Überwachung des Mobilfunkverkehrs – Das Handy als „Allroundmittel“ zur Ausforschung

von Björn Gercke

Letztes Jahr nutzten in Deutschland bereits rund 50 Millionen Menschen ein Mobilfunkgerät. Den wenigsten dürfte bewusst sein, dass sie den Ermittlungsbehörden damit Möglichkeiten der Überwachung eröffnen, die weit über das klassische Abhören hinausgehen. Die Rechtsprechung nimmt diese Unterschiede kaum zur Kenntnis. Sie hat die neuen Formen der Überwachung weitgehend abgesegnet.

Hinsichtlich der Anzahl der jährlichen Telefonüberwachungen (TÜ) nimmt die Bundesrepublik Deutschland unter den westlichen Staaten seit Jahren einen unrühmlichen Spitzenplatz ein. So haben Böttger/Pfeiffer für den Zeitraum von 1987 bis 1992 aufgezeigt, dass das Risiko, in Deutschland abgehört zu werden, rund dreizehnmal höher war als in den USA, obwohl diese zum gleichen Zeitraum eine erheblich höhere Kriminalitätsrate hatten.[1]

Im Gegensatz zu früheren Erklärungen räumen die Ermittlungsbehörden seit 1995 ein, dass auch die digitalen Funknetze abhörbar sind.[2] Entsprechend der gestiegenen Bedeutung der mobilen Kommunikation kommt der Überwachung von Mobilfunkanschlüssen mittlerweile die tragende Rolle im Rahmen der TÜ zu. Sowohl der Gesetzgeber als auch – fast einhellig – Rechtsprechung und Lehre subsumieren die akustische Überwachung des Mobilfunkverkehrs unproblematisch unter die Ermächtigungsgrundlage des § 100a der Strafprozessordnung (StPO), der ursprünglich für den herkömmlichen Festnetzverkehr konzipiert wurde. Der Mobilfunkverkehr, so lautet das simple Argument, weise „lediglich technische Besonderheiten“ auf.[3]

Nur wenige Autoren lassen sich auf die Unterschiede von alter und neuer Technik ein und halten dieser Position entgegen, dass § 100a StPO lediglich die Überwachung genau festgelegter Anschlüsse zulasse. In der Mobilfunktechnik existieren aber gerade keine Anschlüsse, sondern Funkzellen, die jeweils zugleich von mehreren MobilfunkteilnehmerInnen genutzt werden. Deren Geräte schalten sich automatisch in eine Funkstrecke ein, die gerade frei ist. Wenn die Gespräche einer bestimmten Person abgehört werden sollen, wird daher nach den in Betracht kommenden Funkstrecken gesucht, so dass man quasi von einer „Abhörrasterfahndung“ sprechen muss, deren Anwendbarkeit nicht von der Individualkontrolle des § 100a StPO gedeckt ist.[4]

Speicherung und Auswertung der Verbindungsdaten

Bei der digitalen Übertragung fallen aber über das gesprochene Wort hinaus eine Vielzahl von Daten an, die aus Sicht der Strafverfolgungsorgane „kriminalistisch und fahndungstechnisch höchst interessant“ sein sollen.[5] So wird nach Beendigung jedes Gesprächs der sog. Verbindungsdatensatz gespeichert. Dieser muss nach § 7 Abs. 3 Telekommunikations-Daten­schutzverordnung (TDSV) erst sechs Monate nach Beendigung der Verbindung gelöscht werden. Er beinhaltet u.a. Datum, Uhrzeit und Dauer des Gesprächs, die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse sowie die Standortdaten des Mobilfunknutzers anhand der Funkzellenbestimmung (§ 6 Abs. 1 TDSV). Die Strafverfolgungsbehörden können auf Grundlage des neuen § 100g StPO von den Telekommunikationsanbietern die Herausgabe dieser Verbindungsdaten verlangen.

Lokalisierung und Bewegungsbilder im Stand-by-Betrieb

Von besonderem Interesse für die Strafverfolgungsorgane sind jedoch die Standortdaten, die auch im bloßen Stand-by-Betrieb anfallen, also ohne dass ein Gespräch tatsächlich geführt oder auch nur gewählt wurde. Diese werden technisch zwingend permanent festgestellt, um die Erreichbarkeit jedes Teilnehmers zu gewährleisten.[6] Je nach Größe der Funkzelle lässt sich der Mobilfunk-Nutzer somit bis auf 30 Meter genau orten.[7]

Durch die Auswertung der Standortdaten lässt sich ein Bewegungsbild des Mobilfunkgerätes im Stand-by-Betrieb gewinnen, das zwar je nach Größe der Funkzelle unterschiedlich detailliert ist, jedoch aufgrund der hohen Frequenz der einzelnen Lokalisierungen nahezu lückenlos ist. Während Verbindungsdaten nur dann anfallen, wenn tatsächlich telefoniert oder TeilnehmerInnen zumindest angewählt wurden, werden die Standortdaten etwa in den D-Netzen alle 2,4 Sekunden festgestellt. Das Mobilfunkgerät mutiert, so der Brandenburgische Datenschutzbeauftragte Alexander Dix, zu einem „stets aktiven Peilsender“.[8]

Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 21.2.2001 die Ermittlung der Standortdaten im Stand-by-Betrieb unter § 100a StPO subsumiert.[9] Damit befindet er sich im Einklang mit der überwiegenden Ansicht in der Literatur sowie einer Reihe bereits ergangener unterinstanzlicher Entscheidungen.[10] Eine überzeugende Begründung, weswegen die permanente Feststellung der Position eines Mobilfunkgerätes rechtmäßig sein und wieso sie überhaupt etwas mit (Tele-)Kommunikation zu tun haben soll, bleibt der BGH-Ermitt­lungsrichter schuldig.

Das Telekommunikationsgesetz (TKG), die TDSV oder die jüngst verabschiedete Telekommunikationsüberwachungsverordnung (TKÜV) können insoweit allenfalls bloße Orientierungshilfen sein. Ihre Adressaten sind nicht die Beschuldigten, sondern die Telekommunikationsanbieter. Sie regeln auch nicht die Überwachung, sondern fordern von der Wirtschaft, die technischen Voraussetzungen für die Überwachung bereitzustellen.[11] Eine Ermächtigung für die permanente Feststellung des Standortes müsste sich – wenn schon – aus der Strafprozessordnung selbst ergeben.

Um deren Fehlen auszugleichen, vollführt der BGH ein unzulässiges Ausweichmanöver: Wie zuvor schon das Landgericht Aachen, greift er auf das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Grundgesetz (GG) zurück.[12] Dieses Grundrecht schützt anerkanntermaßen nicht nur den übermittelten Kommunikationsinhalt, sondern auch die näheren Umstände der (Tele-)Kommunikation.[13] Weil das Grundrecht damit auch die Standortdaten der Kommunizierenden schützt, könne sich der auf § 100a StPO gestützte Eingriff in das Grundrecht automatisch auch auf die Feststellung dieser Daten beziehen. Das würde nichts anderes bedeuten, als dass alle Überwachungsmöglichkeiten, die sich als technische Begleiterscheinungen aus der Telekommunikation ergeben, auch rechtlich machbar wären, sobald nur eine richterliche Anordnung nach § 100a StPO vorliegt.

Der BGH verkennt in eklatanter Weise das Verhältnis von Grundrecht und strafprozessualer Ermächtigungsgrundlage. Funktion des ersteren ist es, Rechtspositionen des Einzelnen zu schützen. Der Eingriff in diese Rechtspositionen ist nur möglich, soweit er sich aus der strafprozessualen Ermächtigungsgrundlage selbst ergibt. Von dem Schutzbereich eines Grundrechtes darf nicht auf den Anwendungsbereich einer strafprozessualen Ermächtigungsgrundlage geschlossen werden, da dies letztlich den Grundrechtsschutz ad absurdum führen würde.[14]

Das Ausweichmanöver des BGH dürfte sich daraus erklären, dass eine eigenständige strafprozessuale Auslegung des Begriffes „Telekommunikation“ keineswegs eine Subsumtion der Positionsfeststellung im Stand-by-Betrieb unter § 100a StPO zulässt. Schon vom Wortlaut her lässt sich die Ortung wohl kaum als Akt der „Kommunikation“ bezeichnen; es handelt sich vielmehr um eine technisch zwingend-notwendige Voraussetzung für die ständige Empfangsbereitschaft des Mobilfunkgerätes. Wollte man aber tatsächlich jede technische Voraussetzung dem Kommunikationsbegriff zuordnen, drohte dieser so auszuufern, dass letztlich eine völlige Begriffsleere vorliegen würde.[15]

Schließlich verbietet es sich schon angesichts der prinzipiell hohen Eingriffsintensität heimlicher Ermittlungsmethoden, bereits bestehende Ermächtigungsgrundlagen extensiv auszulegen – ein Grundsatz, dem die Rechtsprechung nur noch bedingt nachkommt. Der BGH-Ermitt­lungsrichter greift nun ein weiteres Mal tief in die juristische Trickkiste: die Standortdatenerfassung weise gegenüber der Überwachung des gesprochenen Wortes eine „bedeutend geringere“ Eingriffsintensität auf.[16] Angesichts der verhältnismäßig engen Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Anordnung nach § 100a StPO könnte eine solche Argumentation auf den ersten Blick noch als besonders „grundrechtsfreundlich“ erscheinen. Erstens aber handelt es sich bei § 100a StPO um eine abschließende Regelung, die als solche schon prinzipiell keine – vermeintlich – „milderen“ Eingriffe („Minus-Maßnahmen“) zulässt.[17] Zweitens ist die Standortdatenerfassung eben kein milderes Mittel, sondern etwas völlig anderes. Das Handy wird nämlich von den Strafverfolgungsorganen de facto zu einem Peilsender umfunktioniert (s.o.), ohne dass dem Benutzer dieses bekannt ist oder er gar – im Gegensatz zu seinem Gesprächsverhalten am Telefon – Einfluss darauf hätte. Die Erfassung der Positionsdaten anhand des Mobilfunkverkehrs im Stand-by-Betrieb und die damit verbundene Möglichkeit der Erstellung eines Bewegungsprofils ist somit nach geltendem Recht schlicht rechtswidrig.[18]

Die Ortung anhand des GPS

Das Global Positioning System (GPS) ist ein vom US-amerikanischen Militär entwickeltes Ortungs- und Navigationssystem, dem mittlerweile die tragende Rolle bei der Lokalisierung von Menschen oder Gegenständen zukommt. Es lässt unabhängig von seiner konkreten Verwendung eine bis auf wenige Meter genaue und ununterbrochene Ortung zu.[19] Bereits seit längerem existieren auch Mobilfunkgeräte mit integriertem GPS-Empfänger, so dass die Lokalisierung direkt an die Hardware gekoppelt wird.[20] Dadurch ist eine wesentlich präzisere Standortbestimmung des Mobilfunkgerätes möglich als durch die „herkömmliche” Funkpeilung, die zunächst – ohne zusätzliche aufwendige Peilmaßnahmen – nur die Bestimmung der Funkzelle zulässt, die in ihrem Ausmaße erheblich divergieren kann. Darüber hinaus geschieht die Ortung via GPS unabhängig von der verwendeten SIM-Karte, da sie bloß an das eigentliche Mobilfunkgerät gekoppelt ist. Und schließlich ist es nicht einmal notwendig, dass das Handy im (Stand-by-)Betrieb ist.

Die Anwendung des GPS auf Grundlage geltenden Rechts ist umstritten. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf im sog. AIZ-Verfahren soll der GPS-Einsatz unproblematisch unter § 100c Abs. 1 Nr. 1b StPO fallen, der den Einsatz bestimmter technischer Mittel für Observationszwecke erlaubt.[21] Bei der Verabschiedung dieser Norm dachte der Gesetzgeber jedoch an die klassischen Observationsmittel wie Peilsender oder Nachtsichtgeräte.[22] Ob sich der GPS-Einsatz mit solchen Mitteln vergleichen lässt, ist schon angesichts seiner technischen Funktionsweise mehr als fraglich.[23] Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des GPS-Einsatzes ergeben sich darüber hinaus vor allem aus dem Umstand, dass sich deutsche Strafverfolgungsbehörden eines Mittels des US-Militärs bedienen. Hier ist insbesondere die weltraumrechtliche Komponente zu beachten: Aus allen einschlägigen UN-Resolutionen und Verträgen ergibt sich, dass der Weltraum kein rechtsfreier Raum ist und ausschließlich zu „friedlichen Zwecken“ genutzt werden darf. Ob nun ein Einsatz zu repressiven staatlichen Überwachungszwecken noch als „peaceful purpose“ i.S.d. Art. 4 Abs. 2 des Weltraumvertrages anzusehen ist, erscheint zumindest zweifelhaft.[24] Der BGH hat jedoch auch hier keine Bedenken und hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 24.1.2001 im Wesentlichen bestätigt.[25]

„Wunderbox“ IMSI-Catcher

Bei IMSI-Catchern handelt es sich um Geräte, die die feste Basisstation eines Mobilfunknetzes simulieren. Jedes eingeschaltete Handy im Empfangsbereich bucht sich daher in die vermeintliche Funkzelle des IMSI-Catchers ein. Dabei erfasst das Gerät auch die Identitätsnummer des Mobilfunkgerätes (International Mobile Subscriber Identity – IMSI).

Aufgrund der IMSI-Kennung ist zum einen eine Identifikation des Mobilfunkteilnehmers möglich, anhand derer bei Vorliegen einer Abhöranordnung nach § 100a StPO beim jeweiligen Mobilfunknetzbetreiber die zugehörige Rufnummer erfragt werden kann.

Darüber hinaus ermöglicht der IMSI-Catcher auch die Weitervermittlung aller Telefonate, indem er sich gegenüber dem Mobilfunknetz wie ein Handy selbst verhält. So können Mobilfunkgespräche – jedenfalls unter Anwendung einer entsprechenden Zusatzsoftware – direkt vor Ort abgehört werden: ohne Mitwirkung des Mobilfunkbetreibers und damit letztlich auch ohne richterliche Anordnung nach § 100a StPO.[26]

Der Einsatz eines IMSI-Catchers betrifft jedoch nicht nur die eigentlich Verdächtigen, sondern bis zur Erfassung der gesuchten IMSI-Nummer auch alle anderen Mobilfunknutzer, die sich in der simulierten Funkzelle befinden – und zwar die TeilnehmerInnen aller Mobilfunknetze gleichermaßen. Dabei werden zumindest kurzfristig auch Teile des jeweiligen Mobilfunknetzes lahmgelegt. In den vergangenen drei Jahren soll diese „Wunderbox“ – so der „Spiegel“ unter Bezug auf nicht genannte offizielle Quellen – rund dreißigmal eingesetzt worden sein.[27]

Bislang fehlte für den Einsatz des Geräts jegliche rechtliche Spezialermächtigung. Zwar hatte der Bundesrat die damalige Bundesregierung schon am 4.7.1997 aufgefordert, durch Änderung des G10-Gesetzes wenigstens den Nachrichtendiensten den Einsatz des IMSI-Catchers zu ermöglichen; eine solche Regelung lehnte jedoch die rot-grüne Regierung lange Zeit ab. Sie wurde erst mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetzes Ende letzten Jahres geschaffen. Der darin enthaltene neue § 9 Abs. 4 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) erlaubt dem Inlandsgeheimdienst den Einsatz des IMSI-Catchers unter den relativ strengen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 des G-10-Gesetzes. Überdies unterliegen die Daten unbeteiligter Dritter, die bei diesem Einsatz zwangsläufig anfallen (s.o.), einem absoluten Verwendungsverbot und sind unverzüglich zu löschen.

Für das – im Vergleich zum doch recht speziellen Anwendungsbereich des BVerfSchG – wesentlich alltäglichere Strafverfahrensrecht fehlt jedoch nach wie vor eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage: Nahezu die gesamte juristische Fachwelt wie auch die Praktiker der Strafverfolgung sind der Ansicht, dass der Einsatz des IMSI-Catchers nicht durch geltendes Strafverfahrensrecht gedeckt sei. An diesem Punkt besteht eine sonst ungewöhnliche Eintracht, die vom Bundesdatenschutzbeauftragten über die Justizminister der Länder bis hin zur Generalstaatsanwaltschaft Celle reicht.[28] Nicht so jedoch die Bundesregierung, allen voran Innenminister Otto Schily: Sie stützt den Einsatz des IMSI-Catchers wiederum auf den § 100a StPO sowie zusätzlich (!) auf die umstrittene „begrenzte Generalklausel“ des § 161 StPO: Dies ist schon deswegen fragwürdig, weil eine Generalklausel grundsätzlich dann subsidiär ist, wenn speziellere Ermächtigungsgrundlagen, wie der § 100a StPO eine ist, vorhanden sind. Gleichwohl erwägt die Bundesregierung aus „Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit die Schaffung einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage der StPO.“[29] Sie gesteht damit letztlich ein, dass die Subsumtion des Einsatzes von IMSI-Catchern unter die Norm des § 100a StPO nicht dem verfassungsrechtlich erforderlichen Bestimmtheitsgrundsatz gerecht wird. Zwar hatten die Strafsenate des BGH sich bisher noch nicht mit der Zulässigkeit des Einsatzes von IMSI-Catchern zu befassen; die jüngeren Entscheidungen zur Zulässigkeit heimlicher Ermittlungsmaßnahmen insbesondere im Telekommunikationsbereich lassen jedoch befürchten, dass das Gericht auch diesbezüglich statt einer grundrechtsfreundlichen eine extensive Auslegung vornehmen wird.

Resümee

Dass sich technische Entwicklungen zwangsläufig auf Gesetzgebung und Rechtsauslegung auswirken, ist eine Binsenweisheit. Dass technik-bezügliche Gesetze schon bei ihrer Verabschiedung von den tatsächlichen technologischen Entwicklungen überholt worden sind, ist ebenfalls keine neue Erkenntnis. Dies darf jedoch schon angesichts des Bestimmtheitsgrundsatzes und des hohen Stellenwertes der Grundrechte nicht dazu führen, dass die bloße Existenz neuer Überwachungstechniken auch zwangsläufig zu ihrer Anwendung führt. Dies würde einen sorglosen Umgang mit den tatsächlichen technologischen Möglichkeiten bedeuten, der an sich schon längst überholt geglaubt war.[30] Orientiert man sich lediglich an den realen existierenden Überwachungstechnologien, so erscheint Orwells „1984“ dagegen als naiv-simple „Versuchsversion“.[31]

Dr. Björn Gercke arbeitet am Kriminalwissenschaftlichen Institut der Universität Köln. Seine Dissertation „Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren“ erscheint in Kürze bei Duncker & Humblot (Berlin).
[1] Böttger, A.; Pfeiffer, Ch.: Der Lauschangriff in den USA und in Deutschland, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 1994, H. 1, S. 7-17 (8)
[2] Artkämper, H.: Ermittlungsmaßnahmen in Funktelefonnetzen, in: Kriminalistik 1998, H. 3, S. 202-207
[3] ebd., S. 202; zur Gesetzgebung siehe BT-Drs. 13/1139, zur Rechtsprechung vgl. nur: BGH-Ermittlungsrichter, in: Computer und Recht 1998, H. 12, S. 738-741 (739); Nack, A., in: Pfeiffer, G. (Hg.): Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 4. Auflage, München 1999, § 100a, Rn. 6
[4] Perschke, St.: Die Zulässigkeit nicht spezialgesetzlich geregelter Ermittlungsmethoden im Strafverfahren, Köln 1997, S.17; ebenso: Riegel, R.: Zur Suche nach Rechtsgrundlagen für die Fernmeldeaufklärung oder strategische Rasterfahndung durch den Bundesnachrichtendienst, in: Zeitschrift für Rechtspolitik 1993, H. 12, S. 468-471 (470 f.)
[5] Artkämper a.a.O. (Fn. 2), S. 204
[6] Zum genauen technischen Ablauf vgl.: Gercke, B.: Bewegungsprofile anhand von Mobilfunkdaten im Strafverfahren – zugleich ein Beitrag zur Kumulation heimlicher Observationsmittel im Strafverfahren, Kap. 1 B., m.w.N. (erscheint demnächst)
[7] Fatah, K.: Spion am Ohr, in: com!online 2001, Nr. 6, S. 132-134 (134); innerhalb der Funkzelle ist durch weitergehende, allerdings aufwendigere Peilmaßnahmen prinzipiell eine noch genauere Ortung des Mobilfunkgerätes möglich, vgl. Landgericht (LG) Berlin, in: Datenschutz und Datensicherheit 1998, H. 12, S. 725 f.
[8] Dix, A.: Aktiver Peilsender, in: com!online 2001, Nr. 6, S. 135
[9] BGH Ermittlungsrichter, in: Strafverteidiger 2001, H. 4, S. 214-216
[10] siehe z.B. Nack a.a.O. (Fn. 3), Rn. 13, sowie LG Aachen, in: Strafverteidiger 1999, H. 11, S. 590f.; LG Dortmund, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 1998, H. 11, S. 577f.; LG Ravensburg, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungs-Report 1999, H. 3, S. 84f.
[11] vgl. mit ausführlicher Begründung: Gercke a.a.O. (Fn. 6), Kap. IV B. III
[12] LG Aachen a.a.O. (Fn. 10), S. 590
[13] Bundesverfassungsgericht, Entscheidungen (BVerfGE), Bd. 67, S. 157-185 (172); Bd. 85, S. 386-405 (396)
[14] Bernsmann, K.; Jansen, K.: Anmerkung zu LG Aachen, in: Strafverteidiger 1999, H. 11, S. 591-593
[15] So auch der BGH noch in seiner wegweisenden „Raumgesprächsentscheidung“ vom 16.3.1982 (BGH in Strafsachen, Bd. 31, S. 296-302). Dort führt er aus, dass nur die „unmittelbar“ mit dem Telefongespräch zusammenhängenden Vorgänge, wie beispielsweise das Anwählen, von § 100a StPO erfasst würden.
[16] BGH-Ermittlungsrichter a.a.O. (Fn. 9), S. 215
[17] vgl. Wälter, H.; Stienkemeier, B.: Beweissicherung im Ermittlungsverfahren, in: Kriminalistik 1994, H. 2, S. 93-100 (94)
[18] ausführlich dazu: Gercke a.a.O. (Fn. 6), Kap. IV G; vgl. auch Bernsmann, K.: Anmerkung zu BGH Ermittlungsrichter, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 2002, H. 2, S. 103f.
[19] zur Funktionsweise des GPS: http://gibs.leipzig.ifag.de
[20] s. Woznicki, K.: Handliches Mapping, www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/5688/ 1.html
[21] OLG Düsseldorf, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht 1998, H. 5, S. 268-270
[22] BT-Drs. 12/989 v. 25.7.1991, S. 39
[23] vgl. Comes, H.: Der Fluch der kleinen Schritte, in: Strafverteidiger 1998, H. 10, S. 569-573
[24] Bernsmann, K.: Anmerkung zu BGH, in: Strafverteidiger 2001, H. 7, S. 382-386
[25] BGH, in: Strafverteidiger 2001, H. 4, S. 216-219
[26] Löwnau-Iqbal, G.: Der Einsatz des „IMSI-Catchers“ zur Überwachung von Handys, in: Datenschutz und Datensicherheit 2001, H. 10, S. 578
[27] Spiegel Nr. 33 v. 13.8.2001
[28] ebd.
[29] BT-Drs. 14/6885, S. 1f.; die Notwendigkeit „begrenzter Generalklauseln“ im Strafprozessrecht versucht die Bundesregierung im Entwurf des Strafverfahrensänderungsgesetzes 1999 herzuleiten, BT-Drs. 14/1484, S. 16
[30] vgl. Bernsmann a.a.O. (Fn. 24), S. 385
[31] Sack, F.; Nogala, D.: Überwachungstechnik im Dienst der Polizei, in: Bäumler, H. (Hg.): Polizei und Datenschutz, Neuwied 1999, S. 199-214 (200)