Chronologie – Juni 1997

zusammengestellt von Martina Kant

01.06.:• Nach Angaben des Grenzschutzpräsidiums Nord haben rund 4.000 Einsatzkräfte aller zehn Ostsee-Anrainerstaaten in einem einwöchigen Großeinsatz gegen illegale Einwanderer und Schleuser den Schiffsverkehr verstärkt überwacht und Boote in Häfen und auf See kontrolliert.02.06.:• Im ‚Frankfurter Rotlichtprozeß‘ wird der frühere Kommissariatsleiter der OK-Abteilung des Frankfurter Polizeipräsdiums Siegfried Sch. wegen Geheimnisverrats und Beihilfe zur Förderung der Prostitution zu eineinhalb Jahren Haft auf drei Jahre Bewährung verurteilt. Der Kripo-Beamte hatte einen Bordellbetreiber als Informanten geführt und ihn mehrere Male vor Razzien der Polizei gewarnt.04.06.:• Im Lübecker Brandprozeß gegen den Libanesen Safwan Eid plädieren die Staatsanwälte auf Freispruch. Eine Schuld für den Brand in einem Migrantenwohnheim, bei dem zehn Menschen ums Leben kamen, habe sich nicht zweifelsfrei ergeben. Eid wird am 30.6. freigesprochen. Am 20.7. wird bekannt, daß Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) beim Jusitzministerium einen Untersuchungsbericht über die Ermittlungspannen in Auftrag gegeben hat.05.06.:• Ein Sondereinsatzkommando der hessischen Polizei stürmt in Stadtallendorf ein Haus, in dem sich ein bewaffneter Geiselnehmer verschanzt hat. Während der Täter und eine Geisel unverletzt bleiben, stirbt eine 84jährige Frau an Kreislaufversagen.

• Fünf ehemalige Bundeswehrsoldaten werden von der Jugendkammer des Detmolder Landgerichts wegen Übergriffen auf Migranten im März dieses Jahres zu Haft- bzw. Bewährungsstrafen, gemeinnütziger Arbeit und Geldbußen verurteilt. Zwei der Angeklagten bekennen sich zum rechten Spektrum.
• In Berlin wird erstmals ein Arzt wegen der Verbreitung von Kinderpornographie im Internet verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, ca. 5000 Pornovideos und Fotos über seinen Internet-Anschluß an der Humboldt-Universität angeboten zu haben. Ein sog. ‚Net-Hunter‘ hatte ihn angezeigt.06.06.:• Laut Beschluß der Innenministerkonferenz wird die Scientology-Sekte künftig bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet. Bisher setzten lediglich Bayern und Baden-Württemberg geheimdienstliche Mittel gegen die Organisation ein. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) richtet am 26.7. eine Hotline für Scientology-Geschädigte ein.07.06.:• Bei rassistischen Überfällen in Thüringen und Brandenburg werden vier Türken auf einer Autobahnraststätte mißhandelt und verletzt bzw. ein dunkelhäutiger Mann beschimpft und verprügelt. Die Tatverdächtigen werden vorläufig festgenommen.09.06.:• In Berlin beginnt der Prozeß gegen zwei Polizisten wegen Strafvereitelung im Amt und anderer Delikte. Ihnen wird vorgeworfen, einen V-Mann mit Heroin bezahlt zu haben. Am 23.6. werden sie zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt.10.06.:• Nach fünfstündigen Verhandlungen erreicht die Kölner Polizei die freiwillige Aufgabe zweier Flugzeugentführer. Die Entführung wollten die Hijacker als „Solidaritätsadresse“ an den seit 1981 in Italien inhaftierten Papst-Attentäter Ali Agca verstanden wissen.11.06.:• Nach Beschlüssen des BVerfG zu Wohnungsdurchsuchungen wird ein richterlicher Durchsuchungsbefehl nach einem halben Jahr ungültig, wenn er bis dahin nicht vollzogen wurde. Zum anderen dürfen Betroffene künftig die Rechtmäßigkeit von Durchsuchungen auch nachträglich noch überprüfen lassen. (Az.: 2 BvR 817/90 u.a., 2 BvR 1992/92 – Beschl. v. 30.4. u. 27.5.97) Am 10.7. stärkt das BVerfG in zwei weiteren Beschlüssen den Rechtsschutz gegen Polizeigewahrsam und Wohnungsdurchsuchungen. (Az.: 2 BvR 126/91 u. 2 BvR 941/91 – Beschl. v. 19./26.6.97)12.06.:• Die Justizministerkonferenz stimmt mehrheitlich einem Modellversuch zu elektronisch überwachtem Hausarrest zu. Die ‚Elektronische Fußfessel‘ soll U-Haft und kurze Freiheitsstrafen aus dem Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität ersetzen. Berlin will nun eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes starten.
• Der Vermittlungsausschuß von Bundesrat und Bundestag einigt sich über die Ausdehnung der erkennungsdienstlichen Behandlung auf (Bürger-)Kriegsflüchtlinge.
• Der Bundestag beschließt die Einführung der ‚Hauptverhandlungshaft‘. Die Änderung der StPO ermöglicht es, auf frischer Tat ertappte Täter maximal eine Woche in U-Haft zu nehmen und während dieser Zeit eine Hauptverhandlung anzusetzen.
• Auf der Suche nach den HerstellerInnen und VertreiberInnen der autonomen Zeitschrift ‚interim‘ durchsuchen 500 PolizistInnen und sechs Staatsanwälte insgesamt neun Berliner Wohnungen. Die Ermittlungen laufen wegen „öffentlicher Belohnung und Billigung von Straftaten“. 15 Personen werden festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt, u.a. werden Computer, Disketten und 950 druckfrische Exemplare der ‚interim‘ beschlagnahmt.13.06.:• Ein rechtsradikaler Skinhead wird vom Schweriner Landgericht wegen des Campingplatzüberfalls von Leisten in Mecklenburg-Vorpommern vom Sommer 1996 zu zwei Jahren Haft verurteilt. Drei weitere Angeklagte erhalten 12 bzw. 15 Monate Jugendstrafe auf Bewährung. Ein Mann wird freigesprochen.14.06.:• Bei mehreren rechtsradikalen Überfällen in Mecklenburg-Vorpommern werden ein Asylsuchender aus Togo und türkische Markthändler von Jugendlichen angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Im Uecker-Randow-Kreis wird ein alternatives Jugendzeltlager überfallen. Die Angreifer rufen rechtsradikale Parolen und verletzen einen Camper schwer.
• 2.500 Polizisten schützen einen Aufmarsch der ‚Republikaner‘ in Berlin und nehmen 19 TeilnehmerInnen einer Gegendemonstration fest.16.06.:• Zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung wird wegen mehrfacher Nötigung ein Mannheimer Polizist verurteilt. Er hatte eine Prostituierte auf dem Revier zu Nacktfotos gezwungen.18.06.:• Nach einem Beschluß des BVerfG haben in Deutschland verurteilte MigrantInnen künftig größere Chancen auf Überstellung in ein Gefängnis in ihrem Heimatland. (Az.: BvR 483/95 u.a.)19.06.:• Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) wendet sich gegen die Pläne von Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) für ein Krypto-Gesetz, das Verschlüsselung verbieten soll. Die aus Staatssekretären der beteiligten Ministerien gebildete ‚Taskforce Kryptopolitik‘ schlägt Anfang Juli die Verschiebung eines Krypto-Gesetzes für zwei Jahre vor.
• In Köln versucht ein Kriminalbeamter einem Kakadu, der ein Gebiß gestohlen hat, mittels Verhörtechniken, das Versteck des Gebisses zu entlocken. Der Vogel verweigert die Aussage.22.06.:• Rund 30 vermummte Autonome sprengen ein Treffen für eine Sonnenwendfeier der NPD-Jugend in Berlin und verletzen drei Rechtsradikale.
• Im Prozeß um den Dienstplanskandal bei der Berliner Wachpolizei wird ein Wachpolizist zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er hatte zwei Jahre lang Gehalt bezogen, ohne dafür zu arbeiten. Insgesamt waren 1995 bei 377 der 500 Wachpolizisten ‚Auffälligkeiten‘ bei den Dienstplänen festgestellt worden; in 45 der Fälle schien ein Betrug beweisbar.24.06.:• Brandenburgs Innenminster Alwin Ziel (SPD) teilt eine engere Zusammenarbeit mit Slowakien bei der Bekämpfung von Menschenschmuggel, Kfz-Verschiebung und Drogenhandel mit. Zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität sollen Polizeibeamte ausgetauscht werden.26.06.:• Der Bundestag verabschiedet eine Strafrechtsänderung zur Bekämpfung der Korruption im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft. Das Gesetz sieht eine Kronzeugenregelung und bis zu zehn Jahre Haft in besonders schweren Fällen vor. Weiterhin billigt er eine Änderung des Ausländergesetzes, wonach AusländerInnen, die sich an verbotenen Demonstrationen beteiligen, auch ohne rechtskräftige Verurteilung künftig abgeschoben werden. Der Bundesrat stimmt beiden Gesetzen am 4.7. zu.
• Wegen der Tötung eines Punks im Februar dieses Jahres wird in Magdeburg ein 17jähriger Skinhead zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt.27.06.:• Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Lüneburg bekommt auch der niedersächsische Verfassungsschutz die Möglichkeit zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gegen die ‚Republikaner‘. (Az.: 13 L 838/97)30.06.:• Vor dem Frankfurter Landgericht beginnt der Prozeß gegen den früheren Bauunternehmer Jürgen Schneider wegen (Kredit-)Betrugs und Urkundenfälschung.

Martina Kant ist Politikwissenschaftlerin und Mitarbeiterin der ‚Arbeitsgruppe Bürgerrechte‘ an der FU Berlin.

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