zusammengestellt von Jan Wörlein
April 2008
01.04.: Rechte Hooligans verboten: Der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Hövelmann (SPD), verbietet den etwa 60 Mitglieder zählenden rechtsextremen Magdeburger Fußballfanclub „Blue White Street Elite“.
02.04.: Nach 27 Jahren abgeschoben: Die Berliner Ausländerbehörde lässt eine seit 1981 in Deutschland ansässige Kurdin in die Türkei abschieben, weil sie falsche Angaben über ihre Herkunft gemacht habe und aus der Türkei und nicht aus dem Libanon stamme. Die Abschiebung erfolgt, obwohl das Amtsgericht (AG) Tiergarten die Frau Ende 2006 vom Vorwurf der Identitätstäuschung freigesprochen und die Härtefallkommission die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis empfohlen hatte.
03.04.: Freispruch für „Vermummte“: Das AG Tiergarten spricht eine Moderatorin des „Transgenialen Christopher Street Days“ am 23.5.2007 vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz frei. Sie hatte sich aus Protest gegen die Festnahme einer Demonstrantin, die einen BH im Gesicht trug, kurzzeitig eine Ski-Maske aufgesetzt. Da sie als Moderatorin bekannt gewesen sei, könne nicht von einer Identitätsverschleierung die Rede sein.
04.04.: Schmerzensgeld wegen Brechmitteltod: Im außergerichtlichen Vergleich einigen sich die Mutter des am 7.1.2005 an den Folgen eines Brechmitteleinsatzes verstorbenen, mutmaßlichen Kleindealers C. und der Arzt, der im Auftrag der Bremer Polizei das Mittel verabreichte, auf ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro (vgl. Bürgerrechte & Polizei/CILIP 80 (1/2005), S. 75-80).
08.04.: Thüringer Innenminister geht: Karl Heinz Gasser (CDU) tritt ohne Angabe von Gründen zurück. Hintergrund sind Differenzen um die Reform der Landespolizei „Optopol“ und um die Besetzung des Amtes des stellvertretenden Leiters des Landesamtes für Verfassungsschutz.
09.04.: Todesschuss nach Taserfehlfunktion: Die Staatsanwaltschaft Darmstadt bestätigt Presseberichte, wonach den sechs tödlichen Schüssen, die SEK-Beamte am Heiligabend 2007 in Heppenheim auf einen geistig verwirrten Rentner abgaben, der vergebliche Versuch eines Taser-Einsatzes vorausgegangen sei. Das Gerät war nicht funktionsfähig (vgl. in diesem Heft S. 74-78).
10.04: Rechtsextremer V-Mann: Vor dem Landgericht (LG) Dresden beginnt ein Prozess wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung u.a. gegen fünf Mitglieder der Neonazi-Gruppe „Sturm 34“, die der sächsische Innenminister am 26.4.2007 verboten hat. Ein Angeklagter soll laut Presseberichten schon vor Gründung der Gruppe im März 2006 V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) gewesen sein.
18.04.: Online-Durchsuchung durch BND: Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Ernst Uhrlau, informiert die „Spiegel“-Korrespondentin Susanne Koelbl, dass sein Dienst von Juni bis November 2006 ihren E-Mail-Verkehr mit dem afghanischen Handelsminister Amin Farhang überwacht hat. Laut Presseberichten sei der BND durch einen „Trojaner“ an umfängliche Informationen des Ministeriums gelangt. Am 24.4. verzichtet das Parlamentarische Kontrollgremium darauf, Uhrlaus Rücktritt zu verlangen.
22.04.: IM-Name darf genannt werden: Das LG Zwickau hebt seine einstweilige Verfügung vom März 2008 auf, in der es die Schwärzung des Klarnamens eines ehemaligen Stasi-Spitzels in einer Wanderausstellung verlangt hatte.
23.04.: Razzia gegen Islamisten: 130 Polizisten durchsuchen in vier Bundesländern 16 Wohnungen, Moscheen und Verlagsräume. Die Staatsanwaltschaft München beschuldigt neun Personen der Bildung einer kriminellen Vereinigung zur „Werbung für den Dschihad“.
24.04.: Mangel an Beweisen: Das LG Berlin spricht vier SEK-Beamte vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt frei. Wegen der schlampigen Ermittlungen der Polizei habe sich nicht klären lassen, was genau geschah, als sie im April 2005 bei der Verfolgung eines mutmaßlichen Räubers in eine Wohnung eingedrungen waren. Ein 17-Jähriger wurde bei der Festnahme „überdurchschnittlich“ verletzt.
28.04.: Kostenloses Demonstrieren: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verbietet die Erhebung einer Gebühr für das Anmelden einer Demonstration. Greenpeace hatte gegen einen Gebührenbescheid der Stadt München im Jahre 2000 geklagt. (Az.: 1 BvR 943/02)
Mai 2008
01.05.: 1. Mai-Proteste: Bei Aktionen rund um den 1. Mai nimmt die Polizei in Berlin 162 Personen fest, gegen 15 ergehen Haftbefehle, die in neun Fällen ausgesetzt werden. Zwei taz-Redakteure werden durch Polizisten verletzt. Nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) Auflagen der Polizei aufhebt, demonstrieren in Hamburg 1.100 Neonazis und 7.000 linke GegendemonstrantInnen. Bei Zusammenstößen mit der Polizei werden 250 Personen festgenommen. In einem Regionalzug von Pinneberg nach Hamburg besetzen 60 Neonazis zwei Waggons und verbreiten über die Lautsprecheranlage rassistische Parolen. Zu Konfrontationen mit der Polizei kommt es auch in Nürnberg, wo 9.000 Linke gegen den Aufmarsch von 1.500 Rechtsextremen protestieren.
02.05.: Geldstrafe für Autobahnblockierer: Das LG Marburg verurteilt drei Studierende für eine einstündige Blockade zu Geldstrafen zwischen 650 und 910 Euro. Gegen die drei, die bei der Protestaktion gegen Studiengebühren zwischen Polizei und Blockierenden vermittelt hatten, hatte das AG Marburg in der ersten Instanz Haftstrafen verhängt.
Punk verurteilt: Im Prozess um eine Attacke auf jüdische Schüler im Januar 2007 verurteilt das AG Tiergarten (Berlin) einen Punk wegen Nötigung und antisemitischen Beleidigungen zu sieben Monaten auf Bewährung und spricht einen zweiten wegen Beweismangels frei.
05.05.: NPD-Klage abgewiesen: Laut Urteil des OVG Berlin-Brandenburg darf Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) die NPD weiter als „verfassungswidrig“ bezeichnen. Das Gericht wertet seine Aussagen als „bloße Werturteile“ und weist die Klage der NPD ab. (Az.: OVG 11 S 94.07)
06.05.: Keine Nazi-Laienrichter: Auch ehrenamtliche RichterInnen müssen besonders verfassungstreu sein, entscheidet das BVerfG und bestätigt damit die Absetzung eines Mitglieds der Nazi-Band „Noie Werte“ als Laienrichter beim Arbeitsgericht Stuttgart. (Az.: 2 BvR 337/08)
07.05.: Grundsteinlegung für BND-Zentrale: In Berlin-Mitte wird mit dem Bau der 720 Millionen teuren neuen Zentrale des BND begonnen. Der Umzug des Geheimdienstes nach Berlin kostet 1,5 Milliarden Euro.
Zwei rechtsextreme Gruppen verboten: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verbietet das „Collegium Humanum“ und den „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgter“ wegen antisemitischer Propaganda und Verherrlichung des Nationalsozialismus. 30 Objekte werden durchsucht.
Verfassungsgericht bestätigt Parlamentsarmee: Das BVerfG hält fest, dass jeder bewaffnete Einsatz der Bundeswehr durch den Bundestag abgesegnet werden muss. Die FDP-Bundestagsfraktion hatte gegen die Beteiligung deutscher Soldaten an AWACS-Aufklärungsflügen der NATO während des Irakkrieges geklagt. (Az.: 2 BvE 1/03)
15.05.: 865 Polizisten verletzt: Das Berliner Polizeipräsidium teilt mit, im Jahre 2007 seien 865 Hauptstadt-PolizistInnen verletzt worden; sieben mehr als 2006.
16.05.: Weniger Delikte angezeigt: Das Bundeskriminalamt (BKA) teilt mit, dass die in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Straftaten erstmals seit 15 Jahren unter sechs Millionen gefallen sind. 2007 wurden 5,9 Millionen Straftaten registriert; 380 000 weniger als im Vorjahr.
19.05.: Weniger Wasserwerfer: Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) teilt mit, dass die Polizeien von Bund und Ländern die Zahl ihrer Wasserwerfer von derzeit 110 auf 70 bis 80 senken wollen. Grund sei der Rückgang der Einsätze.
20.05.: Haft für Angriff auf Rabbiner: Das LG Frankfurt verurteilt einen 23-jährigen Muslim, der am 7.9.2007 in Frankfurt/M. einen 43-jährigen Rabbiner zunächst antisemitisch beschimpft und dann mit einem Messer verletzt hatte, zu dreieinhalb Jahren Haft.
21.05.: Milli Görus erfolgreich: Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entscheidet, dass Baden-Württemberg drei Tatsachenbehauptungen über die Islamische Gemeinschaft Milli Görus aus dem Verfassungsschutzbericht 2001 streichen muss. Die inkriminierten Aussagen stützten sich auf Angaben eines V-Mannes, die das LfV nicht belegen konnte. (Az.: BVerwG 6 C 13.07)
22.05.: Rechtswidrige „Hooligan-Datei“: Das Verwaltungsgericht (VG) Hannover gibt der Klage eines Fußballfans gegen seine Speicherung in der Datei „Gewalttäter Sport“ statt. Für die Datei fehle eine adäquate Rechtsgrundlage. (Az: 10 A 2412/07)
Verfahren wegen Anti-Nazi-Blockade: Vor dem AG Tiergarten endet das erste Verfahren um die Blockade einer Nazi-Demonstration am 1.12.2007 in Berlin-Neukölln mit einer Einstellung. Bis Ende Juni folgen vier weitere Einstellungen, davon eine ohne Gerichtsverfahren, und ein Freispruch. Die Betroffenen müssen Anwalts- und teilweise Gerichtskosten tragen.
25.05.: Schießerei mit der Polizei: In Bayreuth flüchtet ein 53-jähriger obdachloser Fahrradfahrer aus Berlin vor einer Polizeikontrolle und schießt unvermittelt mit einer Pistole auf die Beamten. Ein 49-jähriger Polizist wird mehrmals getroffen. Sein 37-jähriger Kollege erwidert das Feuer und trifft den Mann fünfmal in die Brust und einmal ins Gesäß, bevor dieser sich selbst in den Mund schießt. Nach Aussagen von Polizei und Staatsanwaltschaft sei er an diesem Schuss gestorben.
26.05.: „Hassprediger“ ausgewiesen: Berlins Innensenator Ehrhart Körting verfügt die Ausweisung eines 62-jährigen US-Amerikaners ägyptischer Herkunft. Der seit 2003 in Deutschland wohnhafte Lehrer soll im Internet Terroranschläge gerechtfertigt haben.
27.05.: Telekomzentrale durchsucht: 80 PolizistInnen durchsuchen im Auftrag der Staatsanwaltschaft Bonn die Zentrale der Telekom. Hintergrund ist die Überwachung von Journalisten, Gewerkschaftern und Managern durch Sicherheitsfirmen, bei der in den Jahren 2005 und 2006 auch Telekommunikations-Verbindungsdaten genutzt wurden.
28.05.: Nur ein Schuldspruch für Rechtsextreme: Das AG Halberstadt verurteilt einen geständigen 23-Jährigen für den Überall auf eine Theatergruppe am 9.6.2004 zu zwei Jahren Haft und spricht zwei weitere Angeklagte aus Mangel an Beweisen frei. Die Polizei hatte versäumt Zeugen zu befragen und Tatverdächtige festzunehmen. Polizisten verweigerten im Hauptverfahren die Aussage oder meldeten sich krank.
30.05.: Milde Strafen für rassistischen Übergriff: Im Prozess um den rassistischen Angriff auf einen Sudanesen und einen Deutschen ägyptischer Herkunft am 19.8.2007 verurteilt das Jugendschöffengericht vier junge Männer zu Bewährungsstrafen zwischen acht Monaten und dreieinhalb Jahren. Ein fünfter zur Tatzeit noch minderjähriger Täter wird verwarnt. Am 12.6. spricht das Gericht einen sechsten Angeklagten, den die Opfer nicht identifiziert hatten, frei.
Polizeilicher Todesschuss: In Hamburg-Langenhorn sollen vier PolizistInnen einen 38-jährigen psychisch Kranken in Gewahrsam nehmen, der zuvor zwei Personen attackiert hat und in seiner Wohneinrichtung randaliert. Bei einer heftigen Auseinandersetzung, bei der die BeamtInnen auch Pfefferspray einsetzen, gelingt es dem Mann, eine Dienstwaffe zu ergreifen, worauf eine Beamtin schießt und ihn in den Bauch trifft. Der schwerverletzte Mann verbarrikadiert sich in seiner Wohnung und verblutet dort.
Juni 2008
04.06.: BKA-Gesetz-Entwurf vorgelegt: Das Kabinett verabschiedet die Novelle des BKA-Gesetzes (s. in diesem Heft S. 13-20).
07.06.: Polizeilicher Todesschuss: In Dattenberg bei Koblenz tötet ein 48-jähriger Polizist einen 29-Jährigen mit drei Schüssen. Der Mann wollte seine Ex-Freundin trotz eines gerichtlichen Verbotes besuchen. Als ihn eine Funkstreife auf dem Marktplatz stellt, entreißt der Angreifer einem der Polizisten den Schlagstock und attackiert ihn. Sein Kollege gibt daraufhin die tödlichen Schüsse ab. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Opfers entdeckt die Polizei die Leiche eines 33-Jährigen.
Postdurchsuchungen rechtswidrig: Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof rügt das Vorgehen der Bundesanwaltschaft im Verfahren gegen die „militante gruppe“. Im Mai 2007 hatten Fahnder auf der Suche nach Bekennerschreiben im Berliner Briefzentrum 10 die gesamte an vier Tageszeitungen gerichtete Post kontrolliert. Dies dürfen nur MitarbeiterInnen des Postunternehmens. (Az.: 1 BGs 79/2008)
09.06.: El Masri verklagt die Bundesregierung: Der Anfang 2004 von der CIA verschleppte Khaled el Masri klagt vor dem VG Berlin gegen das Bundesjustizministerium, das Auslieferungsanträge der Staatsanwaltschaft München gegen seine mutmaßlichen Entführer wegen mangelnder Erfolgsaussichten nicht an die US-Behörden weitergeleitet hat.
10.06.: Lebenslang für Bandenmord: Das LG Münster verurteilt zwei Anhänger der Rockergruppe „Bandidos“ für den Mord an einem Mitglied der „Hells Angels“ im Mai 2007 zu lebenslanger Haft.
18.06.: KSK-Verfahren definitiv beendet: Murat Kurnaz verzichtet darauf, die im März 2008 von der Tübinger Staatsanwaltschaft verfügte und danach vom Stuttgarter Generalstaatsanwalt bestätigte Einstellung des Verfahrens gegen zwei Bundeswehrangehörige vor dem OLG Stuttgart anzufechten. Kurnaz hatte den Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) vorgeworfen, ihn Anfang 2002 in einem US-Gefangenenlager in Afghanistan misshandelt zu haben.
19.06.: Anklage wegen Todesschusses: Die Staatsanwaltschaft Hamburg erhebt Anklage wegen fahrlässiger Tötung gegen einen 50-jährigen Polizisten, aus dessen Waffe sich bei der Kontrolle zweier unbewaffneter Kreditkartenfälscher am 26.6.2007 ein tödlicher Schuss gelöst hatte.
Werbung für terroristische Vereinigung: Das Oberlandesgericht (OLG) Celle verurteilt einen 37-jährigen Iraker wegen Mitglieder- und Unterstützerwerbung für eine terroristische Vereinigung zu drei Jahren Haft. Er soll in einem Chatroom Reden von Al Qaida-Größen verbreitet haben. Konkrete Anwerbungen waren ihm nicht nachzuweisen.
21.06.: Sicherungsverwahrung für Minderjährige: Der Bundestag beschließt mit der Koalitionsmehrheit die nachträgliche Sicherungsverwahrung für Jugendliche. Am 4.6. folgt der Bundesrat diesem Votum.
Neue Durchsuchungen wegen Steueraffäre: Fahnder der Staatsanwaltschaft Bochum durchsuchen in München mehrere Objekte wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Hintergrund sind die vom BND gekauften Liechtensteiner Kontodaten. Gegen insgesamt 200 Deutsche laufen Ermittlungsverfahren. Am 18.7. verurteilt das LG Bochum in einem ersten Prozess einen 66-Jährigen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und zur Zahlung der Steuerschuld von 7,5 Millionen Euro.
24.06.: Kurdischer Sender verboten: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble verbietet den PKK-nahen kurdischen Fernsehsender Roj TV sowie die angeschlossene Produktionsfirma. Seit September 2007 läuft gegen die Firma bereits ein vereinsrechtliches Verfahren, im Zuge dessen Geschäftsräume und Wohnungen durchsucht worden waren.
Bewährungsstrafe für Flaschenwerfen: Das AG Tiergarten verurteilt einen geständigen 18-Jährigen wegen Landfriedensbruchs zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten. Der Jugendliche hatte am 1. Mai diverse Gegenstände in Richtung Polizeibeamte geworfen.
25.06.: NPD-Mann wegen Volksverhetzung verurteilt: Das LG Gießen verurteilt den ehemaligen Chef der NPD Hessen, Marcel Wöll, zu vier Monaten Haft ohne Bewährung, weil er im Wetterauer Kreistag Schulfahrten zu NS-Gedenkstätten als „Gehirnwäsche“ bezeichnete.
Verbot rechtmäßig: Das BVerwG bestätigt die Entscheidung des Landratsamts Wunsiedel vom August 2005, den Neonazi-Aufmarsch zum Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß zu verbieten. Das Landratsamt hatte sich dabei erstmals auf die im Frühjahr 2005 im Eilverfahren eingeführten §§ 15 Abs. 2 Versammlungsgesetz und 130 Abs. 4 Strafgesetzbuch gestützt, die ein Versammlungsverbot bei zu erwartenden Volksverhetzungen erlauben. (Az.: BVerwG 6 C 21.07)
Polizeilicher Todesschuss: In Langenhagen bei Hannover randaliert ein mit Messern bewaffneter 34-jähriger Mann vor der Wohnung seiner Ex-Freundin und kann von den eintreffenden PolizistInnen auch nicht durch den Einsatz von Pfefferspray überwältigt werden. Als er auf einen Beamten zustürmt, geben ein Polizist und eine Polizistin insgesamt vier Schüsse ab, von denen drei den Angreifer tödlich treffen.
29.06.: Verfassungsschutz zieht V-Leute ab: Die Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder einigen sich auf den Abzug aller
V-Personen aus der Partei „Die Republikaner“. Bayern und Niedersachsen wollen die Partei aber weiterhin nachrichtendienstlich beobachten.
30.06.: Straßburg zur „Rettungsfolter“: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hält fest, dass Folter auch zur Rettung von Menschen ein Verstoß gegen Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist, weist aber die Klage des wegen Mordes an einem Frankfurter Bankierssohn zu lebenslanger Haft verurteilten Magnus G. ab. Seine Verurteilung habe sich nicht auf das im Oktober 2002 erpresste Geständnis bei der Polizei gestützt. Die vom ehemaligen Frankfurter Polizeivizepräsidenten Wolfgang Daschner angeordnete Folterdrohung sei bereits von deutschen Gerichten verurteilt worden. (Az.: 22978/05)
Juli 2008
02.07.: (Keine) Überwachung der Linkspartei: Vor der Parlamentarischen Kontrollkommission der Bürgerschaft erklärt Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) den Stopp der Überwachung der Linkspartei durch das LfV. Bayern, Hessen und Niedersachsen bekunden, die „Beobachtung“ fortsetzen zu wollen. Das Hamburger LfV will nur noch „extremistische Teilstrukturen“ beobachten.
03.07.: Unwürdige Haft ohne Entschädigung: Das OLG Düsseldorf lehnt die Prozesskostenhilfe für die Klage eines Häftlings vor dem LG Kleve ab, der wegen seiner fünfmonatigen Unterbringung mit einem Mitgefangenen in einer acht Quadratmeterzelle auf Entschädigung geklagt hatte. Zwar sei diese Haftbedingung menschenunwürdig, doch der Häftling hätte Abhilfe beantragen sollen.
07.07.: Rote Flora gestürmt: Nach einem Handgemenge vor der „Roten Flora“ stürmt die Hamburger Polizei den linken Szenetreff. Bei den folgenden Ausschreitungen werden sieben Personen festgenommen.
Landfriedensbruch: Das LG Rostock verurteilt einen 32-Jährigen wegen vier Steinwürfen auf der Rostocker Anti-G8-Demo am 2.6.2007, wandelt aber die zuvor vom AG Rostock im beschleunigten Verfahren ausgesprochene zehnmonatige Haft- in eine Bewährungsstrafe um.
08.07.: U-Bahn-Schläger verurteilt: Das LG München verurteilt einen 21-jährigen Türken und einen 18-jährigen Griechen wegen versuchten Mordes zu zwölf Jahren Haft bzw. achteinhalb Jahren Jugendstrafe. Sie hatten im Dezember 2007 in der Münchner U-Bahn einen Rentner mit Schlägen und Tritten verletzt.
10.07.: Rücktritt nach Abhörskandal: Der Saarbrücker Kripo-Chef Peter Steffes lässt sich ins saarländische Innenministerium versetzen. Ihm wird vorgeworfen, im Jahre 2003 Unterlagen über Ermittlungsfehler im Missbrauchsfall Pascal vernichtet zu haben und Telefon-Verbindungsdaten genutzt zu haben, um Kontakte zwischen SPD-Landtagsabgeordneten und dem „Spiegel“ auszuforschen.
14.07.: Keine kriminelle Vereinigung: Die Staatsanwaltschaft Flensburg stellt das Verfahren gegen zehn Männer und eine Frau aus Hamburg, Berlin und Bad Oldesloe ein. Sie waren beschuldigt worden, im Jahr 2006 Brandanschläge auf Fahrzeuge einer Schweißtechnikfirma in Bad Oldesloe verübt zu haben. Die Bundesanwaltschaft hatte zunächst wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB) ermittelt, das Verfahren aber Anfang 2008 nach Flensburg abgegeben.
15.07.: Hohe Haftstrafen für Anschlagsplanung: Wegen eines versuchten Anschlages im Dezember 2004 auf den damaligen irakischen Premier Allawi und Mitgliedschaft in der „terroristischen Vereinigung“ Ansar al Islam verurteilt das OLG Stuttgart drei Exil-Iraker zu Haftstrafen zwischen siebeneinhalb und zehn Jahren.
16.07.: Hausdurchsuchungen bei Jugendlichen: Die Polizei durchsucht im Raum Baden-Baden insgesamt 18 Objekte und beschlagnahmt Computer, Handys, Speichermedien und „Vermummungsgegenstände“ von 15- bis 21-jährigen Jugendlichen. Ihnen wird vorgeworfen, bei einer symbolischen Hausbesetzung teilgenommen zu haben, bei der es zu Rangeleien gekommen war.
Bayerisches Versammlungsgesetz: Mit den Stimmen der CSU nimmt der Bayerische Landtag den Entwurf des umstrittenen Versammlungsgesetzes an (siehe Bürgerrechte & Polizei/CILIP 89 (1/2008), S. 79 f.).
20.07.: Nazis überfallen Jugendlager: Bei einem Neonazi-Überfall auf ein Zeltlager der Linkspartei-Jugendorganisation solid im hessischen Schwalm-Eder-Kreis wird eine 13-Jährige schwer verletzt. Die Polizei nimmt vier Personen fest. Einer der Täter ist geständig.
155 Verfahren gegen Polizisten: Der Berliner Innensenator Körting teilt mit, dass im Jahr 2007 155-mal gegen Hauptstadtpolizisten wegen des Verdachts auf Körperverletzung ermittelt wurde. 2006 waren es nur 98 Verfahren. 13 Beamte wurden verurteilt; 29 Disziplinarverfahren wurden eingeleitet.
„Gelöbnix“: 1.800 PolizistInnen sperren wegen einer Soldatenvereidigung den Platz vor dem Reichstag ab. 200 Demonstranten versuchen die Veranstaltung zu stören. Sieben werden nach Rangeleien festgenommen.
22.07: PKK-Chef verhaftet: Der mutmaßliche Deutschland-Chef der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) wird auf Weisung der Bundesanwaltschaft in Detmold verhaftet.
Sicherungsverwahrung unzulässig: Der BGH hebt eine durch das LG Dresden angeordnete Sicherungsverwahrung gegen einen wegen mehrfachem sexuellen Missbrauch Verurteilten auf. Die Verwahrung könne nur verhängt werden, wenn während der Haft neue Anhaltspunkte für die Gefährlichkeit eines Täters auftauchen. (Az.: 5 StR 274/08)
28.07.: Anklage im „mg“-Verfahren: Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen drei Berliner wegen des versuchten Brandanschlages auf drei Bundeswehrlastwagen in Brandenburg/Havel. Weiterhin wird ihnen vorgeworfen, als kriminelle Vereinigung „militante gruppe“ (mg) für weitere 25 Brandanschläge im Raum Berlin verantwortlich zu sein.
29.07.: Hogefeld bleibt in Haft: Das OLG Frankfurt lehnt einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung des Ex-RAF-Mitglieds Brigitte Hogefeld ab. Aufgrund der Schwere der Schuld müsse die seit 1993 Inhaftierte noch mindestens drei weitere Jahre Haft verbüßen.
„Schutzbund Deutschland“ bleibt verboten: Das BVerwG weist eine Beschwerde der rechtsextremen Organisation gegen ein Urteil des OVG Berlin-Brandenburg zurück. Dieses hatte das Vereinsverbot des Brandenburger Innenministers vom Juli 2006 bestätigt.