Nach Schätzungen von AnwältInnen werden in Deutschland 50-70% aller Hausdurchsuchungen von Polizei und Staatsanwaltschaft ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss aufgrund von „Gefahr im Verzug“ vorgenommen. Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 20.2.2001[1] wird diese exzessive und z.T. missbräuchliche Praxis nun erschwert. Geklagt hatte ein Polizeibeamter, der selbst von einer Durchsuchung betroffen war. Er sollte einen mutmaßlichen Drogendealer vor einer Telefonüberwachung gewarnt haben. Das Gericht stellte klar, dass Durchsuchungen ohne richterliche Anordnung die Ausnahme darstellen müssen. Zudem müssten die Justizbehörden die organisatorischen Voraussetzungen für eine wirksame präventive Kontrolle schaffen, insbesondere indem sie die Erreichbarkeit von ErmittlungsrichterInnen sicherstellen. Ferner entschied das BVerfG, dass „Gefahr im Verzug“ mit einzelfallbezogenen Tatsachen begründet werden müsse und nicht allein auf Spekulationen und kriminalistische Alltagserfahrung gestützt werden könne. Im Falle des Polizeibeamten hatte die Staatsanwaltschaft lediglich behauptet, dass belastende Daten auf Disketten in Sekundenschnelle gelöscht werden könnten und daher „Gefahr im Verzuge“ vorliege. Eine Vermutung, mit der sich – wäre sie zulässig – wohl in vielen Fällen eine sofortige Durchsuchung rechtfertigen ließe. Schließlich will das BVerfG die ausufernde Praxis der Polizei durch Dokumentationspflichten eindämmen. Damit die Gerichte nachträglich das Vorliegen von „Gefahr im Verzug“ überprüfen können, sind die BeamtInnen angewiesen, ihre Entscheidung und die Gründe „zeitnah“ zur Durchsuchung in den Ermittlungsakten festzuhalten.
Insgesamt eine grundrechtsstärkende Entscheidung, von der man sich jedoch nicht zu viel und vor allem nicht so bald etwas erwarten sollte. Die Justizorganisation mahlt langsam, auch fehlt der Polizei der Anreiz. Denn solange die – rechtswidrig – erlangten Beweise vor Gericht verwertet werden dürfen, lohnt sich die Durchsuchung.
(Martina Kant)