EU-Terror-Liste

Ende letzten Jahres verabschiedete die EU erstmals eine öffentliche Liste derjenigen Personen und Organisationen, gegen die „die zuständigen Behörden gestützt auf ernsthafte und schlüssige Beweise oder Indizien“ u.a. strafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Begehung bzw. Unterstützung einer terroristischen Straftat aufgenommen haben. In ihrer ersten Version umfasste die Liste 13 Organisationen und 29 Personen, nach zwei Überarbeitungen sind es nunmehr 31 Organisationen und 35 Personen – acht Araber und 27 Basken. Seit Jahresbeginn waren elf neue baskische Verdächtige aufgenommen und vier – inzwischen festgenommene – gestrichen worden. Eine Person ist ausschließlich wegen ihrer Mitgliedschaft in der baskischen links-nationalistischen Partei Herri Batasuna aufgeführt. Das besondere Interesse der spanischen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2001 zeigt sich auch bei den Organisationen: Neben der ETA sind auch die mittlerweile verbotene Hilfsorganisation für politische Gefangene Gestoras pro-amnestia sowie deren Nachfolgeorganisation Askatasuna aufgelistet.

Insgesamt stammen nur zehn der 31 erfassten Organisationen aus der EU, davon allein sechs aus Nordirland: vier loyalistische Truppen und zwei republikanische Gruppierungen. Die IRA findet sich in der Liste nicht. Unter den 21 Nicht-EU-Gruppierungen sind sieben palästinensische (u.a. die Al-Aksa Märtyrerbrigaden, also der bewaffnete Arm der Fatah, sowie die PFLP), zwei Siedler-Gruppierungen aus Israel (z.B. die Kach), zwei Gruppen aus dem arabischen Raum und zwei aus der Türkei (Dev Sol/DHKPC sowie die PKK, die sich inzwischen in die KADEK aufgelöst hat, die aber – bislang – noch nicht in der EU-Liste auftaucht). Hinzu kommen zwei Sikh-Gruppierungen aus Indien, die rechten Paramilitärs AUC und die linke Guerilla FARC aus Kolumbien, der Leuchtende Pfad aus Peru und die Aum-Sekte aus Japan.

Die Zusammenstellung der „terroristischen Vereinigungen“ lässt kein nachvollziehbares Schema erkennen, sie folgt offenkundig primär politischen Opportunitäten und Partikularinteressen der Mitgliedstaaten. Großbritannien hat nunmehr vorgeschlagen, die Liste dahingehend zu differenzieren, inwiefern die darin aufgeführten Organisationen an Friedensverhandlungen beteiligt sind bzw. ob sie überhaupt eine Gefahr für die EU darstellen.

Unmittelbar ergeben sich aus der Liste zwei Rechtsfolgen: das Sperren bzw. das Einfrieren wirtschaftlicher Ressourcen sowie die Gewährung „möglichst weitgehender Amtshilfe“ zwischen den Mitgliedstaaten. In einem Gemeinsamen Standpunkt vom 27.12.2001 „über die Bekämpfung des Terrorismus“ versichern sich die EU-Staaten ferner – wenn auch ohne direkten Bezug auf die Terror-Liste –, wirtschaftliche Sanktionen gegen Mitglieder bzw. Mitglieder anwerbende Unterstützer terroristischer Gruppen zu erlassen und diese Personen vor Gericht zu stellen. Die Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten soll optimiert werden. Zudem ist „vor Gewährung des Flüchtlingsstatus sicherzustellen, dass der betreffende Asylbewerber keine terroristischen Handlungen geplant, erleichtert oder sich daran beteiligt hat“. „Das Vorbringen politischer Beweggründe“ dürfe kein Grund dafür sein, „Anträge auf die Auslieferung mutmaßlicher Terroristen abzuweisen.“[1]

(Mark Holzberger)

[1]      Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 344/90 und L 344/93 v. 28.12.2001; L160/32 v. 18.6.2002; EU-Ratsdok. 10729/02 v. 11.7.2002