Bayerisches Versammlungsrecht

Der scheidende Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem ist „ein bisschen stolz“, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit gerettet habe. Denn wenn dieses „wegen der Neonazis zerfleddert worden wäre, dann wäre es für alle zerfleddert worden“.[1] Genau das scheint derzeit zu passieren. Die Föderalismusreform hat die Gesetzgebungskompetenz für das Demonstrationsrecht in die Hände der Länder gelegt. Sachsen arbeitet an einem Versammlungsgesetz, das den „Schutz der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“ regelt. Bayern geht einen Schritt weiter. In einer Rolle rückwärts soll der Brokdorf-Beschluss des BVerfG von 1985 überwunden und ungebührliches Demonstrieren verboten werden.[2]

Um der „Würde der Opfer“ der „nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft“ willen können Versammlungen an bestimmten Tagen und Orten beschränkt oder verboten werden (Art. 15). Die Möglichkeiten der Einschränkung werden ausgedehnt auf potentielle Meinungsäußerungen, die die Würde der Opfer beeinträchtigen (Art. 15 Abs. 2). Aber auch gegen „Linksextremistische Versammlungen“, deren Teilneh­mer das Grundrecht „missbrauchen“, so die einleitende Problembeschreibung, soll die Polizei leichter vorgehen können. In Art. 7 wird das „Uniformierungsverbot“ um ein allgemeines „Militanzverbot“ erweitert und richtet sich gegen die Ausdrucksformen von „Autonomen“ und „schwarzem Block“. Ein Verstoß gegen das Verbot der Militanz kann nun als unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit geahndet werden.

Die öffentliche Ordnung wird als Schutzgut eingeführt, wie auch die „Rechte Dritter“ nicht „unzumutbar beeinträchtigt“ werden dürfen (Art. 15 Abs. 1). Auf die Gleichrangigkeit der Rechte kommt es nicht an. Dem zwingend polizeilich anzumeldenden Leiter wird die Verantwortlichkeit für das gesamte Geschehen aufgebürdet; ihm drohen Strafen. Die Polizei darf Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen (Art. 9). Ausufernd werden in Art. 20 und 21 Straf- und Bußgeldvorschriften für jeden möglichen Verstoß gegen eine der unbestimmt definierten Vorschriften erlassen.

(Elke Steven)

[1]      Frankfurter Rundschau v. 22.3.2008
[2]     Sachsen: LT-Drs. 4/11380 v. 27.2.2008; Bayern: LT-Drs. 15/10181 v. 11.3.2008