Von Rechtsanwalt Heinz-Jürgen Schneider (Hamburg)
In diesem Text geht es um den § 129b, der neu in das Strafgesetzbuch (StGB) eingefügt werden soll und die Gründung, Mitgliedschaft, das Unterstützen oder Werben für eine kriminelle oder terroristische Vereinigung die nur im Ausland besteht in der BRD unter Strafe stellt.
Die neue Vorschrift besteht nur aus einem einzigen Satz: „Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland“. § 129 handelt von kriminellen und § 129a von terroristischen Vereinigungen.
Es wird kurz auf den aktuellen Hintergrund eingegangen (1.) und etwas zur Geschichte ähnlicher Vorschriften im politischen Strafrecht in Deutschland berichtet (2.). Ausführlicher werden dann Erfahrungen mit den seit langem bestehenden Paragrafen 129a und 129 StGB analysiert (3.) und die neue Vorschrift und ihre möglichen Auswirkungen beschrieben (4.).
1. Ein Gesetzesprojekt in Zeiten des Terrorismus
Die Terroranschläge in den USA waren nicht die Ursache, sondern nur der Anlass für diese Gesetzesänderung. Ein entsprechender Vor-Entwurf lag bereits seit 1999 beim Bundesjustizministerium vor, die Initiative stammt aus dem Jahre 1998 vom Rat der Innen- und Justizminister der EU, der in seinem Bereich für alle Mitgliedsländer eine entsprechende Gesetzesnorm schaffen will. Das die Bundesregierung bereits neun Tage nach dem 11. September den Gesetzentwurf mit dem Hinweis „eilbedürftige Vorlage“ bei den Gesetzgebungsorganen eingereicht hat, zeigt nur das Ausnutzen der Anti-Terrorismus-Stimmung.
Dies gilt auch für die zahlreichen praktischen Maßnahmen, Gesetzespakete und politischen Diskussionen, die von der Rasterfahndung über Verschärfungen des Ausländerrecht, erhebliche finanziellen Aufstockungen der Etats der Sicherheitsorgane bis zum geforderten Binneneinsatz der Bundeswehr und mehr reichen.
Bei diesen Anti-Terror- Maßnahmen- die es ähnlich auch in anderen Ländern gibt – zeigen sich folgende Tendenzen:
- Unter der sachlich falschen Losung für Sicherheit zu sorgen, werden Verfassungsrechte eingeschränkt.
- Die jetzt erfolgten Gesetzesverschärfungen und Ausweitungen der Rechte von Polizei und Nachrichtendiensten sollen auf unbestimmte Dauer der Normalzustand werden.
- Rechtsstaatliche Grundprinzipien wie das Datenschutzgrundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und die Trennungspflicht der Arbeit von Polizei und Geheimdiensten werden stark eingeschränkt oder faktisch aufgehoben.
- Modernste wissenschaftlich-technische Möglichkeiten wie Datenabgleich, satellitengestützte Fahndung, molekulargenetische Zuordnung von Körperzellen, computer- und videogestützte Überwachung von Orten und Kommunikationsmitteln oder biometrische Daten auf Ausweisen werden nutzbar gemacht.
- Sicherheitsdoktrin und Terrorismushysterie sollen ein gesellschaftliches Klima für Ängstlichkeit, Zustimmung zu Steuererhöhungen für die „Sicherheit“, Verzicht bei politischen Engagement oder Tarifforderungen, bis zu Rassismus gegenüber Menschen mit anderem Pass und Religion schaffen.
Der § 129b ist in dieser Gesamtstrategie nur ein – nicht unwesentlicher, aber auch nicht im Zentrum stehender – Teil.
2. §§ 129, 129a und Vorläufer in der Geschichte politischer Justiz in Deutschland
Eine Strafvorschrift mit der Zielrichtung wie der jetzige § 129b hat es im politischen Strafrecht in Deutschland noch nicht gegeben.
180 Jahre alt sind aber die auch mit dem Mittel des Strafrechts betriebenen Verbote, Kriminalisierungen und politischen Prozesse gegen Systemoppositionelle.
1822 wurden erstmals Vereinigungen wegen „revolutionärer Umtriebe und demagogischer Verbindungen“ verboten und ihre Mitglieder verfolgt. Ähnliches gab es rund um die bürgerliche Revolution von 1848, die eine demokratische Republik zum Ziel hatte.
1871 schafft das Reichsstrafgesetzbuch erstmals mit dem § 128 das „Verbot von Geheimgesellschaften“ und mit dem § 129 eine Vorschrift gegen staatsfeindliche Vereinigungen. Stütze der politischen Verfolgung im Kaiserdeutschland ist das „Sozialistengesetz“ von 1878 bis 1890, das der Bekämpfung und Illegalisierung der damals revolutionären Sozialdemokratie dient. Schon der Versuch, die Organisation der SPD aufrechtzuerhalten, war nach § 129 strafbar.
In der Weimarer Republik wurde die staatliche Verfassung mit als Schutzgut in den § 129 aufgenommen. Grundlage der Verfolgung gegen Kommunisten und andere Linke waren auch das Republikschutzgesetz und eine ausufernde Rechtssprechung, die sehr weitgehend Aktivitäten von politischen Aktionen bis zum Verkauf sozialistischer Literatur als „Vorbereitung zum Hochverrat“ kriminalisierte.
In den 50er und bis Mitte der 60er Jahren spielte der § 129 – jetzt erstmals unter der Gesetzesüberschrift „kriminelle Vereinigung“ – als Auffangtatbestand eine wichtige Rolle im Rahmen der Kommunistenverfolgung besonders nach dem KPD-Verbot 1956. 1951 wurde – neben der Mitgliedschaft – das Unterstützen einer „kriminellen politischen Vereinigung“ unter Strafe gestellt, 1964 auch das Werben dafür.
Das es in Deutschland auch ohne einen § 129b eine Kriminalisierung von internationaler Solidarität gegeben hat, mögen noch drei Beispiele verdeutlichen.
1872 verurteilte das Reichsgericht die SPD-Führer August Bebel und Wilhelm Liebknecht zu Festungshaft, weil sie den Krieg gegen Frankreich verurteilt und öffentlich im Parlament zur Solidarität mit der Pariser Kommune aufgerufen hatten.
1904 standen neun Sozialdemokraten vor Gericht in Königsberg. Ihre Tat: Sie hatten in Deutschland gedruckte russischsprachige Zeitungen, Flugblätter und Broschüren illegal ins benachbarte Russland gebracht, um im Kampf gegen das Zarenregime zu helfen.
1925 verurteilte der Staatsgerichtshof einen Schauspieler zu einer Haftstrafe, weil er eine Gedenkfeier zum 7. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution künstlerisch gestaltet und dort Gedichte vorgetragen hatte.
3. Erfahrungen mit den §§ 129a, 129 von 1976 bis heute
Der § 129 spielte in den 70er Jahren noch eine untergeordnete Rolle bei der Bekämpfung der RAF, bis 1976 mit dem § 129a eine neue und die heute wichtigste Norm des politischen Strafrechts geschaffen wurde. Der § 129a wird 1987 noch einmal erweitert und hat seither die gültige Fassung.
Die Erfahrungen mit dem § 129a – besonders in den letzten 10 Jahren – sollen jetzt näher analysiert werden. Der Grund ist die Annahme, dass der neue § 129b nicht nur auf § 129a im Text verweist, sondern auch die zukünftige Praxis von Polizei und Justiz sich an der älteren Vorschrift orientieren wird.
Die folgenden Fragen werden nach dem Gesetzeswortlaut, der Auslegung durch die Strafrechtswissenschaft und Gerichtsurteilen beantwortet. Widergespiegelt wird also nicht eine Kritik am § 129a, sondern die Praxis, die er möglich macht.
Was wird nach § 129a bestraft? Die Gründung, Rädelsführerschaft, Mitgliedschaft, das Unterstützen oder Werben für eine terroristische Vereinigung.
Juristisch bedeutet das: Gründung ist die Neubildung einer Vereinigung, Rädelsführerschaft ist eine Führungsrolle in einer solchen Gruppe. Mitgliedschaft muss auf eine bestimmte Dauer gerichtet sein, von der Organisation auch gewollt werden und sich in einer Form von Aktivität ausdrücken. Unterstützen soll vorliegen, wenn eine Handlung für die Vereinigung irgendwie vorteilhaft ist und die Mitglieder im Zusammenwirken bestärkt. Als Werben wird eine offene oder verdeckte Propagandatätigkeit verstanden.
Was ist nach § 129a eine terroristische Vereinigung? Eine Vereinigung ist nach der Rechtsprechung ein auf eine gewisse Dauer angelegter Zusammenschluss von mindestens drei Personen.
Zweck oder Tätigkeit dieser Vereinigung muss auf die Begehung einer der folgenden Straftaten gerichtet sein:
Mord, Totschlag oder Völkermord. Erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme. Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel öffentlicher Versorgungsbetriebe sowie von Polizei- und Bundeswehrfahrzeugen. Schwere Brandstiftung, Herbeiführung von Atomexplosionen oder Sprengstoffanschläge, Missbrauch ionisierender Strahlen. Herbeiführung einer Überschwemmung, gefährliche Eingriffe in den Bahn- Schiffs- und Luftverkehr. Störung öffentlicher Betriebe. Angriffe auf den Luft- und Seeverkehr / Flugzeugentführungen.
Welches Sonderrechtssystem wurde mit dem § 129a geschaffen? Nach den gesetzlichen Bestimmungen liegt die staatsanwaltschaftliche Zuständigkeit ausschließlich beim Generalbundesanwalt, Ermittlungsorgan ist das Bundeskriminalamt und gerichtlich sind die Staatsschutzsenate der Oberlandesgerichte zuständig.
Nach der Strafprozessordnung besteht bei Ermittlungen nach § 129a die Möglichkeit zu großflächiger Telefonüberwachung, zu Großrazzien in Wohnblocks, zur Errichtung von Kontrollstellen im Straßenverkehr und auf öffentlichen Plätzen mit der Möglichkeit zur Identitätsfeststellung und Durchsuchung auch bei Unverdächtigten sowie zur Anordnung der sog. Schleppnetzfahndung mit der Möglichkeit zur Massenspeicherung von Daten und zur Rasterfahndung.
Bei Vorliegen eines dringenden Tatverdachts wegen § 129a darf die Untersuchungshaft verhängt werden, auch wenn ein Haftgrund wie Fluchtgefahr gar nicht vorliegt Für Untersuchungs- und Strafhaft gelten Sonderbedingungen wie die richterliche Kontrolle der Verteidigerpost, eine Trennscheibe bei Anwaltsbesuchen oder Isolationshaft.
Welchen Umfang hatten die Ermittlungen nach § 129a? Seit 1976 wurde gegen mehrere tausend Personen ermittelt. Exakte Zahlen gibt es für 1990 bis 1999. In dieser Zeit liefen Verfahren gegen 1362 Menschen (teilweise mehrfach).
In einer großen Anzahl der Verfahren erfolgten die Ermittlungen „nur“ wegen Unterstützung oder Werben.
In den 90er Jahren standen der Anzahl von 1362 Personen, gegen die ermittelt wurde, 38 Verurteilte gegenüber.
Das Verhältnis von später eingestelltem Ermittlungsverfahren zur Verurteilung wegen § 129a lag also bei 97 zu 3 Prozent. (Zum Vergleich: Üblich ist eine „Anklagequote“ von rund 45 Prozent)
Eine etwas höhere Quote ergibt sich bei der Verhängung von Untersuchungshaft. Nach Zahlen der Bundesregierung aus einer Parlamentsanfrage ergeben sich bei 428 Personen gegen die von 1996 bis 2000 ermittelt wurde, 35 Fälle von U-Haft. Ohne Haft blieben also rund 90 Prozent der Beschuldigten.
Dieselbe Parlamentsanfrage belegt, dass alle Verfahren mit Hausdurchsuchungen und Telefonüberwachungsmaßnahmen verbunden waren, in sehr geringem Umfang sind Kronzeugen aufgetreten.
Der § 129a als Ausforschungsparagraf Diese kleinen statistischen Angaben stützen die These vom § 129a als Ausforschungsparagrafen, als „Sesam-öffne-dich“ für den Staatsschutz.
Rolf Gössner hat dies in einer kritischen Analyse so zusammengefasst: „Für die Ermittler ist es…weniger entscheidend, ob das jeweilige Verfahren überhaupt gerichtlich eröffnet wird und dann auch mit einer Verurteilung endet; von wesentlich größerer Bedeutung ist für sie das Ermitteln selbst. Mit dem über § 129a als Kristallisationskern aktivierten, komplexen Sonderrechtssystem verfügen sie über ein praktikableres Instrumentarium, um in die anvisierten, schwer erfassbaren Szenen einzubrechen, über den Einzelfall hinaus Kommunikationsstrukturen knacken, Daten erheben und Soziogramme des Widerstands erstellen zu können, die nicht nur repressiv, sondern vor allem präventiv und operativ genutzt werden können. Verunsicherung der Szene, Entsolidarisierung und Abschreckung sind zwangsläufige Folgeerscheinungen dieser Kriminalisierungsstrategie per 129a-Sonderrecht“.
Praktische Erfahrungen mit den Folgen solche Ermittlungsverfahren zeigen :
Durchsuchungen führen zur mitunter langfristigen Wegnahme von Unterlagen, Disketten, Verzeichnissen, kleinen Archiven etc., behindern die politische Arbeit und bieten weitere personenbezogene Ermittlungsansätze.
Observationen – verdeckt oder gewollt offen – ermöglichen Bewegungsbilder und Kontaktprofile.
Kommunikationsüberwachung (nicht nur des Telefons und auch bei Unbeteiligten z.B. Eltern oder in politischen Zentren) ermöglicht einen tiefen Einblick in Zusammenhänge.
Politische Arbeit wird behindert oder unmöglich gemacht durch Verunsicherung, ein erzwungenes stärkeres Gewicht auf Antirepressionsarbeit oder die mediengestützte Diffamierung als „Terroristen“.
Erfahrungen mit dem § 129 In der untersuchten Zeit hat es auch Ermittlungsverfahren wegen § 129 („kriminelle Vereinigung“) gegeben. Sie richteten sich etwa gegen die Göttinger Antifa (m), die Passauer Antifa oder Gruppen aus der Anti-Castor-Bewegung. Zahlenmäßig sind diese Verfahren aber bedeutend geringer. Die praktischen Erfahrungen und Schlussfolgerungen sind denen des § 129a vergleichbar.
4. Der neue § 129b
Absolut zutreffende Aussagen zu den tatsächlichen Auswirkungen des § 129b werden erst mit einigem zeitlichen Abstand nach seinem Inkrafttreten getroffen werden können. Wichtig ist jetzt, ein realistisches Bild zu vermitteln. Ich unterscheide deshalb im weiteren Text nach sicheren Angaben, einer Prognose ( und worauf sie beruht) und ersten Einschätzungen zu Einzelfragen.
In Medien und im Internet finden sich teilweise recht „reißerisch“ aufgemachte Beiträge. Wer Szenarien entwirft wie: Jemand geht mit einer Che-Fahne auf eine Demo und wird wegen 129b verhaftet, schreibt Unsinn und erzeugt Unsicherheit.
Die weitere Entwicklung hängt auch von Dingen ab wie: Dem Protest gegen diese und andere Vorschriften aus den Anti-Terror-Paketen; der Solidarität im Einzelfall; der gerichtlichen Rechtsprechung; der Schwerpunktsetzung in den Staatsschutzapparaten oder den außenpolitischen Belangen der BRD.
Welche sicheren Aussagen können getroffen werden? Von Ermittlungsverfahren wegen § 129b betroffen sein können alle Personen über 14 Jahren (dann beginnt die Strafmündigkeit), die in der BRD leben. Dabei ist es egal, ob mit deutschem Pass, EU-Ausländer, politischer Flüchtling, Migrant mit legalem Aufenthaltsstatus oder hier illegal lebend.
Der Begriff Ausland im Gesetzestext ist ohne Begrenzung zu verstehen, es können also Vereinigung aus jedem anderen Land oder Kontinent gemeint sein. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Paragrafen. Eine ursprünglich geplante Beschränkung auf den EU-Raum ist nach den Gesetzgebungsmaterialien wegen der Anschläge in den USA nicht mehr erfolgt.
Für neue Ermittlungsverfahren besteht ein Rückwirkungsverbot. Irgendwelche Handlungen, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt sind, können nicht die Begründung für ein Strafverfahren bilden.
Prognose für die Praxis des § 129b Der Paragraf ist zwar neu, er wird aber keine neue Praxis schaffen, sondern den Erfahrungen mit dem § 129a entsprechen. Schon von seinem kurzen Wortlaut her ist § 129b gar nicht eigenständig in der Lage eine Strafe zu begründen, es muss immer mit auf § 129a, seltener auf § 129, verwiesen werden.
Die Zielrichtung besteht darin, in der BRD erfolgende Mitgliedschaft, Unterstützung und Werbung für als terroristisch angesehene Organisationen außerhalb des Landes zu kriminalisieren. Das ist der einzige Regelungszweck des § 129b. Ansonsten bleibt es von der Definition, was eine solche Vereinigung ist, bis zum Ermittlungsapparat alles beim alten.
Aus dieser Prognose ergeben sich – ohne über die Anzahl neuer Verfahren zu spekulieren – folgende Konsequenzen:
Im Mittelpunkt steht die Ausforschung politischer Gruppen und Milieus. Rund 95 Prozent der Verfahren enden ohne Verurteilung, über 90 Prozent ohne Untersuchungshaft. Schwerpunkt der Verfahren sind die Vorwürfe Unterstützen oder Werben. Ermittlungsorgane sind die Bundesanwaltschaft und das Bundeskriminalamt.
Einschätzungen zu Einzelfragen des § 129b Abschließend sollen noch einige Fragen erörtert werden, auch wenn auf sie (noch) nicht eine endgültige Antwort gegeben werden kann.
Generell gilt: Internationale politische Solidaritätsarbeit war und bleibt wichtig, der weltweite Kampf für Menschenrechte und Gerechtigkeit, gegen Diktaturen und Unterdrückung ist legitim und lässt sich nicht verbieten. Fidel und Che, Mandela, Arafat und Öcalan, Sandinisten und Zapatisten sind vor der Geschichte keine Terroristen – auch wenn die Regierungen, gegen die sich ihr teilweise auch militanter Kampf richtete, dies behaupteten.
Zu raten ist also ein sowohl selbstbewusstes als auch sicheres Umgehen mit dem § 129b.
Welche Vereinigungen sind betroffen? Diese Frage ist nicht zu beantworten. Möglicherweise geht es zunächst gegen islamistische Strukturen, gemeint sind aber linke Vereinigungen, deren Landsleute im politischen Exil und deutsche Solidaritätsbewegungen. Albanische UCK-Terroristen und andere, die im Einklang mit der deutsche Außenpolitik stehen, werden nichts zu fürchten haben. Das Aufstellen von Listen kann man aber dem amerikanischen Außenministerium und den deutschen Verfassungsschutzberichten überlassen.
Unterstützen und Werben Einige Gerichtsentscheidungen was nicht kriminalisiert, sondern als legales Verhalten gewertet wird (natürlich kommt es immer auf den Einzelfall an): Symphatiewerbung durch Parolensprühen, Herausgabe einer Dokumentation von Beiträgen der Organisation, Besitz von zur Werbung geeignetem Material, bloßer Hinweis auf die Organisation auf einem Plakat, bloßer Besitz von Broschüren. Zu beachten ist auch, dass viele Solidaritätsaktionen wie Kundgebungen, Artikel oder Internetseiten in der BRD geschützte Grundrechtswahrnehmungen sind.
Spendengelder. Die Unterbindung der „finanziellen Strukturen des Terrorismus“ hat in der aktuellen Diskussion eine beachtliche Rolle gespielt. Solidaritätsspenden stehen dabei – auch von den Beträgen her – sicher nicht im Vordergrund. Lockerung des Bankgeheimnisses und verstärkte Meldepflichten der Banken ermöglichen aber ebenso wie die Beschlagnahme von Geld bei einer Wohnungsdurchsuchung oder die Kontrolle des internationalen Zahlungsverkehrs einen staatlichen Zugriff. Die gerichtliche Rückgabe des Geldes durchzusetzen, kann schwierig sein, weil seine Herkunft offengelegt werden muss.
Ausländerrechtliche Konsequenzen sind auf verschiedenen Ebenen geplant, ohne auf den § 129b bezug zu nehmen. Dies geht von Einreiseverboten mittels Visaverweigerung bei „Extremismusverdacht“ bis zur Abschiebungsandrohung ohne rechtskräftiges Urteil bei „schweren Straftaten“.
Internationale Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten. Für EU- Europa (woher die Initiative für den § 129b ja gekommen ist) gehört zu dem eigenen Anti-Terror-Paket auch die Schaffung einer Terrorabteilung bei EUROPOL und eines europäischen Haftbefehls, einer erleichterten Auslieferungspraxis und eine verstärkten Kooperation gegen terroristische Bestrebungen. Ein verstärkter Informations- und Datenaustausch von Deutschland mit Sicherheitsorganen außereuropäischer Länder ist zu erwarten – unabhängig von deren rechtsstaatlicher Grundlage.
Stand: 19.11.2001 / Mit der Verabschiedung des § 129b wird noch in diesem Jahr gerechnet
Verwendete Literatur
- J. Grässle-Münsche, Kriminelle Vereinigung, Hamburg 1991
- R. Gössner, Politische Justiz im präventiven Sicherheitsstaat, Hamburg 1991
- M. Holzberger, §129b – Steilvorlage aus Europa, CILIP 2/2000
- U. Jelpke, Freiheit verteidigen, Aktuelle Thesen, Manuskript 8.10.2001
- H.J.Schneider, Innere Sicherheit am Beginn des 21.Jahrhunderts, Marx. Blätter 3/2000
- Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 26.Aufl. München 2001
- Bundestags-Drucksache 14/00 (PDS-Antrag auf Abschaffung des § 129a)
- Bundesrats-Drucksache 725/01 (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum § 129b)
- Bundestags-Drucksache 14/2860 (PDS-Anfrage zur Praxis des § 129a)
- EU-Kommission, Vorschlag zum Rahmenbeschluss des Rates zur Terrorismusbekämpfung vom 19.9.2001