„Rechtsextremismus und Polizei“ ist eines der politischen und polizeipolitischen Dauerthemen seit Anfang der 1990er Jahre. Wie sollte es auch anders sein, wenn Häuser angezündet werden, in denen AusländerInnen leben, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe verfolgt, verprügelt, zu Tode getreten werden. Leben und (körperliche) Unversehrtheit zu schützen, bildet den Kern des staatlichen Sicherheitsversprechens; eine Polizei, die derartige Straftaten nicht zu (neuen) Reaktionen veranlasste, verlöre jede bürgerrechtliche Legitimation. Die Debatten und die polizeilichen Selbstvergewisserungen kreisen denn auch nicht um die Frage des „Ob“, sondern des „Wie“. Dabei zeigen sich die von anderen Themen bekannten Probleme: Worin kann und soll die Rolle der Polizei bestehen? Gibt es noch Grenzen der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr? Welches Verhältnis besteht zwischen Polizei und Politik? Wie muss eine Polizei aussehen, die die an sie gestellten Erwartungen erfüllen kann? Literatur weiterlesen →
02.11.: Schlag gegen Drogenschmuggler: Bei der Kontrolle eines albanischen Lastzuges auf der Autobahn Salzburg-München stellen Beamte der Mobilen Kontrollgruppe des Hauptzollamtes Bad Reichenhall 411 Kilogramm Haschisch und Marihuana im Großhandelswert von mehr als zwei Millionen DM sicher. Am deutsch-tschechischen Grenzübergang im bayerischen Waidhaus finden Zollfahnder in einem Ford-Transit 87 Kilogramm Heroin.
03.11.: Kein Prozess gegen „feige Polizisten“: Das Amtsgericht (AG) Tiergarten (Berlin) lehnt in einem Beschluss die Eröffnung eines Hauptsacheverfahrens gegen sechs Berliner Polizisten ab. Die Beamten hatten im Juni 1998 vor einem Lokal verharrt und nicht eingegriffen, als die Wirtin von zwei Räubern zur Invalidin geschlagen wurde. Chronologie weiterlesen →
Seit einem Jahrzehnt jagen sich die Reorganisationspläne bei der schweizerischen Polizei. Auf Dauer besteht die Gefahr, dass dabei vom Föderalismus nicht viel übrig bleibt.
Die Beschreibung der Abteilungen und Sektionen auf der Homepage des Bundesamtes für Polizei (BAP) gleicht derzeit noch einem Emmentaler Käse. Neben gummiartigen Aussagen zu einigen der neuen Organisationsgliederungen – z.B. zum „Dienst für Analyse und Prävention“ (DAP) – finden sich diverse Löcher. „Text in Überarbeitung“ heißt es noch Ende März dort, wo eigentlich das Kernstück der zu Jahresbeginn in Kraft getretenen neuen Organisation – die neue Hauptabteilung Bundeskriminalpolizei (BKP) – erläutert werden sollte. Mit mehr als 70 Untereinheiten allein auf der Ebene der den Abteilungen nachgeordneten Sektionen und Dienste erzeugt auch das bunte Organigramm eher Verwirrung als Klarheit.[1]Und mach‘ nur einen Plan … Die neueste Reorganisation des schweizerischen Bundesamtes für Polizei weiterlesen →
Seit einigen Jahren expandieren private Sicherheitsunternehmen und dehnen ihre Einsatzbereiche bis in den öffentlichen Raum aus. In Deutschland sind – so das statistische Bundesamt – 2.500 Sicherheitsunternehmen mit 130.000 MitarbeiterInnen und einem Jahresumsatz von 5,4 Mrd. DM tätig.[1] Demgegenüber stehen den Länderpolizeien (237.500), dem BGS (32.200) und dem BKA (3.300) insgesamt 273.000 Planstellen für PolizeibeamtInnen zur Verfügung.
1988 löste die Stadt München ihr Vertragsverhältnis mit dem Zivilen Sicherheitsdienst (ZSD). Die Schwarzen Sheriffs waren seit 1973 – bekleidet mit schwarzen Uniformen, schwarzen Lederjacken, schwarzen polizeiähnlichen Mützen und ausgerüstet mit Schlagstöcken, Handschellen und zum Teil mit Revolvern – durch die U-Bahnen der bayerischen Landeshauptstadt patrouilliert. Sie hatten wegen ihrer Brutalität für Schlagzeilen gesorgt und wurden nun abgelöst durch die teurere, aber weniger martialisch auftretende Wach- und Schließgesellschaft. Private Sicherheitsdienste und Polizei – Von der verdeckten zur vertraglichen Kooperation weiterlesen →
Die Bundesregierung plant ein staatliches Programm, um Angehörigen rechtsextremistischer Gruppierungen den Ausstieg zu erleichtern. Erreicht werden soll eine Schwächung der Szene. Doch wenngleich in der Öffentlichkeit bereits viel Wirbel darum gemacht wurde – mehr als vage Konturen zeichnen sich gegenwärtig noch nicht ab.
Reichlich Aufregung hatte es im Februar dieses Jahres gegeben – ausgelöst durch die Aussage von Innenminister Otto Schily, ein einzelner Aussteiger könne den Staat bis zu 100.000 DM kosten. Diese Summe müsse für Wohnungswechsel oder den anfänglichen Unterhalt eingeplant werden. Während Politik und Presse nun darüber stritten, ob Neonazis damit das Leben „versüßt“ oder „subventioniert“ werde, blieben die tatsächlich neuralgischen Punkte des Vorhabens im Dunkeln. Unklar ist bislang, ob sich das Programm an Führungspersonen oder Mitläufer richten wird, ob Aussteiger sich freiwillig melden oder angesprochen werden sollen. Übernehmen der Verfassungsschutz, die Polizei oder die Jugend- und Sozialbehörden die heikle Mission? Und nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob der Staat Gegenleistungen für seine Ausstiegshilfe verlangen wird. Letzter Ausstieg rechts – Konturen eines staatlichen Aussteigerprogramms für Rechtsextreme weiterlesen →
Rechtsextremistische Demonstrationen einfacher verbieten zu können – das ist das gemeinsame Ziel dreier Vorschläge zur Änderung des Versammlungsgesetzes (VersG). Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern haben Gesetzesanträge im Bundesrat gestellt, die CDU/CSU hat einen Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht.[1] Letzterer ist am 16. März 2001 in erster Lesung behandelt und von den anderen Fraktionen abgelehnt worden.
Den Gesetzgebungsvorhaben ist gemeinsam, dass sie gegenüber dem geltenden Recht mehr Handhaben dafür geben wollen, Versammlungen von Rechtsextremisten zu unterbinden oder einzuschränken. Diese Absicht ist angesichts all des abscheulich Schrecklichen, das sich rechtsaußen in unserem Land tut, allzu verständlich. Es ist nur sehr schwer begreiflich zu machen, dass Rechtsextremisten ihre Parolen auf Versammlungen verbreiten dürfen, dass die Polizei solche Versammlungen zu schützen hat und dass die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Demonstrationen von Rechtsextremen ermöglichen. Ein „schärferes“ Versammlungsrecht? Wie die „Zeichen gegen Rechtsextremismus“ nicht gesetzt werden dürfen weiterlesen →
Die Polizei kann weder rechtsextremistische Einstellungen verändern noch die Ursachen rechtsextremistisch motivierter Handlungen beseitigen. Insofern ist sie im „Kampf gegen rechts“ überfordert. Aber welchen Beitrag kann sie gegen die Gewalt(drohungen) von rechts leisten? Wie reagieren die deutschen Polizeien auf die Gefahr von rechts?
Man könne „allenfalls Symptome mindern“.[1] Staatliche Repression tauge nicht dazu, demokratische Verhaltensmuster der BürgerInnen zu erzeugen; sie habe (lediglich) eine „Ordnungs- und Abschreckungsfunktion“, indem sie rechtsstaatliche Grenzen durch Sanktionen verdeutliche und auf die Sicherheitsbedürfnisse in der Gesellschaft reagiere.[2] Diese Vorstellung bestimmt das polizeiliche Selbstbild gegenüber rechtsextremer Gewalt. Gleichwohl sei „die Verwirklichung der grundgesetzlichen Wertordnung das eigentliche positive Ziel, die Vision“ der Polizeiarbeit. Deshalb dürfe sich die Polizei in „ihrem Vorgehen nicht nur gegen konkrete Gefahren und Straftaten richten, sondern (sie) muss im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten die Phänomene von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus insgesamt mit angehen.“[3] Mit dieser Argumentation eröffnet sich die Polizei – der eingestandenen geringen gesellschaftlichen Wirkungen ihres Handelns zum Trotz – ein weites Betätigungsfeld: Ihre Zielpersonen sind einerseits die gewalttätigen Rechtsextremisten, andererseits muss sie sich auch dem diffusen Umfeld rechtsextremistischer, ausländerfeindlicher oder antisemitischer Einstellungen widmen. Diese Ausweitung des polizeilichen Auftrags schlägt sich in den polizeilichen Bekämpfungskonzepten nieder. Polizei gegen Rechtsextreme – Verfolgen, Kontrollieren, Szenen verunsichern weiterlesen →
Auf der Herbsttagung 2000 des Bundeskriminalamtes gab dessen Vizepräsident zu, die deutsche Polizei arbeite bei der Registrierung rechtsextremistischer Straftaten seit Jahren mit falschen Zahlen. Nun will man die Erfassung neu regeln.
117 Personen seien in Deutschland seit der Wende 1989 von Rechtsextremisten getötet worden, berichtete das ARD-Magazin „Panorama“ am 24. August 2000. Das Bundesinnenministerium (BMI) ging zu diesem Zeitpunkt von nur 24 Toten aus. Selbst einige spektakuläre rechtsextremistische Tötungsdelikte waren offiziell nicht als solche registriert worden – etwa die tödliche Hetzjagd auf den algerischen Flüchtling Omar Ben Noui im Februar 1999 in Guben oder der Fall des portugiesischen Bauarbeiters Noemia Lourenco, der im Juli 1998 in Leipzig zu Tode getrampelt worden war. Die Zahl der aus rechtsextremistischen Motiven Getöteten, so „Panorama“ weiter, sei unter Bundesinnenminister Otto Schily herunter gerechnet worden. Sein Vorgänger Manfred Kanther hatte noch 34 Tote zählen lassen.[1] Auf die zehn aus der Statistik verschwundenen Toten angesprochen, rang ein überforderter BMI-Staatssekretär Rudolf Körper nach Erklärungen: „Das kann auch ein Stück Zufall sein … Ja, man könnte sagen, wir sind froh, dass es nicht so viele geworden sind.“ Später beschied das BMI der „Panorama“-Redaktion, die Zahlen seien „nicht vergleichbar, weil zwischenzeitlich die statistischen Erfassungsmerkmale geändert wurden.“[2]Offenbarungseid der Polizeistatistiker – Registrierung rechtsextremistischer Straftaten weiterlesen →
Sowohl in der öffentlich zugänglichen Begründung des Verbotsantrags als auch in den nach wie vor als Verschlusssache behandelten Materialien präsentiert sich der Verfassungsschutz vor allem als Zeitungsausschnittdienst, der die ideologischen Irrungen und Wirrungen der NPD en detail nachvollzieht. Selbst die „Behördenzeugnisse“, die die geheimen Aktivitäten des Geheimdienstes abdecken, beziehen sich meist auf Äußerungen und nicht auf Handlungen der Partei.
Wer wie er Abhörprotokolle gelesen hätte, könne an der aggressiv-kämpferisch gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Haltung der NPD keine Zweifel mehr haben, aber auch das offen gelegte Material sei als Beweis ausreichend. So erklärte der bayerische Innenminister Günter Beckstein am 15. November 2000 vor dem Innenausschuss des Bundestages, wo er als Urheber der NPD-Verbotsforderung auftrat.[1]Wissen unter dem Schlapphut – Der Beitrag des Verfassungsschutzes zum NPD-Verbotsantrag weiterlesen →
Ein Verbot der NPD löst das Problem des Rechtsextremismus nicht. Es nährt allerdings diese Illusion, wenn sich die Debatte wie im Herbst 2000 ganz überwiegend darauf beschränkt. Rechtsextremismus ist kein Problem am Rand dieser Gesellschaft, sondern es kommt aus der Mitte.
Viel notwendiger als repressive sind zivile Maßnahmen, etwa ein Ende der ausgrenzenden Diskurse über Asyl und Einwanderung oder eine Politik der gleichen Rechte für Minderheiten, deren Ausgrenzung aus der Gesellschaft und Diskriminierung eine wesentliche Ursache auch für neonazistische Gewalt ist. Auch anderen Opfergruppen der Rechtsextremen, wie etwa Obdachlosen, wäre weit mehr geholfen, wenn die Armut bekämpft würde und nicht ihre Sichtbarkeit durch Ausgrenzung und Vertreibung aus den Innenstädten. Rechtsextreme und Neonazis ziehen ihre Legitimation für Gewalt aus diesem politischen und gesellschaftlichen Verhalten. Sie setzen in Gewalt um, was sie für den „Volkswillen“ halten. Diese Beispiele seien vorausgeschickt, um die beschränkte Wirksamkeit einer Verbotspolitik deutlich zu machen, die nicht in eine Gesellschaftsveränderung in Richtung Solidarität, Respekt und Toleranz oder mehr Demokratie eingebettet ist. Die Herauskehrung des autoritären Staates, die in der Handhabung des NPD-Verbots zum Ausdruck kommt, ist in dieser Hinsicht sogar kontraproduktiv. Trotzdem bin ich in der Sache für ein Verbot der NPD. Warum ich trotzdem für ein Verbot der NPD bin weiterlesen →
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