Redaktionelle Vorbemerkung

von Otto Diederichs

Nachdem sich Bürgerrechte & Polizei/CILIP in den zurückliegenden drei Jahren in seinen Schwerpunkten jeweils mit Einzelaspekten der inneren Si-cherheitspolitik in der Bundesrepublik beschäftigt hat, soll – aus gegebenem Anlaß – nun die ‚Politik Innerer Sicherheit‘ wieder einmal übergreifender betrachtet und analysiert werden. Da hierbei auch eine direkte Auseinander-setzung mit den ‚Leistungen‘ der Parteien notwendig ist, wurde bei der Auswahl der AutorInnen bewußt auf eine gewisse Parteienferne geachtet.

Zum Schwerpunkt:

Von den insgesamt 18 Wahlgängen dieses Jahres stehen derzeit noch 5 Landtags-, 1 Kommunal- und insbesondere die Bundestagswahl Mitte Okto-ber auf dem politischen Terminkalender. Ein wichtiger Aspekt der damit verbundenen Wahlkämpfe war und wird die innere Sicherheit sein. Besonders deutlich wurde dies vor der Europa-Wahl am 12.6.94; jeden Abend flimmerte die Nummer des eigens zur Bürgerberatung geschalteten Telefons in der CDU-Parteizentrale während ihrer Wahlwerbespots über die bundesdeutschen Bildschirme. Und das Interesse war offenbar groß: Rund 1.000 Bür-gerInnen ließen sich täglich über den Zustand der ‚Inneren Sicherheit‘ in Deutschland und Europa informieren.

Den Trend begleitend, überschlagen sich Sicherheitsbehörden und Mei-nungsforschungsinstitute mit der Veröffentlichung immer neuer Zahlen zur Kri-minalitätsentwicklung und dem Sicherheitsgefühl der Bevölkerung: Eine fein säuberlich in West und Ost aufgegliederte – ansonsten aber unkommen-tierte – Tabelle über die Hauptprobleme Innerer Sicherheit veröffentlichte ‚Die Polizei‘ im März dieses Jahres (Spitzenreiter mit 63%-West/45%-Ost ist die Drogenkriminalität).  Den Rückgang tätlicher Angriffe auf Fahrgäste oder Personal von 1.155 (1990) auf 577 (1993) stellten die ‚Berliner Ver-kehrsbetriebe‘ heraus und erklärten ihn mit dem verstärkten Einsatz privater Sicherheitsunternehmen.  62% der Einwohner Brandenburgs fürchten sich vor einem möglichen Einbruch, 59% vor einem möglichen Überfall auf der Straße, ließ der ‚Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg‘ das ‚Infas-Institut‘ ermitteln.  Die generellen Ängste der Deutschen bis zur Jahrtausendwende ließ die ‚Berliner Morgenpost‘ ermitteln. Mit 6% nimmt die Angst vor steigender Kriminalität dabei den siebten, die vor einer Zunahme von Rechtsradikalismus und Rassismus den zehnten (und letzten) Rang ein.  „Die Hemm-schwelle, Gewalt anzuwenden, scheint zu sinken“, verkündete Berlins Polizeipräsident Hagen Saberschinsky und untermauerte seine These damit, daß im ersten Halbjahr 1994 mehr als 1.360 registrierte Straftäter bewaffnet waren, die in insgesamt 501 Fällen auch geschossen haben.

Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Die Töne werden dabei erfahrungsgemäß ebenso kontinuierlich schriller werden wie die angebotenen Rezepte populi-stischer. Bereits jetzt kann der innenpolitische Sprecher von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in Berlin, Wolfgang Wieland, der Versuchung nicht mehr widerstehen, sich in den Chor jener einzureihen, deren Hymne stets mit ‚Mehr Grün auf die Straße‘ beginnt.  Angesichts solcher und der noch zu erwartenden Zahlenspiele, die dabei – je nach Blickwinkel und Absicht – zutage gefördert werden, hat sich Bürgerrechte & Polizei/CILIP die bisherigen ‚Lei-stungen‘ auf dem Gebiet der inneren Sicherheit daher etwas genauer angese-hen.

In seiner nächsten Ausgabe (erscheint Ende November) wird sich Bürger-rechte & Polizei/CILIP wieder zur genaueren Betrachtung sicherheitspolitischer Einzelfelder zurückkehren. Was hat die zunehmende Veränderung polizeilicher Arbeit in Richtung auf quasi-geheimdienstliches Agieren tatsächlich eingebracht, lautet die Fragestellung. Untersucht werden Umfang und Aus-wirkungen der verdeckten Methoden polizeilicher Verbrechensbekämpfung.

Otto Diederichs ist Redakteur und Mit-herausgeber von Bürgerrechte & Poli-zei/CILIP
Berliner Zeitung v. 1.6.94
Die Polizei 3/94
Berliner Zeitung v. 8.6.94
Der Tagesspiegel v. 6.4.94
Berliner Morgenpost v. 8.7.94
Der Tagesspiegel v. 7.7.94
Berliner Zeitung v. 6.7.94