Schengener Informationssystem – zweite Generation

Seit Beginn der Sommerzeit zum 25. März dieses Jahres sind auch die nordischen EU-Staaten Dänemark, Schweden und Finnland sowie die Nicht-EU-Mitglieder Norwegen und Island an das Schengener Informationssystem (SIS) angeschlossen. Damit sind nun 15 nationale Komponenten mit der zentralen Einheit in Strassburg (C.SIS) verknüpft. In der Planungsphase Ende der 80er Jahre war man von acht ausgegangen.

Schon bei der Beteiligung Österreichs, Italiens und Griechenlands im Dezember 1996 hatte sich angedeutet, dass das C.SIS an seine Grenzen stoßen würde. Für den Anschluss der nordischen Staaten wurde das bestehende System daher zum SIS 1 plus erweitert. Gleichzeitig beschloss der Schengener Exekutivausschuss den Aufbau eines SIS der zweiten Generation. Die jetzt vorliegenden Papiere der SIS-Arbeits­gruppe des Rates und des gemischten Ausschusses (für die Zusammenarbeit mit Norwegen und Island) belegen, dass der Ausbau nicht nur der Erweiterung der Kapazität dient, sondern gleichzeitig inhaltliche Veränderungen vorgenommen werden sollen, die teilweise Än­derungen des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) nach sich ziehen.[1] Einen grundsätzlichen Prüfungsvorbehalt legte bisher nur Italien ein, Frankreich erklärte einen Teil-Vorbehalt gegen die vorgesehene Ausdehnung der Speicherungsdauer für Daten nach Art. 96 (Zurückweisung/Abschiebung von Nicht-EU-Staatsangehörigen) und Art. 99 (polizeiliche Beobachtung).

Für Personendaten galten bisher generell Prüffristen von drei Jahren. Eine Ausnahme hiervon bildeten nur die Daten der polizeilichen Be­obachtung, die nur für ein Jahr ins SIS eingestellt werden. Die Ausdehnung der Speicherungsfristen wird automatisch ein Anwachsen der Zahl gespeicherter Personen nach sich ziehen. Dies gilt insbesondere für die Art. 96-Ausschreibungen, die in den letzten Jahren zwischen 80 und 90% aller Personendaten im SIS ausmachten.

Welche Dimensionen eine Verlängerung der Löschungsfrist haben kann, zeigte sich sehr deutlich an der bisher größten Löschungsaktion im SIS, bei der die deutsche SIRENE im ersten Halbjahr 1997 Daten von Nicht-EU-BürgerInnen löschte, die bei Inbetriebnahme des SIS 1995 zum Teil bereits länger als ein Jahr im deutschen Fahndungssystem INPOL gespeichert waren. Insgesamt fielen dabei 207.000 Personendatensätze weg.

Die zweite Generation des SIS wird aber nicht nur eine quantitative Ausdehnung bringen, sondern auch qualitative Veränderungen. So sollen in Zukunft Datensätze so miteinander verknüpft werden, dass auf dem Bildschirm der KontrollbeamtInnen nicht nur die Informationen zu einer gesuchten Person, sondern gegebenenfalls z.B. auch die Daten eines zur polizeilichen Beobachtung ausgeschriebenen Fahrzeugs auftauchen. Die kontrollierenden BeamtInnen werden im SIS 2 bei auf Personen ausgestellten Identitätspapieren auch Vornamen und das Ausstellungsdatum, bei Autos auch unvollständige Fahrgestellnummern als Suchkriterien eingeben können.

Im Bereich der Sachfahndung werden zusätzliche Datenkategorien – Kunstwerke, Schiffe und Flugzeuge – eingeführt. Bei den beiden letzteren geht es vor allem um die polizeiliche Beobachtung, die bisher im Sachfahndungsbereich nur für Autos zulässig ist.

Datensätze im SIS umfassten bisher kaum mehr als die pure Fahndungsmeldung. Bei der Personenfahndung waren das die Personalien, der Fahndungszweck (Festnahme, Aufenthaltsermittlung o.ä.) sowie die ausschreibende Stelle. Als personengebundene Hinweise konnten allenfalls „gewalttätig“ und „bewaffnet“ erfasst werden. Das SIS 2 wird dies gründlich ändern. In dem neuen System sollen nunmehr nicht nur die „Art der Straftat“ sowie die Hinweise „entflohener Gefangener“ und „Person in psychologischer Gefahr“ gespeichert werden, sondern auch „Identifikationsmaterial“ über die betreffende Person: Fotos, Finger­abdrücke und – wen wundert’s – DNA-Profile.

Die notwendigen Änderungen des SDÜ lassen sich nur über ein Zusatzprotokoll erreichen, das wie das Abkommen selbst von den nationalen Parlamenten zu ratifizieren ist. Das bedeutet zwar einen Zeitgewinn, ob sich dieser jedoch inhaltlich so ausnutzen lässt, dass daraus ein Gewinn für die Bürgerrechte wird, ist allerdings zu bezweifeln.

(Heinrich Busch)

[1]      Dok. 10353/00 – SIS 66/COMIX 566 v. 13.7.2000; Dok. 12400/00 – SIS 92/COMIX 733 v. 27.10.2000