Zweifelhafte türkische Garantien

Am 23. Januar 2007 bewilligte das schweizerische Bundesgericht die Auslieferung von Mehmet Esiyok in die Türkei – vorbehaltlich der ausstehenden Entscheidung über Esiyoks Asylantrag und vorbehaltlich förmlicher „Menschenrechtsgarantien“ der Türkei.

Das Bundesgericht ließ die Auslieferung nur für einen der rund dreißig im türkischen Auslieferungsersuchen enthaltenen Anklagepunkte zu: Danach soll Esiyok 1995 zusammen mit anderen Mitgliedern der PKK die Ermordung eines Dorfwächters angeordnet haben. Alle anderen Tatvorwürfe seien entweder verjährt oder „zu wenig konkretisiert“. Obwohl sie in einem Strafverfahren in der Türkei also nicht berücksichtigt werden dürften, dienen sie dem Bundesgericht als Beleg dafür, dass Esiyok nicht als „legitimer Widerstandskämpfer“ anzusehen sei. Zudem habe der schweizerische Inlandsgeheimdienst, der Dienst für Analyse und Prävention, im einem Gutachten vom März 2006 dargelegt, dass die PKK, deren ZK Esiyok seit 1995 angehörte, seit 1993 in der BRD und später in der EU insgesamt als „terroristische Vereinigung“ verboten gewesen sei. Dass die Schweiz diese Kriminalisierung bewusst nicht nachvollzogen hat, nimmt das Gericht nicht zur Kenntnis.

Weiter heißt es in der Entscheidung, Berichte über die fortdauernde Folterpraxis des türkischen Staates seien „nicht leicht zu nehmen“. Sie seien aber auch kein Grund generell auf Auslieferungen zu verzichten. Auch Staaten, die „eine dramatische Bürgerkriegsgeschichte zu bewältigen haben und die noch nicht auf eine gefes­tigte rechtsstaatliche Tradition zurückblicken können“, hätten Anspruch auf Rechtshilfe zur Verfolgung von schweren Straftaten oder terroristischen Anschlägen. Die Türkei müsse dafür „praktikable Garantieerklärungen“ abgeben, d.h. der schweizerischen Botschaft in Ankara die Beobachtung des Prozesses und jederzeitige Haftbesuche erlauben. Bereits im Juli 2006 hatte die Türkei dem Bundesamt für Justiz (BJ) erste Zusicherungen gegeben, sie hat nun auch die Forderungen des Bundesgerichts akzeptiert

Ihre Bereitschaft zur Abgabe solche Zusicherungen ist neu. Sie geht nicht nur auf das Drängen des BJ, sondern – wie dem Bundesgerichtsurteil zu entnehmen ist – auch auf „verschiedene bilaterale politische und technische Konsultationen“ zurück, die offenbar vom schweizerischen Außenministerium (EDA) geführt wurden. Esiyoks  Anwälte glauben weder, dass die Türkei ihre Zusagen einhält, noch dass die Schweizer Botschaft willens und in der Lage sei, dies zu kontrollieren. Esiyok sitzt in Auslieferungshaft, seit er im Dezember 2005 auf dem Flughafen Zürich sein Asylgesuch stellte. Ende Januar ist er in den Hungerstreik getreten.

Quellen: Bundesgerichtsentscheidung 1A 181/2006, s.a. www.augenauf.ch/esiyok

(Heiner Busch)

* www.bundestag.de