An die
Vorsitzende des Innenausschusses
des Deutschen Bundestags
Frau Ute Vogt MdB
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Terrorismusbekämpfungsgesetz
Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
als Mitglied des Forums Menschenrechte teilen wir die im Schreiben des Forums vom 22.11.2001 an die Mitglieder des Rechts- und Innenausschusses des Deutschen Bundestags formulierten schwerwiegenden politischen und rechtlichen Bedenken gegen das von der Bundesregierung am 7.11.2001 beschlossene Terrorismusbekämpfungsgesetz, das am 30.11. Gegenstand eines Hearings im Innenausschuss sein wird.
Da sich Aktion Courage mit ihren vielfach ausgezeichneten Projekten um den Abbau von Fremdenfeindlichkeit und die Integration der in Deutschland lebenden Menschen ausländischer Herkunft kümmert, gilt unsere besondere Aufmerksamkeit den auf diese Personengruppe zielenden Bestimmungen des genannten Gesetzes.
Die vorgesehenen Änderungen des Ausländergesetzes, des Asylverfahrensgesetzes und des Ausländerzentralregistergesetzes verstoßen unseres Erachtens gegen die Grundsätze der Erforderlichkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Geeignetheit- Maßstäbe, an denen sich nach unserer Rechtsordnung Gesetzesvorhaben messen lassen müssen. Für besonders gravierend und mit unserer Verfassung nicht vereinbar halten wir es, dass staatliches Handeln, z.B. bei Abschiebungen, auf bloßen Verdacht gestützt und Rechtsmittel dagegen ausgeschlossen werden können. Auf die Bedenken gegen die vorgesehene umfassende Datenübermittlungspflicht des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und der Ausländerbehörden an den Verfassungsschutz haben die Datenschützer bereits zu Recht hingewiesen.
Schließlich ist unseres Erachtens die Erhebung und Speicherung der Religionszugehörigkeit im Ausländerzentralregister nicht mit unserer Verfassung zu vereinbaren. Die Freiwilligkeit vermag das nicht einzuschränken, denn wer sich der Erhebung verweigert, wird sich in praxi automatisch verdächtig machen.
Die auf Menschen ausländischer Herkunft zielenden Gesetzesänderungen werden, wie wir aus unserer Arbeit wissen, von dieser Personengruppe zu Recht als Generalverdacht empfunden. Sie sehen sich als potentielle Straftäter behandelt. Dies gilt insbesondere für die zahlreichen in Deutschland lebenden Muslime, bei denen sich zunehmend Ängste und Sorgen über ihr künftiges Leben in Deutschland breitmachen. Die erfreuliche Tendenz der letzten Jahre zu mehr Offenheit und Bereitschaft zur Integration, welche wir u.a. mit unserem vom Bundesarbeitsministerium finanzierten Projekt „Integration von Muslimen und muslimischen Organisationen“ gefördert haben, droht wieder ins Gegenteil, nämlich Ausgrenzung und Selbstausgrenzung mit allen negativen Folgen für unser Gemeinwesen, umzuschlagen.
Abschließend möchten wir auf einen Aspekt hinweisen, der in der bisherigen Diskussion noch keine Rolle gespielt hat: Wir befürchten, dass sich Rechtsextremisten in unserem Land in ihrer ausländerfeindlichen Haltung bestärkt sehen, sollten die primär gegen Ausländer gerichteten Verschärfungen Gesetz werden.
Wir würden uns freuen, wenn unsere Bedenken bei Ihnen auf Gehör stießen.
Wir bitten Sie, dieses Schreiben auch den Mitgliedern des Innenausschusses zugänglich zu machen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gerd Pflaumer