Anfang Juni 2008 legte die Prozessbeobachtungsgruppe Rostock eine Zwischenbilanz der Repression anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm 2007 vor.[1] Von den ursprünglich rund 1.600 Ermittlungsverfahren waren bis zum 15. November 2007 schon 1.086 eingestellt worden: 773, weil Straftatbestände schlicht ausgedacht waren, ohne Beweise dafür zu haben; 158 wegen geringer Schuld oder zu aufwändigen Ermittlungen. 21 Verfahren wurden gegen Auflagen eingestellt. Ende Mai befanden sich bei der Staatsanwaltschaft Rostock noch 48 im Ermittlungsstadium, 65 weitere wurden von anderen Staatsanwaltschaften bearbeitet.
Der Prozessbeobachtungsgruppe sind 61 Verfahren vor den Amtsgerichten bekannt geworden, davon endeten 23 mit Urteilen und 16 mit Beschlüssen, weitere sechs laufen noch, drei befinden sich in der Berufungsinstanz. Unter den 23 Urteilen sind zehn Freisprüche, in neun Fällen wurden Haftstrafen (meist auf Bewährung) und in vier Geldstrafen verhängt. Dass weniger als drei Prozent der eingeleiteten Ermittlungsverfahren zu einer Verurteilung führten, belegt die Willkür des repressiven Vorgehens während des G8-Gipfels in Heiligendamm.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den massenhaften Ingewahrsamnahmen. Von den gut 1.000 Freiheitsentziehungen während des Gipfels waren laut Auskunft des Amtsgerichtes Rostock in der Protestwoche 586 Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung. Lediglich 158 von der Polizei gestellte Anträge auf Gewahrsamsverlängerung wurden angenommen. 163 Anträge wurden abgelehnt. In 272 Fällen zog die Polizei ihre Anträge zurück, weil sich abzeichnete, dass sie vor Gericht keinen Bestand hätten. Gegen 102 der genehmigten Gewahrsamsverlängerungen legten die Betroffenen Beschwerden beim Landgericht ein. In 45 Fällen wurden die Gefangenen aufgrund eines Landgerichtsbeschlusses entlassen, lediglich 15 mal wurde der Gewahrsam bestätigt. Diese Bilanz zeigt den systematischen Missbrauch des Instruments der Ingewahrsamnahmen durch die Polizei. Abgerundet wird das Bild durch die Tatsache, dass die meisten der ca. 100 Strafanzeigen gegen Polizeibeamte eingestellt worden sind.
(Martin Beck)