G 10-Maßnahmen 2010

Anfang des Jahres legte das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestages seinen Bericht über die Abhörmaßnahmen der Nachrichtendienste des Bundes nach dem Artikel 10-Gesetz (G 10) für das Jahr 2010 vor.[1] Nach § 3 G 10 dürfen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), der Militärische Abschirmdienst (MAD) und der Bundesnachrichtendienst (BND) bei einem Anfangsverdacht auf bestimmte Staatsschutzdelikte nach Genehmigung durch die G 10-Kommission die individuelle Telekommunikation überwachen und Postsendungen öffnen. Darüber hinaus darf der BND nach § 5 G 10 die internationalen Telekommunikationsbeziehungen im Rahmen der sog. strategischen Kontrolle in zuvor bestimmten Gefahrenbereichen mittels Suchworten überwachen.

Im ersten Halbjahr 2010 wurden 62 sog. individuelle Beschränkungsmaßnahmen genehmigt, im zweiten Halbjahr noch einmal 75. Davon durchgeführt vom BfV: 55 (1. Hj.)/63 (2. Hj.); BND: 6/12; MAD: 1/0. Die Anzahl der Hauptbetroffenen schwankte zwischen 433 im ersten Halbjahr und 388 im zweiten. Wieder waren mehr Kontaktpersonen von Verdächtigen (sog. Nebenbetroffene) tangiert, als eigentliche Zielpersonen: 479 im ersten Halbjahr, 440 im zweiten. Die Schwankungen zwischen den Halbjahren ergeben sich daraus, dass die Überwachungen jeweils auf maximal drei Monate befristet sind. Sie werden anschließend beendet, verlängert oder es werden neue angeordnet, sodass sie über den Halbjahreszeitraum fortdauern können.

Nach dem Bericht bildeten Überwachungsanordnungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus wie im Vorjahr den Schwerpunkt, wobei insbesondere die Bereiche „sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern“ betroffen waren sowie „Spionage und sonstige nachrichtendienstliche Aktivitäten“.

Die sog. strategische Fernmeldeüberwachung nach § 5 G 10 ordnete das BMI mit Zustimmung der G 10-Kommission in den Gefahrenbereichen „Internationaler Terrorismus“, „Proliferation und konventionelle Rüstung“ und (neu) „Illegale Schleusung“ an. Im Vergleich zu 2009 erfasste der BND-Staubsauger im Jahr 2010 drastisch mehr Telekommunikationsverkehre, nämlich das 5,5-fache: Mittels mehr als 15.000 Suchbegriffen wurden 37.338.517 E-Mails, Faxe, Sprachverkehre, Metadaten- oder Webforenerfassungen ausgefiltert.[2] Eine Steigerung um 30.496.792 erfasste Telekommunikationen. Auch wenn es sich bei den herausgefischten E-Mails, die den Löwenanteil der Erfassungen ausmachen, um 90 Prozent Spam handeln sollte, wie das PKGr schreibt, erscheint die strategische Kontrolle insgesamt fragwürdig: Der Anteil der dabei als „nachrichtendienstlich relevant“ eingestuften Nachrichten tendiert angesichts der über 37 Millionen Erfassungen nämlich gegen Null – exakt 0,0006 Prozent. Damit lagen die „Treffer“ sogar 10-mal niedriger als 2009. Im Ergebnis mehr Überwachung, aber weniger relevante Meldungen (2010: 213; 2009: 278; 2008: 394).

Strategische Kontrollen z.B. bei Entführungen deutscher StaatsbürgerInnen im Ausland nach § 8 G 10 veranlasste der BND im Jahr 2010 in fünf Fällen, wobei drei relevante Kommunikationen erfasst wurden.

Übermittlungen von Daten aus der strategischen Kontrolle des BND an ausländische Stellen fanden wie im Jahr zuvor nicht statt.

(Martina Kant)

[1]      BT-Drs. 17/8639 v. 10.2.2012
[2]     Was sich genau dahinter verbirgt und wie die strategische Kontrolle funktioniert, wollte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion dem Bundestag in weiten Teilen nicht öffentlich mitteilen, sondern nur „geheim“ oder „vertraulich“ eingestuft zur Einsichtnahme in der Geheimschutzstelle des Bundestages hinterlegen, dennoch finden sich ein paar interessante Erläuterungen in: BT-Drs. 17/9640 v. 15.5.2012, S. 3