Bundesgrenzschutz – Eine omnipräsente und omnipotente Bundespolizei?

von Petra Pau und Katina Schubert

Freiberg im Erzgebirge, Juli 1998: Der Bundesgrenzschutz (BGS) verfolgt auf deutscher Seite einen Bus, der mit Flüchtlingen besetzt ist, die die Grenze illegal überschritten hatten. Die Verfolgung endet in einem Unfall. Sieben Flüchtlinge sterben; etliche werden verletzt. Der BGS weist jede Schuld von sich. Die Verletzten müssen die Bundesrepublik verlassen. Seit 1989 spielen sich solche Szenen an den deutschen Ostgrenzen fast täglich ab. Mindestens 70 Menschen haben seitdem dort ihr Leben gelassen.

Szenenwechsel: München Hauptbahnhof, August 1998: „Ihren Ausweis!“ Drei junge Männer werden von fünf Polizisten umringt und angeherrscht. „Warum wollen Sie meinen Ausweis kontrollieren?“, fragt einer. „Das geht sie gar nichts an, wir dürfen hier jeden und alles kontrollieren“, lautet die Antwort des BGS-Beamten. Der Mann wird zur Seite geschleudert und muß sich einer Leibesvisitation unterziehen.

Nachdem Kommunismus und Terrorismus als Hauptbedrohungen der Inneren Sicherheit und des allgemeinen westdeutschen Konsenses ausgedient hatten, traten drei neue Bedrohungsszenarien auf den Plan: die illegale Einwanderung, die organisierte Kriminalität und der Drogenhandel. Eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung und zum Teil der sog. organisierten Kriminalität, darunter die organisierte Fluchthilfe, nahm spätestens seit 1990 der Bundesgrenzschutz ein.

Seitdem rüstet die Bundesregierung, gleich welcher politischer Färbung, den BGS systematisch zur Bundespolizei mit umfassenden Kompetenzen auch in der Strafverfolgung auf. Zum Grenzschutz und zur Unterstützung der Länder-Bereitschaftspolizeien bei polizeilichen Großlagen (Fußballspiele, Demonstrationen etc.) traten sukzessiv weitere Aufgaben hinzu.

Am 1.4.1992 übernahm der BGS die Aufgaben der Bahnpolizei und den „Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs auf Flughäfen“ im ganzen Bundesgebiet. Er nimmt an internationalen Polizeimissionen teil, sofern sie in der Verantwortung der UNO, der Europäischen Union, der Westeuropäischen Union oder „sonstiger internationaler Organisationen“ stehen, so der BGS-Jahresbericht 1996/1997. Nach dem Bundesgrenzschutz-Gesetz vom 19.10.1994[1] ist der BGS überdies zuständig für den Schutz deutscher diplomatischer Vertretungen sowie Lufthansa-Vertretungen im Ausland, für den Schutz der Verfassungsorgane des Bundes und der Bundesministerien, für die Unterstützung des Bundeskriminalamtes beim Personenschutz und des Bundesamtes für Verfassungsschutz auf dem Gebiet der Funktechnik, für Hilfeleistungen bei Katastrophen und besonderen Unglücksfällen. Bei Ausrufung des inneren Notstands oder Kriegszustands bekommt der BGS nach dem Grundgesetz allgemeinpolizeiliche Aufgaben im ganzen Bundesgebiet.

Außengrenzen schützen

Herz- und Kernstück der BGS-Aufgaben ist heute der Schutz der Grenzen. Über 20.000 Sicherheitskräfte sind an den deutschen Außengrenzen der EU stationiert: 12.000 vom BGS, 5.500 vom Zoll und 2.200 von der bayerischen Grenzpolizei. 300 WasserschutzpolizistInnen unterstützen diese Armada in Hamburg und in Bremen. 12.100 Sicherheitskräfte schützen die Landgrenzen, 2.800 die Seegrenzen und 5.100 finden sich auf den Flughäfen.

Der Schwerpunkt der Grenzsicherung liegt an der 1.264 Kilometer langen Grenze zu Polen und Tschechien. Die deutsche Ostgrenze ist die bestgesicherte Grenze Europas, beteuerte stolz der ehemalige Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU). Sein Nachfolger Otto Schily (SPD) wird an Kanthers Politik der Grenzhochrüstung nicht rütteln. 6.200 BGS-BeamtInnen schieben an den Ostgrenzen Dienst, 3.100 weitere aus den anderen Behörden. Sie haben die Aufgabe, unerlaubte Einreisen von Flüchtlingen und ImmigrantInnen zu verhindern, Schlepper und Schleuser ausfindig zu machen, Urkundendelikte zu bekämpfen und das Asylrecht „umzusetzen“, mit anderen Worten Zurückweisungen, Zurückschiebungen und Abschiebungen vorzunehmen (s. Tabelle 1). Daneben sollen sie bei der Bekämpfung von Autoschiebern und Rauschgifthändlern mitwirken.

Tabelle 1: Die „Umsetzung des Asylrechts“ durch den BGS

1997 Polen CR Österreich Schweiz Dänemark Schengen See Luft
Zurückweisungen nach 16.080 16.730 22.542 18.588 6.260 160 3.827 4.082
Zurückschiebungen nach 5.589 10.254 833 867 215 2.109 16 6.785
Abschiebungen nach 2.934 197 206 27 1 245 27 34.568

Erstellt nach: Bundesgrenzschutz-Jahresbericht 1996/1997, Stand: Oktober 1998

Ihr Tätigkeitsfeld an den Außengrenzen der EU ist die Grenzlinie selbst sowie ein ins Landesinnere gestreckter Streifen von 30 Kilometern Tiefe, in dem der BGS operieren darf. Dabei bedienen sich die GrenzschützerInnen modernsten Geräts. 104 Wärmebildgeräte hat der BGS im Einsatz. Selbst bei tiefer Dunkelheit orten diese Apparate Wärmequellen. Anhand der Umrisse erkennen die BGSler, ob es sich um ein Kaninchen oder einen mutmaßlichen illegalen Grenzgänger handelt und können entsprechende Festnahmen vornehmen. Kohlendioxid-Detektoren werden bei der Durchsuchung von Lastkraftwagen eingesetzt. Sie zeigen an, ob unter den LKW-Planen menschliche Atemluft ausgestoßen wird. Nachtsichtgeräte und scharfe Diensthunde helfen bei der Jagd nach illegalen EinwanderInnen und FluchthelferInnen. Hinzu kommen geländegängige und wendige Fahrzeuge, Hubschrauber und Schnellboote auf der Oder und entlang der Ostseeküste. 200 Mio. DM will Innenminister Schily alleine in diesem Jahr für die Beschaffung weiterer Ausstattung für den BGS ausgeben. Das sind „trotz der allgemeinen Sparzwänge“ 20% mehr als 1998. In einer Pressemitteilung vom 24.2.1999 stellte Schily klar, daß er die Politik seiner CDU-Vorgänger fortsetzen wird.

Feindbild Schleuser

„Die fortschreitende Internationalisierung und das arbeitsteilige Vorgehen von Straftätergruppen stellen immer höhere Anforderungen an den Bundesgrenzschutz“, stellt der Jahresbericht 1996/97 fest. Dagegen setzt der BGS auf „zielorientierten Einsatz personeller und materieller Ressourcen, flexible, auf hohe Mobilität setzende vernetzte Grenzsicherungsmaßnahmen, Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Sicherheitsbehörden durch Austausch von Lagebildern“ sowie „gemeinsame Analysen und aufeinander abgestimmte Einsatzkonzeptionen“. Hauptgegner sind: Flüchtlinge und MigrantInnen, die unerlaubt die deutschen Grenzen überschreiten, sowie Schlepper und Schleuser, die ihnen den Weg dorthin weisen.

Dabei geht der BGS von einem völlig undifferenzierten Schlepper- und Schleuser-Bild aus. Es gibt zweifellos skrupellose Menschenhändler, die sich die Neuregelungen des Asylrechts von 1993 zunutze machen und neue Geschäftsfelder entdeckt haben. Genauso gibt es Personen, die für wenig oder gar kein Geld Bekannten und FreundInnen den Weg über die Grenze zeigen – ohne kommerzielles Interesse und ohne organisierten Bandenstrukturen anzugehören. In den Geruch der Schleuserei geraten aber auch Personen, die im Grenzgebiet ihrem ganz normalen Gewerbe nachgehen. So ist es bislang etlichen TaxifahrerInnen im Dreiländereck von Deutschland, Polen und Tschechien bei Zittau widerfahren. Sie haben illegal eingereiste Menschen befördert, wurden vom BGS gestellt und sind wegen Verstößen gegen § 92 Ausländergesetz zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Die ersten beiden Taxifahrer sitzen bereits im Gefängnis. Weitere Verfahren laufen nicht nur in Sachsen, sondern auch in Brandenburg und in Berlin. Die Anklagebehörden werfen den Taxifahrern vor, sie hätten wissentlich und mit Gewinninteressen den AusländerInnen die unerlaubte Einreise in die Bundesrepublik ermöglicht. Die Antwort auf die naheliegende Frage, wie ein Taxifahrer erkennen soll, ob es sich bei einer Person um einen Menschen mit legalem oder illegalem Aufenthaltsstatus handelt, bleibt der BGS schuldig. In einer Flugblattkampagne in der Grenzregion ruft er die Bevölkerung auf, verdächtige Personen oder Bewegungen entlang der Grenze sofort an die nächste BGS-Inspektion zu melden. TaxifahrerInnen und anderen MitarbeiterInnen von Transportunternehmen rät der BGS: „Lassen Sie sich nicht von Schleuserbanden mißbrauchen. Nehmen Sie keine offensichtlich illegal eingereisten Personen in Ihrem Fahrzeug mit. Das in Deutschland bestehende Asylrecht für politisch Verfolgte wird durch illegal eingereiste Personen, die aus rein wirtschaftlichen oder sonstigen – einschließlich krimineller Absichten – Gründen einreisen, mißbraucht. Sie bedienen sich dabei immer mehr professioneller Schleuserbanden, die aus menschenverachtendem Gewinnstreben handeln.“ Der Erfolg dieser Kampagne liegt auf der Hand: Menschen ausländischen Aussehens können zumindest in den ostdeutschen Grenzregionen kaum mehr damit rechnen, befördert zu werden. Wer „ausländisch“ aussieht, ist grundsätzlich verdächtig, illegal zu sein. Nach diesem Motto verfährt der BGS entlang der Grenzen, auf Flughäfen und in Bahnhöfen.

1997 hat der BGS 2.023 mutmaßliche Schleuser festgenommen. Sie sollen 8.288 Menschen geschleust haben. 1996 waren es ein paar mehr Schleuser, aber weniger Geschleuste, was den BGS darauf schließen läßt, daß der Trend zu „geschleusten Großgruppen“ geht. Tatsächlich nimmt der BGS aber weitaus mehr Menschen an den Grenzen fest, als der Statistik zu Schleusern und Geschleusten zu entnehmen ist. 40.000 unerlaubt eingereiste Personen stellten die GrenzschützerInnen im vergangenen Jahr insgesamt. 1997 waren es 35.200, 1996 27.000 und 1995 29.600 Aufgriffe.

Der Schwerpunkt lag wie in den Vorjahren an den Ostgrenzen zu Polen und der Tschechischen Republik. Allerdings haben sich dort die Schwerpunkte zuungunsten Tschechiens verschoben. 1997 wurden an den Ostgrenzen insgesamt 23.089 illegal eingereiste Personen aufgegriffen, davon 8.699 an der Grenze zu Polen und 14.390 an der Grenze zu Tschechien. 1996 verhielt sich das noch umgekehrt: An der polnischen Grenze liefen 11.171 Menschen den GrenzpolizistInnen in die Arme, an der tschechischen Grenze nur 10.805. Laut Bundesinnenministerium (BMI) hat die intensivere Zusammenarbeit mit den polnischen Grenzschutzbehörden in Sachen Daten- und Informationsaustausch sowie gemeinsame Kontrollgänge im Grenzgebiet dafür gesorgt, daß die Schleuserbanden ihre Routen stärker Richtung Tschechien gelegt haben. An der deutsch-österreichischen Grenze wurden 2.664 unerlaubte Einreisen vermerkt.

Migrationsströme auf Wanderschaft

Infolge der Abschottung der Ostgrenze verschieben sich die Fluchtwege mehr und mehr an die westlichen Binnengrenzen zu den Vertragsstaaten des Schengener Abkommens. Dort stieg die Zahl der Aufgriffe illegale eingereister Personen von 1.473 im Jahre 1996 auf 5.507 1997. Der größte Teil der Aufgegriffenen kam über Frankreich (4.387). Der Rest reiste über die Niederlande (778), Belgien (227) und Luxemburg (115). Hinzu kommen 1.974 an der Grenze zur Schweiz und 242 an der zu Dänemark.

An den Schengener Binnengrenzen zu Frankreich und den Benelux-Staaten gibt es seit Inkrafttreten des Abkommens am 26.3.1995 keine förmlichen Grenzkontrollen mehr. 1987 arbeiteten hier 780 BGS-BeamtInnen. Heute sind es noch 250 BGS-Dauereinsatzkräfte, die in elf Kontaktdienststellen gemeinsam mit GrenzerInnen der Nachbarstaaten die Grenze überwachen. Grundlage der gemeinsamen Tätigkeit sind bilaterale Polizeiabkommen, die die Bundesregierung mit Luxemburg, den Niederlanden, Frankreich und Österreich geschlossen hat.

Tatsächlich hält der BGS jedoch nicht weniger Personal an den Binnengrenzen vor als in den 80er Jahren. Denn im Hinterland arbeiten derzeit 500 mobile Kräfte der Einsatzverbände, die gemeinsam mit den Länderpolizeien und dem Zoll den „Sicherheitsschleier“ entlang der Grenzen organisieren. Kurz- bis mittelfristig, so der jüngste BGS-Jahresbericht, wird der BGS seine Dauereinsatzstärke auf rund 1.000 BeamtInnen erhöhen. Damit stehen mehr BGS-Kräfte an den Westgrenzen als vor Inkrafttreten des Schengener Abkommens.

Da den Polizeien die Grenzkontrollen als „Kriminalitätsfilter“ verloren gegangen sind, überwachen sie jetzt den gesamten Grenzverlauf bis weit ins Landesinnere hinein. Dem BGS stand dabei zunächst nur die 30-Kilometer-Zone zu. Bayern und Baden-Württemberg waren die ersten Bundesländer, die mit ihren Landespolizeien den „Sicherheitsschleier“ der verdachtsunabhängigen Kontrollen über die 30 Kilometer-Zone hinaus auf alle Durchgangsstraßen und Autobahnen ausweiteten. Inzwischen haben die meisten Bundesländer nachgezogen. Im Mai 1998 verabschiedete der Bundestag schließlich eine Änderung des BGS-Gesetzes, die es auch den GrenzschützerInnen erlaubt, im Landesinnern – jenseits der 30-Kilometer-Zone, auch in fahrenden Zügen – ohne Verdacht zu kontrollieren. Der Wegfall der Schengener Binnengrenzen diente damit als Begründung dafür, das ganze Land zum Grenzgebiet zu machen.

Diese Entwicklung war bereits angelegt, als der BGS im April 1992 die Aufgaben der Bahnpolizei und Luftsicherheit übernommen hat. Seit Einführung des Sicherheitsschleiers auf den Straßen hätten sich Schmugglerrouten zunehmend auf die Bahnstrecken verlagert, ist aus Sicherheitskreisen zu hören. Deshalb müsse der Bahnverkehr verstärkt überwacht werden. Tatsächlich ist die BGS-Präsenz auf den Bahnhöfen in den letzten Monaten sinnlich erfahrbar. Kein Zug kommt mehr an, ohne daß die Reisenden genau beobachtet werden.

Der Löwenanteil von Straftaten in und um die Bahn sind indessen Diebstähle und Sachbeschädigungen. Während diese beiden Deliktgruppen 1997 jeweils rund 23% aller Straftaten im Bereich der Bahn ausmachten, beliefen sich Verstöße gegen das Ausländergesetz und das Asylverfahrensgesetz auf noch nicht einmal 5%. Bei besonderen Anlässen zur Gefahrenabwehr sind die BGS-Beamten im Jahr 1997 über 75.000 mal zu Zugbegleitungen zur Verhinderung von Vandalismus und Gewalt in Nahverkehrszügen und S-Bahnen herangezogen worden. 37.800 Einsätze zum Absuchen von Gleisstrecken zählt die Statistik, 1.600 Einsätze bei Nukleartransporten und 3.500 Zugbegleitungen mit gewaltbereiten und gewalttätigen Fußballfans. Als Brennpunkte des Kriminalitätsgeschehens auf den Bahnhöfen nennt der Jahresbericht 1996/1997 wie für die Vorjahre die Ballungsgebiete Rhein/Main, Rhein/Ruhr, Berlin, Hamburg, Hannover, München und Stuttgart.

Tabelle 2: Organisationsübersicht des BGS

BGS-Organisation seit 1.4.1992 BGS-Organisation seit 1.1.1998
5 Grenzschutzpräsidien (GSP) 5 Grenzschutzpräsidien
18 Grenzschutz- und Bahnpolizeiämter mit nachgeordneten 102 Grenzschutzstellen, 65 Bahnpolizeiwachen mit 103 Bahnpolizeiposten; 1 Bundesgrenzschutz See 19 Bundesgrenzschutzämter mit je einer Inspektion Verbrechensbekämpfung (nicht bei BGS-Amt See) und nachgeordneten 98 regionalen Bundesgrenzschutzinspektionen
1 reine Einsatzabteilung, 20 gemischte (Einsatz/Ausbildung-, Einsatz/Technik-)Abteilungen mit 43 Einsatz-, 17 Ausbildungs- und 3 Technischen Hundertschaften, 21 Stabshundertschaften/Stabseinheiten 11 reine Einsatzabteilungen mit zusammen 31 Einsatzhundertschaften (davon 5 Zugriffshundertschaften), 11 Unterstützungseinheiten (6 mit leichtem, 1 mit mittelschwerem, 4 mit schwerem Technischen Einsatzdienst)
Grenzschutzschule in Lübeck mit Außenstellen in Schwandorf und Swisttal, 5 Ausbildungsabteilungen, 4 Schulen der Grenzschutzpräsidien Grenzschutzschule in Lübeck mit integrierten Fachgruppen Bahnpol. und Grenzpol./Luftsicherheit, 5 Aus- und Fortbildungszentren der GSP
Grenzschutzgruppe Bonn mit 1 Unterstützungseinheit, 1 Einsatzhundertschaft, 1 Technischen Hundertschaft und 6 Objektschutzeinheiten Organisation zum Schutz von Verfassungsorganen in Berlin (reduziert auf 5 Schutzobjekte), Objektschutz in Bonn läuft mit Regierungsumzug aus
1 Fliegergruppe mit 5 Fliegerstaffeln wie bisher, aber personell aufgestockt
1 GSG 9 wie bisher
Fernmeldedienste GSP West (Gruppe Fernmeldewesen, Führungsfernmelde- und Unterstützungseinheit IuK) 1 Zentralstelle für Informations- und Kommunikationswesen (seit 1.11.1996)
4 Musikcorps, 1 Sportschule, 2 Grenzschutzverwaltungsstellen, 1 Vorprüfstelle 3 Musikcorps, 1 Sportschule, 1 Grenzschutzverwaltungsstelle, Vorprüfstelle zum 31.12.1997 aufgelöst
Grenzschutzdirektion mit Organisationsteilen: Fürsorge- und versorgungsärztlicher Dienst in Bonn, Grenzschutzdienste in Bonn wie bisher

Aus: Bundesgrenzschutz-Jahresbericht 1996/1997, Stand: Oktober 1998

Von diesem Tätigkeitsprofil des BGS als Bahnpolizei nahm auch Ex-Bundesinnenminster Kanthers Idee ihren Ausgang, „Sicherheitsnetze“ in den großen Städten zu bilden. Nach dem New Yorker Vorbild, das auch kleinkriminelle Aktivität im Keim ersticken will, warb Kanther dafür, BGS und Landespolizeien gemeinsam in den großen Städten gegen jede Form abweichenden Verhaltens vorgehen zu lassen.

Strukturwandel

Mit den Aufgaben hat sich auch die Struktur des BGS grundlegend gewandelt. 1951 gegründet als paramilitärische Organisation, entwickelte sich der BGS in den 60er Jahren zur Verbandspolizei. Seit der Änderung des BGS-Gesetzes 1972 wurde der BGS zur bereitschaftspolizeilichen Reserve des Bundes, die bei kaum einer Großdemonstration fehlte. Der Grenzschutz-Einzeldienst spielte dagegen nur eine marginale Rolle. Erst mit der Reform 1992 wurde die Entwicklung zum Einzeldienst eingeleitet, die mit der Anfang 1998 in Kraft getretenen Organisationsreform weitgehend vollendet ist. Heute nimmt der BGS 80% seiner Aufgaben im Einzeldienst wahr. Im April 1992 waren es nur 10%. Mit dem Anwachsen der Aufgaben nahm auch die personelle Stärke des BGS kontinuierlich zu. 1989 mußte das BMI für die BGS-Beschäftigten rund 960 Mio. DM zahlen. 1998 waren es knapp 2,4 Milliarden DM, zweieinhalbmal soviel.

Für 1999 weist der BGS-Haushalt rund 38.000 Planstellen aus, davon knapp 29.500 für Polizeivollzugsbeamte und 8.500 für Verwaltungspersonal. Seit 1991 hat der BGS 14.000 Einstellungen vorgenommen (laut Jahresbericht 1996/97), darunter auch die politisch umstrittenen Grenzpolizeilichen Unterstützungskräfte (GUK). Diese warb der BGS ab 1993 in den Grenzregionen gezielt für zunächst drei Jahre an, um sein damaliges Personalloch an den deutschen Ostgrenzen zu decken. Eine polizeiliche Ausbildung war nach damaliger Ansicht der Bundesregierung nicht nötig. In sechswöchigen Crash-Kursen wurden die GUK für ihre Aufgabe von vollausgebildeten Grenzschützern trainiert. Mehr als 1.000 der ursprünglich 1.600 GUK wurden in Dauerarbeitsverhältnisse übernommen – laut Jahresbericht 1996/1997 ein wichtiger „beschäftigungspolitischer Beitrag in den Grenzregionen der neuen Bundesländer zu Polen und Tschechien mit besonderer Arbeitslosigkeit“. Mit diesem arbeitsmarktpolitischen Engagement ist es jetzt vorbei. Ausscheidende GUK werden nicht mehr durch Neueinstellungen ersetzt. Auch sonstige Einstellungen wird der BGS in nächster Zeit kaum mehr vornehmen.

Die Mehrausgaben für das Personal resultieren aus der Umstrukturierung des BGS zum einzelpolizeilichen Dienst und der Anpassung der Stellenpyramide an die der Länderpolizeien. Dazu hat BMI Schily 1.050 Stellen angehoben, davon 700 innerhalb des mittleren Dienstes, 300 vom mittleren in den gehobenen Dienst (Polizeikommissare, -oberkommissare und -hauptkommissare) und 50 vom gehobenen in den höheren Dienst. Seit 1993 versucht der BGS, den Dienst „attraktiver“ und lukrativer zu gestalten, um die hohe Fluktuation der Beschäftigten zu drosseln. Bis dato wechselt ein großer Teil der BeamtInnen nach fünf Jahren Dienst zu den Länderpolizeien, wo die Aufstiegschancen besser sind. Bis 2010 will die Bundesregierung den Anteil des gehobenen Dienstes von jetzt 15,4 auf 20% der Polizeivollzugsbeamten steigern. „Bei seiner Nachwuchsgewinnung und bei seinem Bedarf an Führungspersonal kann der Bundesgrenzschutz in Zukunft nur über eine Angleichung seiner Personalstellenstruktur an die der Länderpolizeien leistungs- und wettbewerbsfähig bleiben“, heißt es dazu in den Erläuterungen des BMI zum Bundeshaushalt 1999.

Neue corporate identity?

Mit wem konkurriert eine Polizei, mag man sich verwundert fragen. Zumal die Bundesregierung eifrig bemüht ist, ihre Polizei, den BGS, via Sicherheitsschleier und Sicherheitspartnerschaften in den Städten in ein enges Netzwerk mit den Länderpolizeien einzubinden und damit mehr Einfluß auf die Polizeientwicklung insgesamt zu entfalten. Vermutlich gehört der Wettbewerbsgedanke genauso zum Image des BGS als moderner Polizei wie das „Leitbild“ vom Mai 1998. „Als Polizei des Bundes leisten wir einen Beitrag zur Sicherheit der Menschen in unserem Lande“, lautet dessen erster Sinnspruch. „Offenheit, Ehrlichkeit und gegenseitige Akzeptanz prägen unser Miteinander“, heißt es weiter. Der BGS will Eigenverantwortung auf allen Ebenen durch kooperative Führung fördern, Engagement und Leistung anerkennen und fördern, Aus- und Fortbildung vorantreiben. Ob dieses Leitbild Grundlage einer neuen „corporate identity“ wird und das im BGS besonders weit verbreitete polizeiliche Korpsdenken ablöst, bleibt indessen fraglich.

Petra Pau (MdB, PDS) ist Mitglied des Bundestags-Innenausschusses.
Katina Schubert ist Journalistin und Mitarbeiterin im Bundestag.
[1] BGBl. I 1994, Nr. 72 v. 25.10.1994, S. 2978 ff.

Bild: Wikipedia (Bundesarchiv, B 145 Bild-F054217-0020 / Wienke, Ulrich / CC-BY-SA 3.0, Bundesarchiv B 145 Bild-F054217-0020, Bundesgrenzschutz, GSG 9, CC BY-SA 3.0 DE)

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