von Heiner Busch
Am 24. Dezember 1999 werden die deutschen ZollfahnderInnen nicht nur Weihnachten feiern können. Der Zollfahndungsdienst (ZFD) wird 80. Wer in Polizeifachzeitschriften nach Artikeln über die Kriminalpolizei der Zollverwaltungen und ihre Zentralstelle, das Zollkriminalamt (ZKA), sucht, wird jedoch nicht viel finden. Der ZFD wird häufig weder von seinen polizeilichen PartnerInnen, noch von der Polizeikritik für voll genommen. Zu Unrecht.
Die fehlende Aufmerksamkeit gegenüber dem Zoll dürfte u.a. darin begründet sein, daß er dem Bundesfinanzministerium und nicht den Innenministerien unterstellt ist. Tatsächlich sind die Zollbehörden in erster Linie Verwaltungsbehörden. Ihnen obliegt die Verwaltung von Zöllen und Verbrauchssteuern, die Anwendung der EG-Zoll- und Agrarregelungen, die Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und damit zusammenhängend auch jener Verbote und Beschränkungen, die sich aus diversen Gesetzen ergeben – vom Betäubungsmittel- und Kriegswaffenkontrollgesetz bis hin zum Geflügelfleischhygienegesetz. Diese Verwaltungsaufgabe wird großenteils von den 21 Oberfinanzdirektionen sowie den ihnen nachgeordneten 113 Hauptzollämtern (HZÄ) durchgeführt. Den HZÄ in Grenznähe ist ferner der Zollgrenzdienst (ZGD) mit den Zollabfertigungsstellen, -kommissariaten und Grenzaufsichtsstellen angeschlossen. Die meist uniformierten ZGD-BeamtInnen teilen sich mit dem BGS die Aufgaben der Grenzkontrolle und -überwachung.
Der Zollfahndungsdienst mit dem ZKA an der Spitze bildet einen eigenen Strang in der Zollverwaltung. Die Zollfahndungsämter als „örtliche Behörden“ des ZFD sind bei den 21 Oberfinanzdirektionen angesiedelt. Hinzu kommen weitere 29 Zweigstellen. Dieser kriminalpolizeiliche Teil des Zolls kann von den Finanzbehörden mit steuerlichen Ermittlungen und Betriebsprüfungen betraut werden. Er ermittelt Steuerstraftaten und -ordnungswidrigkeiten sowie die jeweilige Besteuerungsgrundlage und soll unbekannte Steuerfälle aufdecken (§ 208 Abgabenordnung – AO).
Sein Aktionsradius ist also keineswegs nur das Grenzgebiet, sondern das gesamte Inland. Gerade weil eine Vielzahl von Ein- und Ausfuhrverboten im Strafrecht und in strafrechtlichen Nebengesetzen verankert ist, ist sein Gegenstand auch nicht auf reine Zoll- und Steuerdelikte beschränkt. Als HilfsbeamtInnen der Staatsanwaltschaft stehen den ZFD-Bediensteten alle Befugnisse zu, die auch der Polizei nach der Strafprozeßordnung zur Verfügung stehen (§ 404 AO). Daneben eröffnet die Aufgabe, unbekannte Steuerfälle aufzudecken, ein weites Vorfeld für Ermittlungen und Zwangsmaßnahmen ohne jeglichen Anfangsverdacht. Für seinen Tätigkeitsbereich stehen dem ZFD nicht weniger, sondern mehr Befugnisse zu als der Polizei.
Verdeckte Ermittlungsmethoden haben beim Zoll eine lange Tradition. Schon in seinem Gründungserlaß vom 24.12.1919 gab der Reichsfinanzminister den Zollfahndern die Berechtigung zur Führung von „Geheimagenten“ und V-Leuten. Verdeckte Methoden hat der ZFD in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere bei Drogenermittlungen praktiziert. 1983 griff der ZFD auf dem Frankfurter Flughafen erstmals zu dem Instrument der Kontrollierten Lieferung, lange bevor polizeiliche Stellen nachzogen. 1992 praktizierte der ZFD ca. 200 solcher Operationen, vor allem im Luftverkehr. Der ZFD verfügt ferner über eigene Observationseinheiten.
Vom Institut zum Amt – das ZKA als Zentralstelle
Der Vorläufer des heutigen ZKA, das Zollkriminalinstitut (ZKI), ging 1952 aus der Zusammenlegung des Zollkriminalwissenschaftlichen Laboratoriums (Köln) und der Zentralen Zollnachrichtenstelle (Frankfurt/M.) hervor. Die Rolle des ZKI blieb in den ersten Jahrzehnten die einer Zentrale für den Informationsaustausch und für kriminaltechnische Untersuchungen – vor allem bei Verdacht auf Urkundenfälschung. Mit dem Steuerbereinigungsgesetz von 1986 erhielt das ZKI erstmals eine gesetzliche Grundlage und zugleich neue Befugnisse. Als „örtliche Bundesbehörde“ konnte es nun – wie andere Zollfahndungsämter – eigenständig und bundesweit Ermittlungen führen. Trotz seines Status als zentralem Zollfahndungsamt konnte das ZKI zunächst den örtlichen Fahndungsämtern keine Weisungen erteilen. Mit der Änderung des Finanzverwaltungs- und anderer Gesetze sollte sich dies 1992 ändern. Unter dem neuen Namen wurde das ZKA nun zu einer Bundesoberbehörde. Zwar ist der ZFD nach wie vor vergleichsweise dezentral, das ZKA kann aber anders als sein Vorläufer den lokalen Zollfahndungsämtern Weisungen und Aufträge erteilen und die Richtung der Ermittlungen bestimmen. Es verfügt damit im Gegensatz zum BKA, das auf die Polizeien der Länder keinen unmittelbaren Einfluß hat, über einen lokalen Unterbau. Mit der neuen Stellung wurde das ZKI/ZKA auch personell aufgestockt. Von ca. 100 BeamtInnen 1989 wuchs das Amt auf ca. 400 fünf Jahre später.
Mit der gleichen Gesetzesänderung erhielt das ZKA eine außerordentliche Ermittlungsbefugnis. Nach Art. 39 Außenwirtschaftsgesetz kann es auch im Vorfeld von Straftaten und damit ohne richterliche Anordnung wie ein Geheimdienst Telefone und Post überwachen. Den Anstoß zu dieser Regelung bildete 1989 die Rabta-Affäre um die Lieferung von Giftgasproduktionsanlagen nach Libyen. Die neue Befugnis sollte vor allem den US-amerikanischen KritikerInnen demonstrieren, daß die BRD für ähnliche Fälle in der Zukunft besser gerüstet sei. In welchem Umfang solche Vorfeldüberwachungen vom ZKA betrieben werden, ist völlig unklar. Schlüsselfunktionen kommen dem ZKA auch bei anderen operativen Einsätzen des Zolls zu: Das ZKA stellt für den gesamten ZFD Verdeckte Ermittler zur Verfügung, die von ihm angeworben und ausgebildet werden. Es sorgt zudem für deren Infrastruktur und Legenden. Im April 1993 begann der Aufbau einer Zentralen Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ) „für planbare, besonders gefährliche Einsätze im Rahmen der Bekämpfung der organisierten Wirtschafts- und Rauschgiftkriminalität“, die das Pendant zu den Mobilen Einsatzkommandos des BKA darstellen soll.[1]
Die Zentralisierung und Auswertung von Informationen blieb eine der wichtigsten Aufgaben des ZKA. Seit 1980 führt das ZKI die Datenbank INZOLL, in der Personen- und Falldaten aus allen Bereichen der ZFD-Tätigkeit gespeichert werden. Abfrage- und eingabeberechtigt ist nicht nur das ZKA, sondern der gesamte Zollfahndungsdienst. Für Ermittlungen von Verstößen gegen das Außenwirtschafts- und das Kriegswaffenkontrollgesetz führt das ZKA ferner das Informationssystem KOBRA. Daneben gibt es eine Reihe von Berührungspunkten mit der polizeilichen EDV: Daten über Drogenfälle werden nicht nur in INZOLL, sondern auch in der vom BKA geführten Falldatei Rauschgift (FDR) gespeichert. Das ZKA kann auch auf INPOL-Daten zugreifen. In INPOL-Fahndung kann das Amt ferner Personen zur „zollrechtlichen Überwachung“ – dem Gegenstück der polizeilichen Beobachtung – ausschreiben.
Zentralstellenfunktion übernahm das Kölner Amt auch für eine Reihe von internationalen Zoll-Datensystemen für die Drogenbekämpfung: MAR-Info und Yacht-Info werden im Rahmen der dritten Säule der EU betrieben und dienen als informationelles Hilfsmittel bei den mehrmals jährlich durchgeführten großangelegten maritimen Kontrollaktionen. An dem Informationsaustausch nehmen nicht nur EU-Staaten teil. Der Kreis ist im wesentlichen derselbe wie bei den unter dem Dach der Weltzollorganisation betriebenen Systemen CARGO-Info für Daten über den Luftfrachtverkehr und Balkan-Info für Kontrollen auf der Balkan-Route.
Die internationale Zusammenarbeit ist offensichtlich eine Stärke des ZFD. Neben der Rechtshilfe steht dem Zoll ein eigener Amtshilfeweg zu, der in diversen bi- und multilateralen Zollunterstützungsabkommen fixiert ist. Antworten auf Ersuchen sind gerichtsverwertbar. Während die über Interpol-Kanäle vermittelten polizeilichen Rechtshilfeersuchen immer über das BKA als Nationales Interpol-Zentralbüro gesteuert werden müssen, können die Zollbehörden in unmittelbaren Verkehr treten. Das ZKA wird in der Regel nur nachträglich informiert. Eine Stärkung erhalten die Zoll-Zentralstellen dagegen durch das 1997 unterzeichnete EU-Zollamtshilfeabkommen (Neapel II), das zentrale Koordinationsstellen für gemeinsame Ermittlungsgruppen, Kontrollierte Lieferungen sowie grenzüberschreitende Observationen und verdeckte Einsätze fordert.
Gemeinsam mit der Polizei
Von der Flexibilität der Zoll-Amtshilfe profitiert auch die Polizei im Rahmen von Gemeinsamen Ermittlungsgruppen. Die erste Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift (GER) wurde 1970 in Hamburg organisiert. Ende der 70er Jahre folgten die anderen Stadtstaaten. Der Nationale Rauschgiftbekämpfungsplan von 1990 und eine Zusammenarbeitsrichtlinie von 1991 gaben den Impuls für die flächendeckende Einrichtung solcher Gruppen. 1993 schufen BKA und ZKA eine erste Gemeinsame Finanzermittlungsgruppe (GFG). Einige Bundesländer sind mittlerweile diesem Beispiel gefolgt. Gemeinsam gehen Zoll, Polizei, Arbeitsämter und Ausländerbehörden auch gegen Schwarzarbeiter vor.
Offenkundig ist, daß der Zoll in seiner polizeilichen Funktion immer größere Bedeutung erlangt.