94); am 24.6.94 vom BT mit den Stimmen der Koalition gebilligt; der BR hat den Gesetzentwurf am 8.7.94 abgelehnt und an den Ver-mittlungsausschuß überwiesen.
* Der BMI-Entwurf des BKA-Gesetzes vom 15.12.93 wurde vom Kabinett am 28.4.94 zurückgezogen. Die Neuregelung der Kompetenzen des BKA, die seit dem Volkszählungsurteil des BVerfG von 1983 erforderlich ist, wurde damit auf die nächste Legislaturperiode vertagt.
* Das Dubliner ‚Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staa-tes für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemein-schaften gestellten Asylantrags‘ vom 15.6.90 wurde dem Bundestag als Drs. 12/6485 v. 21.12.93 vorgelegt, vom Innenausschuß gegen die Stimmen von Bündnis 90/Grüne und PDS befürwortet (BT-Drs. 12/7381).

Geheimdienste vs. Organisierte Kriminalität

Seit dem Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten bemühen sich Re-präsentanten von Geheimdiensten und Exekutive verstärkt um eine neue Aufgabe im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung und damit zugleich um die Aufhebung des Trennungsgebots von Polizei und Geheimdiensten. Zu den Anfängen der Debatte siehe:
Diederichs, Otto: Verfassungsschutz und organisierte Kriminalität, in: Bür-gerrechte & Polizei/ CILIP, 1991, H. 2 (39), S. 68-71.
Riegel, Reinhard: Zur Suche nach Rechtsgrundlagen für die Fernmeldeaufklärung oder strategische Rasterfahndung durch den BND, in: ZRP, 1993, H. 12, S. 468-471
Riegel konstatierte nicht nur eine fehlende Rechtsgrundlage, sondern forderte eine generelle Stellungnahme des Gesetzgebers zur Frage, ob der BND im Bereich der inneren Sicherheit tätig werden sollte. Durch das ‚Verbrechens-be-kämpfungsgesetz‘ soll eine Rechtsgrundlage für diese Praxis geschaffen werden, ohne allerdings die Frage der Verfassungsmäßigkeit anzutasten. Weitere gesetzgeberische Schritte zur Einbeziehung der Geheimdienste in den Bereich der Kriminalitätsbekämpfung gibt es auf Länderebene, u.a. im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz.
Rupprecht, Reinhard: Die Kunst, Aufgaben sinnvoll zu teilen, in: Krimina-listik, 1993, H. 2, S. 131-136.
Für eine Aufgabenteilung, die für die Dienste das Vorfeld des Vorfeldes einer Straftat vorsieht, spricht sich der BMI-Staatssekretär aus.
Werthebach, Eckart/ Droste-Lehnen, Bernadette: Organisierte Kriminalität, in: ZRP, 1994, H. 2, S. 57-65
Zwar bewegen sich die Ausführungen des BfV-Präsidenten und seiner Co-Autorin zu Begriff und Ausmaß der OK auf einem ziemlich banalen Niveau, ihre Thesen belegen aber, daß der Wunsch aus dem Geheimdienstlager, sich mit Fragen der Kriminalität zu befassen, kein deutsches Spezifikum ist.
Denninger, Erhard: Das Tor zur informationellen Symbiose wird aufgestoßen, in: FR, 1./2.6.1994, Dokumentationsseite
Vorabdruck des Beitrages von Denninger auf einer Tagung der ‚Friedrich-Ebert-Stiftung‘ zur Organisierten Kriminalität im April 1994. Eine Broschüre mit sämtlichen Referaten dürfte demnächst veröffentlicht werden.

Europa

Leuthardt, Beat: Festung Europa. Asyl, Drogen, „Organisierte Kriminalität“: Die Innerer Sicherheit der 80er und 90er Jahre und ihre Feindbilder, Zürich (Rotpunkt) 1994, ca. 450 S., DM 43,-
Kattau, Thomas: Strafverfolgung nach Wegfall der europäischen Grenzkontrollen. Eine Untersuchung der Schengener Abkommen, Pfaffenweiler (Centaurus) 1993, 193 S., DM 19,80
Fekete, Liz/ Webber, Frances: Inside Racist Europe, London (Institute of Race Relations) 1994, 66 S., £ 4,75 (incl. Porto)
Wehner, Ruth: Europäische Zusammenarbeit bei der polizeilichen Terroris-musbekämpfung aus rechtlicher Sicht. Aufgezeigt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden (Nomos) 1993, 266 S., DM 78,-
Die polizeiliche Zusammenarbeit über nationalstaatliche Grenzen hinweg begann nicht erst mit dem europäischen Einigungsprozeß, hat aber durch ‚Schengen‘ und TREVI (resp. seine Neuauflage als EU-„Zusammenarbeit im Bereich Innereres und Justiz“) eine bisher nicht dagewesene Institutionalisierung und Verrechtlichung erhalten. Der geplante Wegfall der Grenzkontrollen in Europa und der dadurch befürchtete Sicherheitsverlust waren dabei der vordergründige Anlaß einer verstärkten informationellen wie praktischen Kooperation. Nach mehr als 10 Jahren ist dieses Scheinargument trotz aller Gegenbeweise immer noch wirksam – und das nicht nur in der Tagespresse.
Leuthardt bescheinigt den Grenzkontrollen nicht nur, ein „miserables Fahn-dungsinstrument“ zu sein, sondern bemüht sich um ein Panorama des neuen polizeilichen Europa, seiner Grenzen und seiner Abschottung vor allem gegen Flüchtlinge. Den Außengrenzen nach Süden und nach Osten und den „Flüchtlingen als Musterverlierern“ ist die erste Hälfte des Buches gewidmet. In weiteren Kapiteln werden die Themen Drogen, organisierte Kriminalität, Terrorismus und Staatsschutz, Informationssysteme u.a. behandelt. Das Buch ist als Handbuch konzipiert, die LeserInnen werden nicht verpflichtet, sich von der Einleitung über die mehr als 400 Seiten durchzuarbeiten. Die Kapitel können auch einzeln gelesen werden, was durch das sehr detaillierte Register erleichtert wird. Dies bedingt zwar einige Wiederholungen, erleichtert aber das schnelle Auffinden einzelner Informationen.
Kattau dagegen will dem Argument des „Sicherheitsverlustes“ auf den Grund gehen. Er untersucht daher die Filterfunktion von Grenzen mit dem Ergebnis ihrer Untauglichkeit für die Strafverfolgung. Den im Schengener Durchfüh-rungsabkommen festgelegten Ausgleichsmaßnahmen für den Wegfall der Grenzkontrollen bescheinigt er daher, daß sie keine Ausgleichsmaßnahmen im eigentlichen Sinne sind, sondern über das notwendige und geeignete hinausgehen und verfassungsrechtlich bedenklich sind (z.B. Nacheile, grenzüberschreitende Observation, Rechtshilfe).
Ebenfalls als Handbuch zur schnellen Information dient die Arbeit von Fe-kete/Webber. In zwei themenbezogenen Teilen werden die europäischen Staaten (nicht nur der EU) nach ihrem Umgang mit Nicht-StaatsbürgerInnen und unter den Kriterien rassistischer Kriminalisierung und polizeilicher Behandlung verglichen und die Bemühungen um eine Abschottung gegen Flüchtlinge und Einwanderer, die Abdichtung der äußeren Grenzen des „Clubs der zivilisierten Nationen“ dargestellt. Im dritten Teil präsentieren die Autorinnen eine nach Ländern geordnete Übersicht über Asyl- und Einwanderungspraxis, faschistische und rassistische Organisationen und wesentliche Fälle rassistischer Gewalt.
Auch wissenschaftliche Arbeiten sind, wie Wehners Dissertation wieder einmal beweist, nicht davor gefeit, staatlich produzierten Mythen auf den Leim zu gehen. Konsequenterweise liest sich daher auch ihre reichlich flache Dar-stellung diverser internationaler und europäischer Verträge zur Terrorismus-bekämpfung wie ein Forderungskatalog der Polizei. Wer hofft, durch die frühere Kriminalbeamtin eine Darstellung der konkreten Abläufe internationaler Polizeikooperation zu erhalten, wird enttäuscht.
(Martina Kant/ Heiner Busch)

Sonstiges

Bundeskriminalamt (Hg.): Bundeskriminalamt 1951-1991. Festakt zum vierzigjährigen Bestehen am 25. November 1991, Heidelberg (Kriminalistik), 1992, 80 S., DM 38,-
Wer sich feiern lassen will, ist auch verpflichtet, seinen Claqueuren eine Er-innerung mit auf den Heimweg zu geben – das scheint der Grundgedanke dieses Breviers zu sein. Also hat man aus der „Festschrift“, einem bereits über-flüssigen ca. 250-seitigen Buch (siehe Rezension in: Bürgerrechte & Poli-zei/CILIP 42 (2/92)) flugs noch eine Broschüre gebastelt. Inhaltlich konnte dabei außer Festreden und Artigkeiten nichts herauskommen.
(Otto Diederichs)

Radecke, Erich: Polizei-Abzeichen, Helme – Heraldik – Historie, Hamburg, (Soldi-Verlag), 3 Bde, insg. 620 S., DM 160,-
Der Autor, selbst ehemaliger Polizeibeamter mit entsprechender Familientra-dition, sammelt seit 1970 Polizeitschakos, -mützen, -abzeichen u.ä. Daraus entstand nun ein dreibändiges Werk. Jeder einzelne Band  (Bd. 1: bis 1918, Bd. 2: 1918-45, Bd. 3: 1945-93) ist randvoll mit Einzelheiten über die Ver-änderungen polizeilicher Kopfbedeckungen und Hoheitszeichen. Auch die im Untertitel angekündigte Historie beschränkt sich im wesentlichen auf die wechselnden politischen Rahmenbedingungen ihrer Einführungen. Aufschlußreich sind allenfalls die diversen Möglichkeiten einer Polizeikennzeichnung (wenn hierzu der politische Wille vorhanden ist).
(Otto Diederichs)

Willems, Helmut; Wolf, Marianne; Eckert, Roland: Soziale Unruhen und Politikberatung. Funktion, Ergebnisse und Auswirkungen von Untersu-chungskommissionen in den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik. Opladen (Westdeutscher Vlg.) 1993, 274 S., DM 48,-
Sind die Spuren der Krawalle auf den Straßen beseitigt, schlägt die Stunde der Untersuchungskommissionen. Ihr staatlicher Auftrag: Ursachen von sozialen Protesten und Konflikten zu ergründen und Maßnahmen vorzuschlagen, wie Ordnung und Friede wiederhergestellt werden können. Derartige Kommisionen im internationalen Vergleich (USA, GB, BRD) sind Thema der Studie, wobei Kommissionsberichte, wissenschaftliche Literatur und Interviews mit ExpertInnen, die z.T. an solchen Kommissionen teilgenommen haben, ausgewertet werden. Die AutorInnen beschreiben die Kommissionen (u.a. Kerner – USA 1967, Scarman – GB 1981, Enquete-Kommission Jugendprotest – BRD 1983), hinterfragen deren politische, gesetzliche und administrative Auswirkungen und verorten ihre Funktion im politischen Prozeß. Dabei definiert vor allem die politische Großwetterlage, ob sie herrschaftliches Instrument einer symbolischen Politik, schlichter Legitimationsbeschaffer für längst getroffene staatliche Entscheidungen bleiben oder wissenschaftlich fundiertes Mittel einer (gemäßigten) Reformpolitik werden. Leider wird die umstrittene Gewaltkommission der Bundesregierung (1990), für die die AutorInnen Gutachten geschrieben haben, in der Studie nicht diskutiert.
(Martin Winter)

Gössner, Rolf: Die vergessenen Justizopfer des kalten Krieges. Über den unterschiedlichen Umgang mit der deutschen Geschichte in Ost und West. Hamburg (Konkret Literatur Verlag) 1994, 224 S., DM 32,-
Man muß die staatliche Verfolgung von AntifaschistInnen und Kommunist-Innen in der BRD der 50er und 60er Jahre nicht unbedingt gleichsetzen mit den Machenschaften der Stasi und DDR-Justiz, um zu erkennen, daß in der aktuellen ‚Bewältigung‘ der jüngsten deutschen Vergangenheit mit zweierlei Maß gemessen wird. Daran zu erinnern, daß auch in der BRD die Aktivitäten einer politischen Sonderjustiz, des polizeilichen Staatsschutzes und der Geheimdienste zur kollektiven Kriminalisierung von über 200.000 Menschen geführt haben, dies allein ist in Zeiten einer allgemeinen Geschichtsverdrängung ein wichtiges Anliegen. Gössners Plädoyer für eine staatsferne und unabhängige Aufarbeitung der politischen Repression in beiden deutschen Staaten im Interesse der Opfer und einer demokratischen Entwicklung ist vorbehaltslos zuzustimmen.
(Britta Grell)