Neu ausgerichteter Verfassungsschutz? Konsequenzen der Innenminister aus dem NSU-Debakel

von Heiner Busch

Im Falle NSU hat der Verfassungsschutz komplett versagt. An seine Abschaffung mögen die Innenminister jedoch nicht einmal denken. Ein Jahr nach der Aufdeckung des NSU planen sie die Modernisierung und Zentralisierung des Inlandsgeheimdienstes.

Die Konferenz der Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder (IMK) „steht auch weiterhin zu ihrer Aussage, dass der Verfassungsschutz eine Institution des demokratischen Rechtsstaates und maßgebliche Bewertungsinstanz für Extremismus ist.“ So steht es in der Pressemitteilung, die der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern als derzeitiger Vorsitzender der IMK am 7. Dezember 2012 herausließ. Das Gremium hatte sich in den Tagen zuvor nicht nur mit dem NPD-Verbot, sondern auch mit der „zukünftigen Ausrichtung des Verfassungsschutzes“ befasst und eine neue Richtlinie für die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt und den Landesämtern beschlossen. „Die im Verlauf des letzten Jahres erkannten Defizite in der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden können damit unterbunden werden.“ Das seltsam anmutende Bekenntnis der Innenminister zu ihrem Inlandsgeheimdienst sollte wohl die seit November 2011 andauernde Debatte um das Versagen des Verfassungsschutzes im Falle NSU, der übrigens in der Presseerklärung nur als „aktuelle Ereignisse“ vorkommt, abschließen.

Die Gründe des Versagens hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich bereits im November 2011 keineswegs darin geortet, dass der Verfassungsschutz die rechte Gefahr permanent unterschätzt hatte. Ausschlaggebend seien vielmehr mangelnde Koordination zwischen Polizei und Verfassungsschutz und zwischen Bund und Ländern gewesen. In dem 10-Punkte-Programm, das Friedrich schon am 21. November 2011 aus dem Hut zauberte, standen daher die Überprüfung „unaufgeklärter Fälle“, die möglicherweise ebenfalls auf das Konto des NSU gingen, 52 sowie der neonazistischen „Kameradschaften“ nur auf Platz neun und zehn.[1] Mit ersterem waren die fast 500 Polizisten, Strafverfolger und Verfassungsschützer, die sich Ende letzten Jahres um den Fallkomplex NSU kümmerten, ohnehin beschäftigt. Zu den Kameradschaften hatte das Bundeskriminalamt (BKA) im Jahre 2001 eine Datensammlung eröffnet, die aber Mitte 2010 – mangels Masse – bereits wieder gelöscht war. Sie hatte es bis 2009 auf ganze 241 Datensätze gebracht.[2] Nun sollte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einsetzen und die Übung wiederholen.

Ganz oben auf Friedrichs Programm stand hingegen die Einrichtung eines Gemeinsamen Abwehrzentrums gegen Rechtsextremismus (GAR), bei dem BKA und BfV die Führungsrolle übernehmen und an dem wie beim Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum (GTAZ) auch die Kriminal- und Verfassungsschutzämter der Länder, der Generalbundesanwalt, Militärischer Abschirmdienst, Bundesnachrichtendienst, Bundespolizei und darüber hinaus Europol beteiligt sein sollten.[3] Das GAR nahm im Dezember 2011 seine Arbeit auf. Ebenfalls schnell aufgegleist war die als Punkt 2 in Friedrichs Plan geführte „Verbunddatei Rechtsextremismus“ (RED). Im Februar 2012 lag ein Gesetzentwurf vor, im September wurde die Datei in Betrieb genommen.[4]

Punkt 3 der Liste des Bundesinnenministeriums (BMI) war überschrieben mit „Rechte des Generalbundesanwalts (GBA) stärken“. Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz ist der GBA bisher nur zuständig bei Delikten mit Staatsschutzbezug, die entweder originär in seine Kompetenzen fallen (z.B. terroristische Vereinigung, §§ 129a und b des Strafgesetzbuchs, StGB) oder bei denen er die Strafverfolgung an sich ziehen kann (z.B. kriminelle Vereinigung, § 129 StGB). In diesen Fällen kann er auch dem BKA die Ermittlungen übertragen. Das BMI argumentierte nun, die Morde des NSU, begangen mit der Ceska-Pistole, hätten gezeigt, „dass es nicht ausreicht, dass die Ermittlungen nur dann beim GBA konzentriert werden können, wenn die Erkenntnisse von vornherein in Richtung Staatsschutzbezug deuten.“ Der GBA sollte auch „in Fällen schwerer Kriminalität mit länderübergreifendem Bezug eine stärkere Rolle spielen“. Dass die Schwierigkeiten bei den Ermittlungen in der Mordserie nicht (oder wenigstens nicht in erster Linie) im Mangel an Koordination zu suchen sind, sondern in der fehlenden Bereitschaft, den rechtsextremen Hintergrund wahrzunehmen – darüber schwieg sich Friedrich aus. Bereits im Dezember 2011 wurde das Vorhaben allerdings auf Eis gelegt, weil die eigentlich zuständige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ihr Veto eingelegt hatte.

Drei Punkte des Programms betrafen die Arbeit und die Aufgabenteilung im Bereich der Verfassungsschutzes: Erstens, die Verlängerung der Speicherfristen für personenbezogene Informationen über Rechtsextremisten in den Dateien des BfV. Sie scheiterte ebenfalls Anfang Dezember 2011 – zumindest vorerst – am Nein der Justizministerin. Hier handelte es sich ohnehin um Augenwischerei: Zwar ist nach fünf Jahren zu prüfen, ob die Daten weiter erforderlich sind und nach zehn Jahren steht eine Löschung an. Allerdings beginnen die Fristen mit jedem Eintrag bzw. jeder Ergänzung zu einer Person neu zu laufen, so dass eine Löschung nach fünf Jahren nicht die Regel, sondern die absolute Ausnahme ist. Die 15-Jahre- Frist, die für Daten aus dem Bereich des Islamismus mit dem Anti-Terror- Gesetz von 2002 eingeführt worden war, konnte deshalb bei der letzten Verlängerung des Gesetzes problemlos entfallen.

Nicht durchsetzen konnte sich die liberale Justizministerin hingegen, zweitens, mit ihrem Nein zu „erweiterten Speicherungsbefugnissen der Verfassungsschutzbehörden in gemeinsamen Dateien“. Hier sorgten die Länder im Bundesrat für eine Änderung von § 6 des Bundesverfassungsschutzgesetzes, die mit dem Gesetz über die Rechtsextremismus- Datei in Kraft trat. Im Nachrichtendienstlichen Informationssystem (NADIS), das vom BfV geführt wird und von allen Landesämtern für Verfassungsschutz (LfV) abgerufen werden kann, konnten bis dahin nur Daten geführt werden, die „zum Auffinden von Akten und der dazu notwendigen Identifizierung von Personen erforderlich sind.“ Eine Volltextspeicherung war nur zur Spionageabwehr sowie zu „Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder Gewaltanwendung vorzubereiten“, erlaubt. Diese Ausnahmeregelung wurde nun kurzerhand auch auf den Rechtsextremismus ausgedehnt.

Im Dezember 2011 segnete die IMK, drittens, eine Änderung der „Richtlinie für die Zusammenarbeit des Bundesamtes und der Landes54 behörden für Verfassungsschutz“, kurz: Koordinierungsrichtlinie, ab. Sie lief in der Liste des BMI unter dem Titel „Zentralstellenfunktion des BfV stärken“. Unter „Federführung“ des BfV sollen sich die Ämter nun „kontinuierlich“ über Beobachtungsschwerpunkte abstimmen und „die arbeitsteilige Durchführung der erforderlichen Maßnahmen“ im Bereich Rechtsextremismus vereinbaren. Die LfV wurden verpflichtet, alle Informationen – einschließlich der ungefilterten „Quellenmeldungen“ – „unverzüglich“ ans BfV zu übermitteln, das nun zentral für die Auswertung zuständig wurde. Der neue § 6b der Richtlinie entspricht fast wörtlich der Änderung, die die IMK nach den Anschlägen in Madrid 2004 für den „islamistischen Terrorismus“ beschlossen hatte (§ 6a).[5]

Sommertheater um den Verfassungsschutz

Je weiter die Untersuchungsausschüsse bei ihrer Aufklärung vorankamen, desto offensichtlicher wurde das Versagen des Verfassungsschutzes im NSU-Komplex. Die ständig neuen Informationen über das Gestrüpp von V-Leuten rund um den NSU, das Bekanntwerden von Aktenvernichtungsaktionen und die Rücktritte beim Bundesamt und mehreren Landesämtern sorgten dafür, dass die Ämter nicht mehr aus den Schlagzeilen herauskamen. In den Medien waren nun häufiger auch Forderungen nach einer grundlegenden Reform oder gar der Abschaffung des Verfassungsschutzes zu lesen.[6] Die SPD präsentierte ein zahnloses Eckpunktepapier, in dem sie neben den üblichen Floskeln – mehr parlamentarische Kontrolle, „Mentalitätswandel“ – auch eine Stärkung der Rolle des BfV als Zentralstelle propagierte.[7] Die FDP und ihre Justizministerin schlugen einmal mehr vor, die Zahl der Landesämter durch Zusammenlegung zu verringern.[8] Es ging also nun um die generelle Frage, ob und in welchem Maße der Verfassungsschutz zu zentralisieren sei.

Einen Tag vor der IMK-Sondersitzung vom 28./29. August 2012 berichteten die Zeitungen über die Pläne des Bundesinnenministers. Das BfV sollte ermächtigt werden, die Beobachtung bundesweiter extremistischer Bestrebungen an sich zu ziehen. Es sollte auch generell für gewalttätige oder gewaltbereite „Verfassungsfeinde“ zuständig sein, während sich die Länder fortan nur noch um die als eher harmlos eingestuften Varianten zu kümmern hätten.[9] Dass die Landesminister nicht erfreut waren, von den Plänen Friedrichs aus der Presse zu erfahren, ist leicht vorstellbar. Aber auch der Inhalt der Vorschläge löste keine Begeisterung aus. Ging es doch um nichts anderes als um die Degradierung der Landesämter.

Das Ergebnis der IMK-Sondersitzung war denn auch nicht ein gemeinsamer Beschluss, sondern ein Positionsbezug ausschließlich der Länderinnenminister: ein „Eckpunkte-“ und ein „Strategiepapier zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes“. In voller Länge finden sich die beiden Texte bezeichnenderweise nicht auf der Homepage des Innenministeriums von Mecklenburg-Vorpommern, das den IMK-Vorsitz innehat, sondern auf der des niedersächsischen.[10]

Wie zu erwarten war, beharren die Länderminister darauf, dass „die föderale Aufgabenverteilung im Bereich der Inneren Sicherheit … auch nach den Erkenntnissen um den NSU-Komplex nicht zur Disposition“ stehe. „Eine pauschale Zentralisierung von Aufgaben führt nicht per se zu mehr Effizienz … Die Zusammenarbeit vor Ort, die unabdingbar notwendigen örtlichen Kenntnisse und nicht zuletzt die Verantwortung der Landesregierungen und -parlamente für diesen wesentlichen Bereich der Inneren Sicherheit erfordern die Existenz selbständiger und leistungsfähiger Landesbehörden für Verfassungsschutz.“ Und gerichtet an die Adresse der Bundesjustizministerin: „Bei einer Auflösung der Landesbehörden und der damit einhergehenden Zentralisierung der Verfassungsschutzaufgabe allein im BfV oder bei einer Zusammenlegung von LfV verschiedener Länder würden diese Aspekte der praktischen Effizienz, der politischen Verantwortung und der parlamentarischen und sonstigen Kontrolle weniger Berücksichtigung finden.“

Diese föderalistische Besitzstandswahrung ist aber nur die eine Seite des Papiers. Zugleich halten die Länderinnenminister eine neue Arbeitsteilung im „Verfassungsschutzverbund“ für erforderlich: „Die Möglichkeiten zur Übernahme von Aufgaben durch das BfV und zur Unterstützung kleinerer Verfassungsschutzämter müssen nachgebessert werden … zum Beispiel bei Observationen, G-10-Maßnahmen, der technischen Kooperation oder der Internetauswertung. Es sind alle Optimierungspotenziale beim Austausch, der Verknüpfung und Auswertung von Information konsequent auszuschöpfen.“

Es brauche eine „stärkere Verpflichtung zum Informationsaustausch“. Statt „Weitergabe von Information nur, wenn …“ müsse künftig das Paradigma „jeder bekommt jede Information, außer …“ gelten. In diesem Zusammenhang forderten die Länderinnenminister den Ausbau der Koordinierungs- zu einer „Zusammenarbeitsrichtlinie“ sowie diverse gesetzliche Änderungen – und zwar sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene, insbesondere im Hinblick auf die neue Version des „Nachrichtendienstlichen Informationssystems“, die seit 2008 unter dem Kürzel NADIS-WN (für „Wissensnetz“) im Aufbau ist. Dass dieses Konzept zwar nicht zu einer kompletten Bedeutungslosigkeit oder gar einem Ende der Landesämter, aber durchaus auch zu einer Zentralisierung und stärkeren Gewichtung des BfV führen würde, ist offensichtlich.

Herbst der Patriarchen

Was die IMK auf ihrer Dezember-Tagung genau entschieden hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Freigegeben haben die Minister zwar ihren Beschluss zum NPD-Verbot; die in der Presseerklärung genannte neue „Zusammenarbeitsrichtlinie“ blieb jedoch wie üblich unter dem Verschlusssachen- Deckel. Allerdings liegt uns das Beschlussprotokoll des Arbeitskreises IV der IMK (AK IV) vor. Die Leiter der Verfassungsschutzabteilungen der Innenministerien trafen sich am 12. und 13. November in Hilden und spulten die Sitzung ihrer Dienstherren vor. Dass Letztere den Vorschlägen ihrer Abteilungsleiter folgten, ist anzunehmen.

Die von der IMK im Dezember 2011 beschlossene Änderung der Koordinierungsrichtlinie in Bezug auf den Rechtsextremismus soll demnach auf sämtliche Arbeitsgebiete des Verfassungsschutzes ausgedehnt werden. Gemäß der neuen Zusammenarbeitsrichtlinie würden also die 57 LfV verpflichtet, alle relevanten Informationen zu allen „Phänomenbereichen“ des „Extremismus“ „unverzüglich“ ans BfV weiterzugeben. Das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) sieht in § 5 Abs. 1 bisher eine solche Übermittlungspflicht nur vor, soweit dies „für die Aufgabenerfüllung erforderlich“ ist. Die LfV sollen in Zukunft jährliche Lageberichte zu den wesentlichen Phänomenbereichen erstellen, das BfV als Zentralstelle hätte solche Berichte für alle Aufgabenbereiche zu produzieren. Es soll dafür „die zentrale Auswertung aller Informationen (vornehmen), unbeschadet der Auswertungsverpflichtung der Länder“ und die LfV wiederum informieren. Darüber hinaus will der AK IV dem Bundesamt zusätzlich eine Koordinierungskompetenz zuschanzen, die in § 5 Abs. 2 des Gesetzes festzuschreiben wäre.

Die Beobachtung „extremistischer Bestrebungen“ soll stärker arbeitsteilig sein. Bei den „gewaltorientierten“ soll das Bundesamt „die eigenverantwortliche Übernahme der Sammlung von Informationen, Auskünften und Nachrichten und deren Auswertung“ nicht erzwingen, wie das Friedrich im Sommer gefordert hatte, sondern „anbieten“ können. Auch den Einsatz „nachrichtendienstlicher Mittel“ möchte der AK IV stärker auf gewaltorientierte Bestrebungen konzentrieren. „Dies gilt auch für extremistische Bestrebungen und Personen, die mit ihrer Ideologie und Handlungsweise den (geistigen) Nährboden für Gewalt schaffen.“ Beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel soll das BfV den LfV die Unterstützung durch Verbindungsbeamte ebenfalls nur anbieten.

NADIS-WN soll als Volltextdatei für alle Aufgaben des Verfassungsschutzes zur Verfügung stehen. Das setzt eine nochmalige Änderung des § 6 BVerfSchG voraus. Die Speicherung bloßer Indexdaten, die im alten NADIS die Regel war, hätte damit ein Ende. Was bisher nur ausnahmsweise, nämlich bei der Spionageabwehr, bei „gewaltorientierten“ und seit dem Gesetz über die Rechtsextremismus-Datei auch in diesem Bereich möglich war, würde nun zur Regel. Die Einwände der Datenschutzbeauftragten wären damit endgültig vom Tisch.

Der AK IV fordert weiter eine „Harmonisierung“ der Übermittlungsvorschriften in den Verfassungsschutzgesetzen, wobei unklar bleibt, ob auch hier Gesetze geändert oder nur neu ausgelegt werden sollen. Die Vorschriften seien so zu verstehen, „dass Gründe des Quellen- und sonstigen Geheimschutzes nicht generell, sondern nur nach Abwägung der widerstreitenden Interessen einer Übermittlung entgegenstehen.“ Gesetzesänderungen will der AK IV auch für die Rechtsextremismus58 und die Anti-Terror-Datei, die bisher in erster Linie Index-Dateien waren. Sie sollen nun „analyse- und recherchierfähig“ werden.

Grünes Licht gibt der AK IV auch für die zentrale V-Mann-Datei beim BfV. Bisher wird es von den LfV nur über die „Zugangslage“ informiert. In der Datei sollen zwar keine Klarnamen, aber Grund- und Strukturdaten sowie Bewertungen der Qualität der von den V-Leuten gelieferten Informationen erfasst werden. Das BfV soll die Zusammenarbeit bei Spitzeleinsätzen koordinieren. Darüber hinaus sollen in Zukunft einheitliche Richtlinien für die V-Leute-Führung und Entlohnung gelten: Eine steuernde Beeinflussung der überwachten Organisationen durch Spitzel soll ausgeschlossen werden. Minderjährige und Personen, gegen die ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen einer „erheblichen Straftat“ läuft oder die wegen eines Verbrechens verurteilt wurden, sollen nicht mehr angeworben werden. Man will ein „standardisiertes Qualitätsmanagement“ für Einsatz und Führung. Im Regelfall soll nach fünf Jahren der V-Mann-Führer wechseln.

Durch eine zentrale Indexdatenbank für extreme Inhalte, eine gemeinsame Mediendatei und bundesweite Koordination der Zugänge will der AK IV schließlich die Internet-Überwachung forcieren. Ein „Kompetenzzentrum für die operative Sicherheit im Internet“ soll entstehen.

Mit dem vom AK IV vorgelegten und allem Anschein nach von der IMK auch beschlossenen Programm steht also erneut eine Serie von Gesetzesänderungen an, die möglicherweise noch in dieser Legislaturperiode über die Bühne gebracht werden sollen. Der „Verbund“ der Verfassungsschutzämter wird zwar nicht die Landesbehörden beseitigen, aber dennoch eine Zentralisierung beim BfV bewirken – und zwar vor allem eine der Information. Was zunächst als Konsequenz aus dem Versagen beim NSU daher kam, hat sich zu einem generellen Modernisierungsprogramm für den Inlandsgeheimdienst gemausert.

Weiter voranschreiten dürfte auch die Verzahnung mit der Polizei. Das zeigen nicht nur die Vorschläge des AK IV für die Rechtsextremismus- und die Anti-Terrordatei. Zwar hatte der Bundesinnenminister im November die Länder mit der Gründung des „Gemeinsamen Extremismus- und Terrorabwehrzentrums“ (GETZ) überfahren und einigen Ärger produziert. Der allerdings scheint nun verflogen. „Anders als in der Öffentlichkeit zeitweise diskutiert, stand die Einrichtung des GETZ unter Beteiligung der Länder zu keinem Zeitpunkt in Frage“, heißt es in der Presseerklärung des IMK-Vorsitzenden. Aus der zeitweiligen Krise soll der Verfassungsschutz gestärkt hervorgehen, lautet die Devise. So belohnt man alte Freunde.

[1] Bundesministerium des Innern (BMI): Bekämpfung rechtsextremistischer Gewalt – ergriffene und beabsichtigte Maßnahmen, ohne Datum; die Erstfassung stammte wohl vom 21.11.2011, s. dpa-Meldung vom gleichen Tag
[2] BT-Drs. 16/13563 v. 5.3.2001 und 17/2803 v. 11.6.2010
[3] www.verfassungsschutz.de/download/SHOW/thema_20121009_gar.pdf
[4] Entwurf: BT-Drs. 17/8672 v. 13.2.2012; Gesetz: BGBl. I, S. 1798 v. 20.8.2012; zum GAR und zur RED siehe den Beitrag von Sönke Hilbrans in diesem Heft
[5] Die weiteren zwei Punkte des Programms: die Verstärkung der „Internetbeobachtung“ und die Erarbeitung eines Gesamtkonzepts zur Bekämpfung rechtsextremer Gewalt. Letzteres sollte eine neu zu gründende „Koordinierungsgruppe PMK-rechts“ übernehmen, an der BKA und Landeskriminalämter, BfV und LfV sowie der GBA teilnehmen sollten – also die gleiche Runde, die auch in der „Informationsgruppe zur Beobachtung und Bekämpfung rechtsextremistischer/terroristischer Gewaltakte“ (IGR) vertreten war. 1992 gegründet, war die IGR zum Kaffeekränzchen abgesunken, das sich 2007 zum letzten Mal traf.
[6] Kostproben: „Aufräumen im Spitzel-Chaos“, Spiegel-online v. 3.7.2012; „Der Verfassungsschutz braucht eine neue Philosophie“, Tagesspiegel v. 27.8.2012; „Es ist vorbei“, Berliner Zeitung v. 29.8.2012
[7] Oppermann, T.; Hartmann, M.; Högl, E.: Den Verfassungsschutz fit machen für den Schutz der Demokratie – SPD-Eckpunkte v. 20.8.20012 55
[8] zusammengefasst in FDP-Bundestagsfraktion: Geheimdienste stärken – Verfassungsschutzverbund reformieren, Positionspapier v. 25.9.2012
[9] Süddeutsche Zeitung v. 27.8.2012
[10] www.mi.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=14797&article_id=108348&_ psmand=33