Bundesgerichtshof schränkt Demonstrationsrecht ein

Am 20. Januar 2006 verkündete der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil,[1] mit dem das Hausverbot für rechtens erklärt wird, das der Betreiber des Frankfurter Flughafens gegen FlugblattverteilerInnen ausgesprochen hatte. Mit dem Flugblatt, das am 11. März 2003 am Abfertigungsschalter eines Lufthansa-Fluges nach Athen verteilt worden war, wurden die Passagiere darauf hingewiesen, dass mit dem Flug ein Ausländer gegen seinen Willen abgeschoben werden sollte. Das Flugblatt enthielt Angaben zur Person des Abzuschiebenden und wies darauf hin, dass der Mann im Wege der „Kettenabschiebung“ an die Türkei ausgeliefert werden könne. Gegen das einen Tag später ergangene schriftliche Flughafenverbot klagte eine Flugblattverteilerin vergebens vor Amts- und Land­gericht Frankfurt. Der BGH bestätigte die Urteile der Vorinstanzen.

Kraft seines Hausrechts sei der Flughafenbetreiber berechtigt, ein Hausverbot auszusprechen. Dies schließe das Recht ein, den Zutritt nur zu bestimmten Zwecken zu gestatten. In der Flughafenbenutzerordnung sei u.a. das Verteilen von Flugblättern nur nach Genehmigung durch den Betreiber zulässig. Eine solche Genehmigung habe nicht vorgelegen. Das Flugblattverteilen sei auch nicht – wie von den DemonstrantInnen behauptet – im Rahmen der freigegebenen Nutzung des Flughafens, d.h. der Begleitung des Abzuschiebenden, erfolgt, da es „in erster Linie um die Verbreitung ihrer Meinung“ gegangen sei.

Das Gericht sieht in dem Hausverbot weder eine unzulässige Beeinträchtigung der Demonstrations- noch der Meinungsfreiheit. Das Flugblatt könne zu einer Verunsicherung der Passagiere und damit „mindestens zu einer Verzögerung des Abflugs führen“. Dies müsse der Betreiber nicht hinnehmen. Außerdem stelle ein „reibungsloser Flugverkehr“ „einen gewichtigen Gemeinwohlbelang dar“.

Das Urteil ist über den Einzelfall hinaus von großer Bedeutung: Durch die zunehmende Umwandlung öffentlicher Verkehrsflächen in formell private Räume führt es zu einer erheblichen Beschränkung des Demonstrationsrechts. Der „Hausherr“, gleich ob ihm eine Straße, ein Platz oder eine öffentliche Einrichtung gehört, entscheidet demnach über die öffentlich sichtbare Meinungsäußerung. Am 15.3. reichte das „Aktionsbündnis gegen Abschiebungen Rhein-Main“ beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen das BGH-Urteil ein.

(Norbert Pütter)

[1]      Az.: V ZR 134/05 v. 20.1.2006