Europol nach Tampere

Kann die vom Europäischen Rat (ER) in Tampere für die „nahe Zukunft“ geforderte Ausdehnung der Tätigkeit von Europol ohne Veränderung des bestehenden Rechts erfolgen? Das war die zentrale Frage in den „ersten Überlegungen“ der finnischen Ratspräsidentschaft im November und den entsprechenden Stellungnahmen der Mitgliedstaaten, der Kommission und von Europol selbst im Februar.[1]

Am deutlichsten wird diese Frage von den Niederlanden verneint. Angesichts der Tatsache, dass Europols Aufgaben in der Konvention niedergelegt seien, bedürfe es für deren Ausdehnung definitiv eines vergleichbaren rechtlichen Instruments, d.h. eines zu ratifizierenden Protokolls. Die Niederlande widersetzen sich einer Ausstattung Europols und seiner MitarbeiterInnen mit exekutiven Befugnissen. Europol sei eine „unterstützende“ Organisation, Eingriffsbefugnisse sollten bei den nationalen Polizeien bleiben. Auch eine Beteiligung von Europol-Personal an gemeinsamen Ermittlungsgruppen sei nur auf der Grundlage eines die Europol-Konvention ergänzenden Protokolls denkbar.

Die deutsche Delegation hält eine solche Beteiligung auf der Grund­lage von Art. 13 des zum Zeitpunkt der Stellungnahme noch nicht einmal unterzeichneten Rechtshilfeübereinkommens für möglich, der in der Tat die Beteiligung von EU-Institutionen an solchen Gruppen vorsieht. Auch in diesem Falle könne die Rolle Europols nur in der Initiierung einer solchen Ermittlungsgruppe bestehen, die führende Rolle müsse eine nationale Behörde eines Mitgliedstaates übernehmen. Ob Europol-Bedienstete unterstützend an einem Team teilnehmen könnten, hänge davon ab, ob das zu untersuchende Delikt unter das Europol-Mandat nach Art. 2 der Europol-Konvention falle. Gemäß der deutschen Position ist eine Beteiligung von Europol an gemeinsamen Ermittlungsgruppen also erst möglich, wenn das Rechtshilfeübereinkommen in Kraft tritt. Dies passiert, wenn acht Staaten den Vertrag ratifiziert haben, und das dauert erfahrungsgemäß ein bis zwei Jahre.

Im Unterschied dazu plädiert die Europol-Delegation für eine „flexible Herangehensweise“ und eine genaue Prüfung, was denn bereits unter dem geltenden Recht möglich sei. In seinem ersten Papier vom 8. Februar hält das Amt fest, „joint teams“ von PolizeibeamtInnen verschiedener Staaten kämen bereits jetzt regelmäßig zusammen, mit und ohne Beteiligung von Europol. In seinem umfangreicheren Papier vom 11. Februar werden drei verschiedene Szenarios entworfen. Im ersten Falle sei keine rechtliche Veränderung erforderlich: Die Ermittlungsgruppe würde von einem Mitgliedstaat oder – mit dessen Zustimmung – von Europol geführt. Dem Europol-Personal kämen dabei nur koordinierende und unterstützende Funktionen zu. Die BeamtInnen des „gastgebenden Staates“, in dem die Ermittlungsgruppe angesiedelt würde, hätten vor Ort exekutive Befugnisse, die der anderen „entsendenden“ Staaten nur zu Hause. Für die Verwendung der Ermittlungsergebnisse wären sie auf die Instrumente der Rechtshilfe angewiesen. Für das zweite Szenario, bei dem auch die entsendenden Staaten und die beteiligten Europol-Bediensteten begrenzte exekutive Befugnisse hätten, bedürfe es auf der EU-Ebene eines Rahmenbeschlusses und entsprechender Veränderungen des jeweiligen nationalen Strafprozessrechts. Gegebenenfalls müsste auch das Europol-Immunitätenprotokoll geändert werden, da es unter der Voraussetzung geschlossen wurde, dass Europol nicht operativ tätig würde. Erst die dritte Stufe, auf der die BeamtInnen der entsendenden Staaten und Europols volle exekutive Befugnisse im Rahmen einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe bekämen, bedürfte einer grundsätzlichen Novellierung der Europol-Konvention.

Der Einstieg in die operationelle Tätigkeit des Amtes ist nach seiner eigenen Darstellung bereits vollzogen. Auch für die vom ER geforderte operative Task Force der nationalen Polizeichefs hat das Amt schon einen Platz gefunden. Da die Aufgaben sowohl des Europol-Verwal­tungsrates als auch der regelmäßigen Zusammenkünfte der Chefs der nationalen Europol-Einheiten in der Konvention festgelegt seien, sei dafür eine neue „hochrangige“ Arbeitsgruppe des Rates zu schaffen. Deren Sekretariat könne bei Europol angesiedelt werden, es empfehle sich eine enge Zusammenarbeit: Anhand der jährlichen Bedrohungsanalysen von Europol könne die Task Force über die Einsetzung spezifischer Ermittlungsgruppen entscheiden.

(Heiner Busch)

[1]      Dok. 13370/99 Europol 48 v. 25.11.1999, Dok. 5845/00 Europol 1 v. 8.2.2000, erweiterte Europol-Stellungnahme als Dok. 5845/00 Add 1 v. 11.2.2000