Bedrohung durch „Organisierte Kriminalität“

Am 3.7.2000 stellte Bundesinnenminister Otto Schily das „Lagebild ‚Organisierte Kriminalität 1999‘“ vor. Unter dem seit Jahren bei der Präsentation der Lagebilder genutzten Motto „Stagnation auf hohem Niveau“[1] wurden die neuesten Zahlen über das Ausmaß von Organisierter Kriminalität (OK) in Deutschland präsentiert. Trotz der leicht rückläufigen Zahlen, so der Innenminister, stelle OK „weiterhin eine ernstzunehmende Gefahr für die Innere Sicherheit in unserem Land“ dar.[2] Statt auf „Stagnation“ deuten die Angaben jedoch eher darauf hin, dass die OK-Bedrohungsszenarien, mit denen im vergangenen Jahrzehnt Politik betrieben wurde, maßlos an der Wirklichkeit vorbeigingen: Im vierten Jahr in Folge ging die Zahl der geführten OK-Ermittlungsverfahren auf 816 zurück.

Seit 1992 (vorher gab es keine jährlichen Lagebilder) wurde noch nie gegen weniger Personen wegen OK-Verdacht ermittelt (7.777). Mit 5,6% waren auch noch nie so wenig OK-Verdächtige bewaffnet. Der geschätzte Gewinn sank auf 1,4 Mrd. DM – das waren immerhin 400 Mio. DM weniger als im Vorjahr und über 2 Mrd. DM weniger als 1994. Eine Steigerung verzeichnet das Lagebild allein bei der vagsten aller Angaben: Die geschätzten OK-Gewinne verdoppelten sich auf fast 2 Mrd. DM. Aus dem Lagebild erfährt man zudem, dass die Zahl der polizeilichen OK-Ermittler um 138 auf 2.743 gestiegen ist. Angesichts des vermehrten Personals und angesichts der in den letzten Jahren erweiterten polizeilichen Befugnisse scheint offenkundig mehr an „Organisierter Kriminalität“ in Deutschland einfach nicht vorhanden zu sein.

(Norbert Pütter)

[1]      Frankfurter Rundschau v. 4.7.2000
[2]     Bundesministerium des Innern: Pressemitteilung v. 3.7.2000