Europäische Katastrophen: Demos und Fußballspiele

In einer kurz vor der Verabschiedung stehenden Entschließung „über die Sicherheit von Tagungen des Europäischen Rates und anderer Veranstaltungen“ bekräftigt der Rat die mittlerweile sattsam bekannten Rezepte im Umgang mit grenzüberschreitenden Demonstrationen. Dazu gehört an vorderster Stelle die Ausnahmeklausel in Art. 2 Abs. 2 des Schengener Durchführungsübereinkommens, nach der die Mitgliedstaaten für begrenzte Zeit auch ihre Binnengrenzen wieder kontrollieren dürfen. Statt generalisierter Kontrollen und dem damit verbundenen Verkehrschaos empfiehlt er eine Selektion: Durch „erkenntnisgestützte Kontrollen“ soll die Polizei bereits an den Grenzen Personen herausfiltern, gegen die „der begründete Verdacht“ besteht, dass sie „die öffentliche Ordnung und die Sicherheit der Veranstaltung stören“ wollen. Der „gastgebende Staat“ soll dazu von seinen EU-Partnern Namen und sonstige Informationen über die vermuteten Unruhestifter erhalten und kann sich von polizeilichen Verbindungsbeamten der Nachbarstaaten assistieren lassen.[1]

Ende November 2002 hatten die Minister bereits einen „Leitfaden für die Sicherheit“ von Gipfeltreffen gut geheißen, der in weiten Teilen die Regelungen einer Gemeinsamen Maßnahme von 1997 wiederholte: Aufbau von nationalen Kontaktstellen, Austausch von Daten und Einschätzungen („Risikoanalysen“) im Vorfeld von Demonstrationen, Grenzkontrollen, Entsendung von Verbindungsbeamten. Neu war an dem Leitfaden nur, dass auch Europol Analysen über zu erwartende Gefahren liefern sollte, obwohl das Amt gemäß Konvention nur für Fälle der organisierten Kriminalität und des Terrorismus zuständig ist.[2]

Auf einem ähnlichen Modell beruht seit Jahren die polizeiliche Zusammenarbeit anlässlich größerer Sportereignisse. Als nationale Kontaktstelle fungiert dabei in Deutschland die „Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze“ beim nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt, die anfänglich auch die mittlerweile beim Bundeskriminalamt geführte Datei „Gewalttäter Sport“ betreute. Die auf privatrechtlicher Basis vom Deutschen Fußballbund ausgesprochenen Stadionverbote führten fast automatisch zu einer Speicherung in der Datei.

Die Polizei-Arbeitsgruppe des Rates empfiehlt nun, insbesondere im Hinblick auf die Europameisterschaft 2004 in Portugal und die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, dieses System der Stadionverbote per Ratsbeschluss in der ganzen EU zu übernehmen. Stadionverbote sollen vorrangig gegen Personen verhängt werden, die sich eines gewaltsamen Verhaltens bei Fußballspielen „schuldig“ gemacht haben. Ob damit eine rechtskräftige Verurteilung oder – entsprechend der deutschen und der britischen Praxis – ein seitens der Polizei und/oder der Sportverbände ausgesprochener Verdacht genügt, ist dem englischen Text nicht eindeutig zu entnehmen. Nationale Stadionverbote, so will die Mehrheit der Arbeitsgruppe, sollen auch international durchgesetzt werden und bei Zuwiderhandlungen Geldbußen nach sich ziehen. Die nationalen Fußballkontaktstellen sollen den dafür erforderlichen Datenaustausch organisieren. Die Daten – so die Beschwichtigung – dürften nur für die Verweigerung des Einlasses oder für andere „angemessene“ Maßnahmen zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung verwendet werden. Soweit erkennbar hat bisher nur Schweden diesen Plänen widersprochen.[3]

(Heiner Busch)

[1]      EU-Ratsdok. 13195/03 v. 4.11.2003
[2]     EU-Ratsdok. 12637/2/02 v. 12.11.2002
[3]     EU-Ratsdok. 10966/1/03 v. 22.7.2003, 11843/03 v. 29.7.2003, 12182/03 v. 3.9.2003