Polizeiliche Todesschüsse 2007: Unbeabsichtigte Schüsse und versagende Taser

von Otto Diederichs

Zehn polizeiliche Todesschüsse hat die Innenministerkonferenz in ihrer offiziellen Statistik für 2007 erfasst. Zwei weitere Fälle hingegen fehlen.

Gemäß IMK-Statistik haben deutsche PolizistInnen im vergangen Jahr „fast 7.200“ Schüsse abgegeben. Diese im Gegensatz zum Vorjahr (6.044 Schüsse) ungenaue Angabe ist einem Schreiben vom 10. Juli 2008 zu entnehmen, mit dem das derzeit federführende brandenburgische Innenministerium auf eine Anfrage der Redaktion antwortete. Die komplette Statistik allerdings wollte das Ministerium auch auf eine entsprechende Nachfrage nicht übersenden.[1] Die Steigerung um über tausend Fälle ist auf eine Zunahme der registrierten Schüsse auf gefährliche, kranke oder verletzte Tiere zurückzuführen: 7.074 im Jahre 2007 gegenüber 5.930 in 2006. Ein Vergleich ist allerdings auch hier mit Vorsicht zu genießen, da Hessen solche Fälle erst seit dem 16. September 2006 erfasst.

Bei den verbleibenden rund 120 polizeilichen Schüssen des Jahres 2007 handelte es sich in 46 Fällen um einen Schusswaffeneinsatz gegen Personen (2006: 27). Davon wurden 38 mit Notwehr- oder Nothilfesituationen gerechtfertigt, acht mal sei zur Verhinderung schwerer Straftaten geschossen worden.

Laut der offiziellen Information aus Potsdam kamen dabei zehn Personen ums Leben; CILIP verzeichnet hingegen auf der Basis der Presseauswertung zwölf Tote. Nachrecherchen ergaben Erstaunliches: So wurde etwa ein tödlicher Polizeischuss in Brandenburg auf das Berliner Konto gebucht, da es sich um einen Berliner Beamten gehandelt habe, der lediglich in Brandenburg wohnt (Fall 1). Hamburg hingegen hat gar keinen Fall gemeldet und wertete den Schuss auf einen Mann aus Rumänien im Juni 2007 (Fall 3) vermutlich als „unbeabsichtigte Schuss­abgabe“. Solche „Unfälle“ werden nach den im Jahre 1983 geänderten Meldegrundsätzen nicht mehr erfasst.[2] Auf unsere telefonische Nachfrage im Juni dieses Jahres lehnte die Hamburger Innenbehörde nähere Auskünfte ab und verwies stattdessen auf das – für derartige Meldungen an die IMK – gar nicht zuständige Polizeipräsidium und die Staatsanwaltschaft. Bei dem zweiten in der IMK-Statistik fehlenden Todesschuss handelt es sich vermutlich um einen aus Niedersachsen (Fall 8 oder 11). Das dortige Innenministerium beteuert jedoch, beide Fälle den IMK-Richtlinien gemäß gemeldet zu haben.

Keine Trends

Aus dem gegenüber 2006 häufigeren polizeilichen Schusswaffenge­brauch lassen sich keine Trends ablesen: Nur dreimal in den vergangenen zehn Jahren mussten wir zweistellige Zahlen von Todesschüssen vermelden: 1999 – 19 Fälle, 2004 – 10; 2007 – 12. Auch die Gesamtzahl der auf Personen abgegebenen Schüsse schwankte im letzten Jahrzehnt zwischen 27 (2006) und 63 (2004).

Auffallend ist dagegen die Tatsache, dass die tödlichen Schüsse ganz überwiegend in Alltagssituationen fielen und von normalen StreifenbeamtInnen abgegeben wurden. Die für den gewaltsamen Einsatz trainierten Sondereinsatzkommandos tauchen auch in den Szenarien der nachfolgenden Tabelle nur zweimal auf (Fälle 10 und 12). In beiden Fällen waren die Opfer psychisch gestört. Die SEK-BeamtInnen hatten vor den tödlichen Schüssen jeweils versucht, ihr Gegenüber durch den Einsatz von Elektroschockgeräten (Tasern) zu überwältigen, die aber ihren Dienst versagten – im Fall 12, weil das Gerät mit den „falschen Batterien“ und einer seit 17 Monaten abgelaufenen Kartusche geladen war.[3] Die neue Waffe hat den Anspruch, die Schusswaffe zu ersetzen. In beiden Fällen ging dieses Kalkül nicht auf. In Fall 12 ist sogar denkbar, dass erst durch den Taser jene Situation herbeigeführt wurde, in der es zum tödlichen Schuss kam.

[1]      Schreiben des Innenministeriums Brandenburg v. 13.7.2008
[2]     Schreiben der IMK-Geschäftsstelle an die Redaktion v. 5.6.1990
[3]     Berliner Morgenpost v. 10.4.2008

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