von Andrea Böhm
November 2001
02.11.: Freispruch für Sachsens Datenschützer: Das Landgericht (LG) Dresden spricht den sächsischen Datenschutzbeauftragten Thomas Giesen vom Vorwurf des Geheimnisverrats frei. Giesen wurde vorgeworfen, im August 2000 auf einer Pressekonferenz unberechtigt aus Aktenvermerken des damaligen Justizministers Steffen Heitmann (CDU) zitiert zu haben. Die Notizen dokumentierten, dass Heitmann 1997 einem CDU-Parteifreund Auskunft über ein Ermittlungsverfahren erteilt hatte.
09.11.: Erste Anti-Terror-Gesetze verabschiedet: Zwei Monate nach den Anschlägen in den USA stimmt der Bundestag der Streichung des Religionsprivilegs aus dem Vereinsrecht und dem sogenannten 3-Milliarden-Programm für mehr Sicherheit zu.
Gewaltschutzgesetz gebilligt: Der Bundestag beschließt ein Gesetz, das Frauen und Kinder besser vor gewalttätigen Familienvätern schützen soll. Damit können Opfer häuslicher Gewalt künftig in der eigenen Wohnung bleiben, während der Schläger ausziehen muss.
13.11.: Urteile im La-Belle-Prozess gesprochen: Wegen des Anschlags auf die Diskothek „La Belle“ im Jahre 1986 verurteilt das LG Berlin vier Angeklagte wegen Mordes, Mordversuchs und Beihilfe zum Mord zu Freiheitsstrafen zwischen 12 und 14 Jahren. Eine fünfte Angeklagte wird freigesprochen. In der Urteilsbegründung wird dem Staat Libyen eine erhebliche Mitverantwortung für die Tat bescheinigt.
Revision gegen Verurteilung von BGS-Beamten verworfen: Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken bestätigt ein Urteil des LG Landau gegen vier Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS), die einen togolesischen Asylsuchenden bei einer Kontrolle misshandelt hatten. Die Beamten waren zu Bewährungsstrafen zwischen 6 und 15 Monaten verurteilt worden.
14.11.: Sicherheitskooperation vereinbart: Bundesinnenminister Otto Schily und Thüringens Innenminister Christian Köckert unterzeichnen eine Vereinbarung, die eine engere Zusammenarbeit des Bundesgrenzschutzes (BGS) und der thüringischen Landespolizei bei der Kriminalitätsverhütung und -bekämpfung vorsieht.
15.11.: Strafe für Drogenhändler vermindert: Das LG Augsburg verkürzt eine ursprünglich vierjährige Freiheitsstrafe für einen Drogenhändler um die Hälfte und setzt die Reststrafe zur Bewährung aus. Der von der Polizei des Handels mit Haschisch verdächtige Mann war von einem polizeilichen Lockspitzel zu einem Heroingeschäft verleitet worden. Das Gericht beruft sich dabei auf eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH).
Entscheidung im Fall „Mehmet“ verkündet: Der bayerische Verwaltungsgerichtshof erlaubt die Rückkehr des vor drei Jahren in die Türkei abgeschobenen Serienstraftäters Muhlis A. nach Deutschland. Das Gericht begründet sein Urteil mit dem europäisch-türkischen Assoziationsvertrag und der positiven Prognose eines Gutachters. Der unter dem Namen „Mehmet“ bekannt gewordene Minderjährige hatte bis zu seinem 14. Geburtstag 62 Straftaten begangen.
20.11.: Prozessbeginn gegen Beteiligte der Rostocker Krawalle: Neun Jahre nach den ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen wird vor dem LG Schwerin das Hauptverfahren gegen drei Beteiligte eröffnet. Der Vorsitzende Richter begründete die lange Zeit bis Verhandlungsbeginn mit der Überlastung der Justiz.
24.11.: Schily übernimmt DFK-Vorsitz: Bundesinnenminister Otto Schily wird zum Vorsitzenden der im Juli 2001 gegründeten Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK) gewählt.
27.11.: Beobachtung des „Marxistischen Forums“ eingestellt: Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gibt bekannt, dass die PDS-Gruppierung nicht mehr vom Berliner Verfassungsschutz überwacht wird. Damit steht von der PDS der Hauptstadt nur noch die „Kommunistische Plattform“ unter geheimdienstlicher Beobachtung.
29.11.: Protestaufruf mit Geldstrafe geahndet: Das Amtsgericht Ludwigsburg verhängt gegen die Organisation „Gewaltfreie Aktion Atomwaffen Abschaffen“ (GAAA) eine Geldstrafe in Höhe von 3.600 DM, weil sie zur Inspektion des Atomwaffenlagers Büchel aufgerufen hatte. Dies sei eine Aufforderung zum Hausfriedensbruch, so das Gericht, da auch militärisches Gelände betreten werden sollte.
28.11.: Polizeikommission aufgelöst: Die Hamburgische Bürgerschaft beschließt mit der Mehrheit von CDU und Schill-Partei die Abschaffung der Polizeikommission. Sie war im September 1998 auf Empfehlung des Untersuchungsausschusses über die Missstände bei der Hamburger Polizei eingesetzt worden und sollte als unabhängige Beschwerdestelle für betroffene BürgerInnen und PolizeibeamtInnen dienen. Erst am Vortag hatte das bundesweit einmalige Gremium seinen dritten und letzten Jahresbericht veröffentlicht, der 136 Beschwerdefälle enthält.
Dezember 2001
09.12.: Brechmitteleinsatz endet tödlich: Bei einem Polizeieinsatz im Rechtsmedizinischen Institut in Hamburg wird einem Rauschgifthändler, der 45 Crack-Kügelchen verschluckt hatte, trotz heftiger Gegenwehr gewaltsam ein Brechmittel eingeflößt. Daraufhin erleidet der aus Kamerun stammende Mann einen Herzstillstand und fällt ins Koma. Drei Tage später stirbt er, ohne wieder das Bewusstsein erlangt zu haben. Der designierte neue Polizeipräsident Hamburgs, Udo Nagel, erklärt in einem am 7.1.2002 veröffentlichten Interview, an der umstrittenen Praxis festhalten zu wollen. Am 6.1.2002 wird bekannt, dass der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) die Polizei in der Hauptstadt angewiesen hat, mutmaßlichen Drogenhändlern nicht mehr gegen ihren Willen Brechmittel zu verabreichen. (S. S. 59 ff. in diesem Heft.)
Unschuldiger bei SEK-Einsatz schwer verletzt: Auf der Suche nach einem bewaffneten Mann stürmt ein Sondereinsatzkommando der Polizei bei einem nächtlichen Einsatz im schleswig-holsteinischen Heide irrtümlich eine falsche Wohnung und überwältigt einen anwesenden 60-Jährigen, der einen Beinbruch und Prellungen davonträgt.
11.12.: Entscheidung über Ausreiseverbote: Das Berliner Verwaltungsgericht (VG) gibt der Klage eines Globalisierungskritikers statt, dem die Behörden untersagt hatten, zum EU-Gipfel nach Brüssel zu fahren. In zwei anderen Fällen bestätigt das Gericht die Ausreiseverbote, da die Betroffenen in der Vergangenheit an gewaltsamen Aktionen teilgenommen hätten, so die Richter. Insgesamt sollen allein in Berlin 29 angeblich gewaltbereite Globalisierungskritiker ein Ausreiseverbot zum Zeitpunkt des EU-Gipfels erhalten haben.
12.12.: „Kalifatsstaat“ verboten: Bundesinnenminister Otto Schily verfügt das Verbot des „Kalifatsstaates“, einer Organisation des Islamistenführers und selbst ernannten „Kalifen von Köln“ Metin Kaplan. Schily begründet diesen Schritt mit der Gefährdung der inneren Sicherheit. Damit wurde erstmals auf der Grundlage der neuen Anti-Terror-Gesetze, die u.a. den Wegfall des Religionsprivilegs vorsehen, eine extremistische Organisation verboten. Am 17.12. entscheidet das Kölner VG, dass Kaplan nicht sofort ausgewiesen werden darf.
Nachträgliche Sicherungsverwahrung in Bayern beschlossen: Der Bayerische Landtag nimmt mit großer Mehrheit ein Gesetz an, das die nachträgliche Anordnung von Sicherungsverwahrung für besonders gefährliche Straftäter ermöglicht. Als drittes Bundesland nach Baden-Württemberg und Bayern verabschiedet auch Sachsen-Anhalt am 24.2. ein solches Unterbringungsgesetz, durch das rückfallgefährdete Straftäter auch nach Verbüßung ihrer Strafe weiterhin in Haft gehalten werden können.
13.12.: Einsatz von V-Leuten bei Scientology untersagt: Das Berliner VG gibt einer Klage der Scientology-Sekte statt und verbietet dem Berliner Verfassungsschutz, sich durch den Einsatz von V-Leuten Informationen über die Organisation zu beschaffen. Ansonsten bleibt die Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln jedoch erlaubt.
14.12.: Zweites Sicherheitspaket verabschiedet: Mit den Stimmen der Regierungskoalition und der Union beschließt der Bundestag das Terrorismusbekämpfungsgesetz, das u.a. Pass- und Ausweisregelungen verschärft und die Befugnisse von Polizei, Bundesgrenzschutz und Geheimdiensten drastisch ausweitet. Am 20.12. passiert das Gesetzespaket den Bundesrat und tritt am 1.1.2002 in Kraft.
Prostituiertengesetz gebilligt: Der Bundestag beschließt ein Gesetz, wonach Verträge zwischen Prostituierten und ihren Freiern künftig nicht mehr sittenwidrig sind. Damit können Prostituierte in Deutschland fortan ihre Bezahlung gerichtlich erstreiten. Außerdem erhalten sie Zugang zu den Sozialversicherungen.
17.12.: Schadensersatzforderungen an Castor-Blockierer: Es wird bekannt, dass fünf Blockierer des Castor-Atommülltransports eine Schadensersatzforderung in Höhe von 166.714,95 DM (85.240 EUR) von der Deutschen Bahn, dem Bundesgrenzschutz und dem Technischen Hilfswerk erhalten haben. Die Demonstranten hatten sich im März 2001 auf der Bahnstrecke Lüneburg-Dannenberg angekettet und konnten erst nach Stunden losgeschnitten werden.
19.12.: Anketten bei Sitzblockaden als Nötigung eingestuft: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) veröffentlicht einen Beschluss, wonach sich Demonstranten, die sich bei Blockadeaktionen anketten, wegen gewaltsamer Nötigung bestraft werden können (Az.: 1 BvR 1190/90 u.a.).
25.12.: Polizeilicher Todesschuss im mittelfränkischen Leinburg: Nachdem ein Mann in die Wohnung seiner früheren Partnerin eingebrochen ist, bedroht er die Frau und ihren Freund mit einem Messer und legt Feuer. Später attackiert er die herbeigerufenen Polizisten mit gezücktem Messer, woraufhin einer der Beamten aus rund eineinhalb Meter Entfernung sechs Schüsse abgibt. Der Mann wird in Bauch, Brust und Schultern getroffen und verblutet wenig später.
28.12.: „Innovations-Zentrums“ des bayerischen LKA gegründet: Der bayerische Innenminister Günther Beckstein teilt mit, dass das „Strategische Innovations-Zentrum“ (SIZ) mit Beginn des neuen Jahres seine Arbeit aufnimmt. Aufgabe der Institution, die sich aus Beamten der Kriminalpolizei und wissenschaftlichen Mitarbeitern zusammensetzt, sei die Lieferung umfangreicher Prognosen zu möglichen Kriminalitätsszenarien und neue Ansätze für die Verbrechensbekämpfung.
Januar 2002
01.01.: Wohnungsverweisung nach Polizeirecht erlaubt: Nach der Änderung des nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes darf die Polizei zum Schutz des Opfers vor „häuslicher Gewalt“ den Täter aus der Wohnung verweisen und ihm die Rückkehr bis zu zehn Tagen verbieten.
02.01.: Zahl der Drogentoten für 2001 veröffentlicht: Nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur ap bei den Bundesländern starben im Jahr 2001 bundesweit mindestens 1.735 Süchtige am Konsum illegaler Drogen. Im Vorjahr waren es noch 2.023 gewesen. Damit ist die Zahl der Rauschgiftopfer erstmals seit drei Jahren gesunken.
09.01.: Asylstatistik publiziert: Nach Angaben des Bundesinnenministeriums stellten im Jahr 2001 88.287 Menschen einen Asylantrag, 9.723 (12,4%) mehr als im Vorjahr. Hauptherkunftsländer der Asylsuchenden waren der Irak, die Türkei, Jugoslawien und Afghanistan. Die Anerkennungsquote lag bei 5,3%, rund 19% der Antragsteller wurde darüber hinaus Abschiebeschutz gewährt.
Neues Amt für Eberswalder Polizeipräsidentin: Ein Regierungssprecher des Landes Brandenburg gibt bekannt, dass die Polizeipräsidentin der brandenburgischen Stadt Eberswalde, Uta Leichsenring, im April das neu geschaffene Amt als Landesbeauftragte für das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ übernehmen wird. Das Polizeipräsidium Eberswalde, das Leichsenring seit 1991 führt, wird im Zuge der Polizeireform Ende 2002 aufgelöst. Die Polizeipräsidentin hatte sich in ihrem Amt mit Aktivitäten gegen Rechts bundesweit einen Namen gemacht.
13.01.: RAF-Mitglied durch Gentest überführt: Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bestätigt Presseberichte, wonach elf Jahre nach dem Anschlag auf die Bonner US-Botschaft ein im Fluchtauto gefundenes Haar per Gentest der mutmaßlichen RAF-Terroristin Daniela Klette zugeordnet werden konnte. Klette, nach der seit Jahren gefahndet wird, soll auch an einem Überfall auf einen Geldtransporter in Duisburg 1999 beteiligt gewesen sein.
15.01.: Wachpolizei in Hessen landesweit eingeführt: Nach dem erfolgreichen Abschluss der Pilotprojekte in Kassel, Gießen und Frankfurt ordnet der hessische Innenminister Volker Bouffier die Anwerbung von 250 neuen sogenannten Wachpolizisten an, die die Polizeiarbeit vor Ort verstärken sollen. Bis Ende des Jahres soll ihre Zahl auf 360 steigen.
18.01.: RZ-Mitglied gesteht Attentat: Acht Monate nach Beginn des Prozesses gegen mutmaßliche Aktivisten der Revolutionären Zellen (RZ) vor dem Berliner Kammergericht gibt Rudolf Schindler seine Tatbeteiligung an einem Sprengstoffanschlag und zwei 1986 und 1987 verübten Schusswaffenattentaten zu. Nach dem Geständnis werden der Angeklagte und seine Frau auf freien Fuß gesetzt.
Deutsche Aufbauhilfe für afghanische Polizei: Das Bundesinnenministerium gibt bekannt, das die Bundesregierung den Wiederaufbau der afghanischen Polizei mit „praktischer Ausbildungs- und Ausstattungshilfe“ unterstützen wird. Genaue Zahlen werden noch nicht genannt.
20.01.: Ermittlungen gegen SEK-Beamte: Es wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Bonn gegen acht Beamte eines Sondereinsatzkommandos und weitere zwei Polizisten wegen Körperverletzung im Amt ermittelt. Die Polizisten sollen einen Fliesenleger bei einer Hausdurchsuchung schwer verletzt haben. Einer der Beamten war der Nachbar des Mannes und hatte sich mit ihm zerstritten.
Kirchenasyl wird strafrechtlich überprüft: Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) erklärt in einer parlamentarischen Anfrage, jeden einzelnen Fall der Gewährung von Kirchenasyl im Bundesland auf seine strafrechtliche Relevanz überprüfen zu lassen. Seit Mitte 1999 bis Dezember 2001 waren dem Innenministerium Brandenburgs sieben Fälle von Kirchenasyl bekannt geworden.
22.01.: Verhandlungstermine im NPD-Verbotsverfahren ausgesetzt: Das BVerfG hebt sämtliche fünf Termine zur mündlichen Verhandlung über das Verbot der rechtsextremen Partei auf, nachdem ein Abteilungsleiter des Bundesinnenministeriums den Verfassungsrichtern telefonisch mitgeteilt hatte, dass eine der zum Verfahren geladenen „Auskunftspersonen“ der rechtsextremen Partei ein V-Mann des Verfassungsschutzes sei. (S. in diesem Heft S. 76 ff.)
Beschwerde gegen Rasterfahndung erfolgreich: Das LG Berlin gibt der Klage dreier islamischer Studenten statt und erklärt die umstrittene Rasterfahndung für unzulässig. Zu einem gleichlautenden Urteil kommen die Richter des LG Wiesbaden am 7.2.2002. Dagegen hält das VG Mainz die umfassende Datensammlung für rechtens und weist am 18.2. die Klage eines Studenten islamischer Religionszugehörigkeit ab. (S. in diesem Heft S. 69 ff.)
Erstmals Löschung deutscher Porno-Website angeordnet: Das brandenburgische Jugendministerium verfügt die Abschaltung einer uckermärkischen Internetseite wegen Verstoßes gegen den Medienstaatsvertrag. Zuvor war der Betreiber erfolglos aufgefordert worden, den Zugang zu den pornografischen Inhalten auf Erwachsene zu beschränken.
23.01.: Keine Verurteilung eines Polizisten wegen sexueller Beleidigung: In einem Berufungsverfahren vor dem Gießener LG wird ein 44-jähriger Polizeibeamter vom Vorwurf der sexuellen Beleidigung einer Kollegin freigesprochen. Die Richter sehen zwar belastende Anhaltspunkte, zweifeln aber an der Schilderung der betroffenen Beamtin.
29.01.: Geheimdienste ohne Parlamentskontrolle: Es wird bekannt, dass der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst in Nordrhein-Westfalen 15 Monate ohne parlamentarische Kontrolle Telefonüberwachungen durchgeführt haben. Nach der Landtagswahl im Mai 2000 hatte es das Düsseldorfer Parlament versäumt, die G 10-Kommission neu zu besetzen. Erst am 19. Dezember 2001 trat die Kontrollkommission zusammen und musste die illegalen Abhöraktionen nachträglich genehmigen. Am 30.1. verabschiedet der Landtag eine Gesetzesänderung, nach der die G 10-Kommission auch nach dem Ende einer Wahlperiode im Amt bleibt, bis der Nachfolgelandtag ein neues Gremium gewählt hat.
30.01.: Strafbefehl für Polizeidirektor: Die Berliner Staatsanwaltschaft beantragt für den ehemaligen Chef der AG Rumba (Rumänische Bandenkriminalität) einen Strafbefehl wegen Freiheitsberaubung. Das Verfahren gegen elf weitere Beschuldigte wurde zuvor eingestellt. Die Beamten der „Rumba“ hatten 1999 gegen vier Kollegen vom Landeskriminalamt ermittelt, denen vorgeworfen wurde, von rumänischen Einbrechern bestochen worden zu sein. Der einzige Zeuge der Rumba-Ermittler hatte jedoch gelogen.
Rechtsextremist Roeder verurteilt: Die Staatsschutzkammer des LG Frankfurt/M. verhängt gegen den vielfach vorbestraften Neonazi Manfred Roeder eine zweijährige Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Roeder hat sich nach Feststellung des Gerichts mit einem offenen Brief an alle Bundestagsabgeordneten im April 2000 der Verunglimpfung des Staates schuldig gemacht.
Februar 2002
13.02.: Polizeibeamter begeht Selbsttötung: Ein Augsburger Polizeihauptmeister erschießt sich in der Nacht mit der Dienstwaffe an seinem Arbeitsplatz. Vorausgegangen war eine Fahrt unter erheblichem Alkoholeinfluss, bei der er in eine Kontrolle geraten war. Die Polizei mutmaßt, dass der Beamte mit einem Dienststrafverfahren rechnete, das zu einer Gehaltskürzung oder Beförderungssperre hätte führen können.
Hund ruft Polizei: Ein allein in einer Kulmbacher Wohnung eingesperrter Hund spielt mit dem schnurlosen Telefon, wählt dabei die 110 und landet in der Einsatzzentrale der Polizei. Nachdem der diensthabende Beamte nur ein lautes „Wauwau“ als Antwort erhält, schickt er eine Streife. Diese trifft zeitgleich mit dem überraschten „Herrchen“ ein.
18.02.: Polizeilicher Datenzugriff gekappt: Rund 250 hessische Kommunen verweigern der Polizei wegen eines Gebührenstreits den elektronischen Zugriff auf Einwohnermelde- und Kraftfahrzeugdaten in den drei Gebietsrechenzentren des Landes. Hintergrund ist die Weigerung des Landes Hessen, seit Anfang des Jahres die für die täglich 500 Anfragen anfallenden Gebühren von 20 Cent pro Einwohner zu bezahlen. Die Kommunen wollen jedoch nicht zusätzlich zur Bereitstellung der Daten in ihren Ämtern auch noch die Kosten für die zentrale Datensammlung in den Rechenzentren übernehmen. Am 20.2. werden die Daten auf Anweisung des Innenministers Volker Bouffiers wieder freigegeben.
Abkommen über polizeiliche Zusammenarbeit vereinbart: Bundesinnenminister Otto Schily und sein polnischer Amtskollege Krzysztof Janik unterzeichnen ein bilaterales Abkommen über die Zusammenarbeit der Polizei- und der Grenzschutzbehörden beider Länder in den Grenzgebieten.
Schill durch Haartest entlastet: Das Münchener Institut für Rechtsmedizin erklärt, in der Haarprobe des Hamburger Innensenators Ronald Schill keine Hinweise auf regelmäßigen oder gelegentlichen Kokainkonsum gefunden zu haben. Ein anonymer Zeuge hatte in der ARD-Sendung Panorama behauptet, er habe gesehen, wie sich Schill weißes Pulver auf das Zahnfleisch gerieben habe. Daraufhin entschloss sich Schill zu einem Haartest.
21.02.: Verfassungsklage der Grünen gescheitert: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weist eine Klage der grünen Landtagsfraktion nach einem Sitz im Geheimdienstkontrollgremium des Münchener Landtages ab. Die Richter argumentieren, es sei aus Gründen der Geheimhaltung zu rechtfertigen, dass die parlamentarische Mehrheit die Zahl der Mitglieder für das Gremium auf fünf Personen beschränkt habe. Zudem habe das BVerfG die Nichtberücksichtigung einzelner Fraktionen für rechtens erklärt.
25.02.: Abbau des Nato-Drahtes in Gorleben: Das Bundesamt für Strahlenschutz ordnet die Entfernung des Nato-Drahtes und der Wasserwerfer von der Umfassungsmauer des geplanten Endlagers Gorleben an. Damit will die Behörde nach eigener Aussage zum 25. Jahrestag des Endlagerstandortes Gorleben „ein sichtbares Zeichen der Deeskalation setzen.“
Andrea Böhm studiert Politikwissenschaft an der FU Berlin und ist Redaktionsmitglied von Bürgerrechte & Polizei/CILIP.