Deutschland für Brechmitteleinsatz verurteilt

Schon wiederholt waren Todesopfer einer Beweissicherungsmethode zu beklagen,[1] die der Bundesrepublik im Fall des sierra-leonischen Staatsangehörigen Abu Bakah Jalloh nun eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eintrug.[2] Es ging um einen staatsanwaltlich angeordneten Brechmitteleinsatz, bei dem dem sich wehrenden Betroffenen zwangsweise u.a. eine Salzlösung und der Brechmittelsirup Ipecacuanha durch eine Nasen-Magen-Sonde verabreicht wurde. Diese Behandlung führte zum Erbrechen eines Bubbles mit 0,2182 Gramm Kokain. Der Beschwerdeführer klagte noch mehrere Tage über heftige Magenprobleme und wochenlanges Nasenbluten aufgrund der gewaltsam eingeführten Sonde.

Der EGMR verurteilte Deutschland wegen Verletzung des in Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) enthaltenen Verbots unmenschlicher und erniedrigender Behandlung zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro. Die beschriebene Behandlung sei dazu angetan gewesen, beim Beschwerdeführer Angst-, Furcht- und Minderwertigkeitsgefühle hervorzurufen. Überdies habe er nicht unerhebliche Schmerzen erleiden müssen. Der EGMR stellte außerdem einen Verstoß gegen das Prinzip des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 1 EMRK fest. Durch die Verwertung der sichergestellten Drogenkügelchen im Strafverfahren sei der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit verletzt worden.

Nicht alle Bundesländer wollen eine erneute Verurteilung der Bundesrepublik wegen unmenschlicher Beweissicherungsmethoden aus­schließen: In Hamburg etwa wird der Brechmitteleinsatz für die konsequente Bekämpfung des Drogenhandels als „alternativlos“ verstanden.[3]

(Frederik Roggan)

[1]      so in Bremen und Hamburg, vgl. dazu Pollähne, H.: Bis zum Ausscheiden der Beweismittel, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 80 (1/2005), S. 75-80 m.w.N.
[2]     EGMR: Jalloh ./. Deutschland, Urteil v. 11.7.2006, nachzulesen unter www.egmr.org
[3]     vgl. dazu die Presseerklärung der HU v. 13.7.2006, www.humanistische-union.de