Weil die Beobachtung der Organisierten Kriminalität (OK) keine originär verfassungsschutz-rechtliche Kompetenz darstelle, darf das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) OK-Phänomene nur dann mit geheimdienstlichen Mitteln überwachen, wenn diese zugleich eine Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung darstellen. Dies entschied der Sächsische Verfassungsgerichtshof (SächsVerfGH) in einem Urteil vom 21. Juli 2005, dessen Wirkung über die Grenzen des Bundeslandes hinausgehen wird.[1] Das Gericht begründet die Begrenzung der Kompetenzen des LfV vor allem mit der verfassungsrechtlich gebotenen Trennung von polizeilichen und geheimdienstlichen Aufgaben, die eine Konsequenz aus den Erfahrungen mit der DDR-Staatssicherheit darstelle.
Bemängelt und für verfassungswidrig befunden hat der SächsVerfGH darüber hinaus die Regelung über den großen Lauschangriff im Sächsischen Verfassungsschutzgesetz. Die Vorschrift entspreche nicht den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts.[2] Insbesondere fehle eine Bestimmung, nach der der Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht angetastet werden dürfe. Auch mangele es an Überwachungsabbruch-, Datenvernichtungs- und Kennzeichnungsverpflichtungen. Schließlich seien zwei Datenübermittlungsvorschriften verfassungswidrig, die es dem Sächsischen LfV erlaubten, Daten an Polizei und Staatsanwaltschaften zu übermitteln, die diese selber nicht hätten erheben dürfen. Auch insoweit entspreche das Gesetz nicht der Vorgabe aus Karlsruhe, wonach nur besonders schwere Straftaten mittels großer Lauschangriffe aufgeklärt werden dürften.
Bei der Entscheidung handelt es sich um das erste Urteil, das nach der Lauschangriffentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2004 eine Landesnorm für verfassungswidrig erklärt. Ähnliche Entscheidungen sind auch in anderen Bundesländern zu erwarten, sofern die Landesparlamente nicht von sich aus tätig werden. Verfassungswidrige Regelungen über große Lauschangriffe finden sich nicht nur in Verfassungsschutzgesetzen, sondern auch in vielen Polizeigesetzen.
(Fredrik Roggan)