Noch keine Unterzeichnung der Rechtshilfekonvention

Auf der Ratstagung vom 2. Dezember 1999 waren sich die MinisterInnen einig, dass sie das Rechtshilfeübereinkommen auf der folgenden Sitzung vom 27. März 2000 unterzeichnen würden. Dies ist ihnen nicht gelungen, zum einen weil die Mitgliedstaaten selbst nach wie vor eine Vielzahl von Vorbehalten aufrechterhielten. Zum anderen hat auch das Europäische Parlament (EP) am 17. Februar insgesamt 64 Änderungswünsche zum Teil grundsätzlicher Natur geltend gemacht. Beabsichtigt ist nun eine Unterzeichnung auf der nächsten Ratstagung im Mai.
Über das Abkommen wird seit 1996 verhandelt. Zu Beginn konzentrierte man sich tatsächlich auf eine Vereinfachung der Rechtshilfe im engeren Sinne, d.h. der Zusammenarbeit der Justizbehörden. Es galt, das Europaratsabkommen über die Rechtshilfe von 1959 für den Verkehr zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu erweitern – u.a. durch Zulassung des unmittelbaren Geschäftsweges zwischen den Justizbehörden. Schon in frühen Entwürfen waren aber Spontanübermittlungen ohne vorheriges Ersuchen sowie Video- und Telefonvernehmungen von ZeugInnen und Angeklagten in einem anderen Staat enthalten.

Befördert durch die Empfehlungen der „Hochrangigen Gruppe Organisierte Kriminalität“ vom Juni 1997 wurde das Abkommen angereichert mit Regelungen über polizeiliche Zusammenarbeit: zur Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen, zu kontrollierten Lieferungen, zum grenzüberschreitenden Einsatz verdeckter Ermittler und schließlich zur Überwachung der Telekommunikation. Diese Fragen waren zwischenzeitlich für ein Zusatzprotokoll vorgesehen, wurden aber in den letzten Entwürfen als Titel III wieder in die Konvention selbst integriert.
Die Konvention sieht dabei nicht nur die Überwachung eines Anschlusses auf Ersuchen eines anderen Staates vor, sondern bezieht sich insbesondere auf neue Formen der Telekommunikation, die zum einen anders als traditionelle Telefon-Festnetze nicht an nationale Grenzen gebunden sind (bestimmte Formen der Mobil-, insb. der neuen Satellitentelefonie, E-Mail) und zum anderen neue Formen der Überwachung ermöglichen.
So gibt es für das Satellitentelefonnetz Iridium in Europa bisher nur eine einzige Bodenstation, nämlich in Italien. Eine Überwachung über diese Station würde erfordern, dass in jedem Falle ein Rechtshilfeersuchen an Italien zu richten wäre, selbst wenn die Zielperson nur im Inland eines anderen Mitgliedstaates telefoniert. Dies soll durch den in Art. 17 enthaltenen Fernüberwachungsansatz (remote approach) ausgeschlossen werden. Der Artikel verpflichtet die nationalen Dienste-Anbieter, die technischen Voraussetzungen für eine inländische Überwachung zu garantieren.
Art. 18 bezieht sich auf den Fall, dass die Überwachung einer Person in einem anderen Staat auch ohne dessen technische Hilfe möglich ist. Der Aufenthaltsstaat muss in diesem Falle unterrichtet werden. Strittig war dabei u.a., ob das Nicht-Reagieren des Aufenthaltsstaates als Zustimmung gewertet werden soll und ob ein Beweisverwertungsverbot erst ab dem Zeitpunkt des Widerspruchs oder rückwirkend seit dem Beginn der Überwachung zu gelten habe.

Strittig war ferner die Rolle des britischen Inlandsgeheimdienstes, der nach nationalem Recht auch mit Kriminalitätsfragen beschäftigt ist und Überwachungsbefugnisse hat, aber als Geheimdienst seine Überwachungsaktivitäten auch gegenüber der Justiz nicht offen legen möchte. In einer britischen Zusatzerklärung soll nun festgelegt werden, dass der Security Service bei grenzüberschreitenden Lauschaktionen auch an die Unterrichtungspflicht nach Art. 18 gebunden ist.

Das EP fordert nicht nur, die Menschenrechtskonvention des Europarats und insbesondere das Recht auf Verteidigung besser zu berücksichtigen, sondern auch Art. 18 zu streichen. Weitergehende Änderungsanträge der grünen Fraktion (Streichung des gesamten Titels III sowie der Regelungen über Gemeinsame Ermittlungsgruppen, kontrollierte Lieferungen und Verdeckte Ermittlungen) fanden dagegen keine Mehrheit.

(Heiner Busch)