Die „militante gruppe“ (mg) beschäftigt die bundesdeutschen Staatsschutzbehörden seit Langem. Seit 2001 wurden – soweit bekannt – Ermittlungsverfahren gegen zwölf Personen eingeleitet. Teilweise wurden die Verfahren inzwischen eingestellt. Allerdings stehen seit September 2008 drei Berliner nach einem versuchten Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundeswehr in Brandenburg an der Havel vor Gericht. Laut Anklage sollen sie Mitglieder der mg sein.
Das BKA bediente sich bei seinen langjährigen Ermittlungen eines breiten Repertoires verdeckter Methoden – von Observationen und dem Einsatz von Peilsendern über die Kontrolle von Banktransaktionen bis hin zur Telefon-, Internet- und Videoüberwachung etc. Damit nicht genug: Nur durch Zufall wurde im Prozess vor dem Kammergericht Berlin bekannt, dass sich das Amt auch an der von der mg initiierten sogenannten Militanzdebatte beteiligte. Zwei BKA-Beamte verfassten im Januar 2005 unter dem Namen „Die zwei aus der Muppetshow“ und im Juli 2006 als „Einige Linke mit Geschichte (elmg)“ Beiträge, die in der Berliner Autonomenzeitschrift „interim“ erschienen.
Mit dieser „verdeckten Ermittlungsmaßnahme“ sollten Ermittlungsthesen verifiziert und gezielt BesucherInnen auf die Homepage des BKA gelockt werden – in der Hoffnung, Mitgliedern der Gruppe auf die Spur zu kommen. Ergebnisse: Keine. Die systematische Überwachung der BKA-Website und die Registrierung der IP-Adressen wurden inzwischen „als rechtlich äußerst zweifelhaft“ eingestuft und gestoppt. Die Autorentätigkeit sei mit der Generalbundesanwaltschaft abgesprochen gewesen, erklärt das BKA, andere Behörden seien davon allerdings nicht in Kenntnis gesetzt worden. Der Berliner Verfassungsschutz hielt die BKA-Beiträge offenbar für authentische linksradikale Produkte und zitierte einen in seinem VS-Bericht 2005 auf Seite 95.
Die Vorgehensweise des BKA wirft Fragen auf – nicht nur für den Prozess gegen die drei mutmaßlichen mg-Mitglieder. Die Ermittlungen in Sachen mg basieren nicht unwesentlich auf Textanalysen. Doch welchen Beweiswert haben solche Auswertungen, wenn man nicht sicher sein kann, wer die eigentlichen Verfasser der untersuchten Papiere sind? Das BKA hatte die Hinweise auf seine Autorenschaft aus den Akten getilgt. Ans Licht kam sie nur durch eine Panne bei der „Bearbeitung“ der an die Verteidigung überreichten Unterlagen.
(Martin Beck)