Chronologie

zusammengestellt von Otto Diederichs

September 2012

01.09.: Sicherheitspartnerschaft gekündigt: Wegen einer umstrittenen Plakataktion gegen die Radikalisierung muslimischer Jugendlicher beenden vier islamische Verbände ihre Sicherheitspartnerschaft mit dem Bundesinnenministerium. Am 20.09. verschiebt das Ministerium den Start der Kampagne auf unbestimmte Zeit.

Mammutprozess gegen Rechtsextremisten: In Koblenz beginnt ein Prozess wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen 26 Rechtsextremisten, die gezielt politische Gegner angegriffen, Brände gelegt, Polizeibeamte ausgespäht und die Errichtung eines Nazi-Staates propagiert haben sollen.

03.09.: Mobilfunkzellenabfragen: In seinem Prüfbericht bescheinigt der Berliner Datenschutzbeauftragte der Polizei des Landes „gravierende Mängel“ bei der Funkzellenabfrage. Zwischen 2009 und 2012 waren insgesamt über 6,6 Millionen Datensätze bei Mobilfunkprovidern abgefragt worden.

04.09.: Asylrecht: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet, dass Menschen, die in ihren Herkunftsländern ihre Religion nicht gefahrlos ausüben können, in der EU einen generellen Anspruch auf Asyl genießen. Hintergrund ist die Klage zweier Pakistaner, die aus der BRD abgeschoben werden sollten.

V-Leute rund um den NSU: Durch Akteneinsichten der Untersuchungsausschüsse von Bundestag und Landtagen zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) wird bekannt, dass die diversen Sicherheitsbehörden in den 90er Jahren etwa 40 der damals rund 140 Mitglieder des „Thüringer Heimatschutzes“, aus dem der NSU hervorging, als V-Leute führten. Am 10.09. erklärt Helmut Roewer, Ex-Präsident des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), vor dem Bundestagsausschuss, in seinem Amt habe es keine Richtlinien zur V-Leute-Führung gegeben; die des Bundesamtes (BfV) seien nicht anzuwenden gewesen, „weil sie hier gar nicht galten“. Am 16.10. berichten diverse Medien, dass das bayerische LfV in den 90er Jahren den fränkischen Rechtsextremisten Kai D. als V-Mann führte und dieser Aufbauhilfe für die rechtsextreme Szene in Thüringen leistete. D. stand auf der im Januar 1998 beschlagnahmten Adressliste von NSU-Mitglied Uwe Mundlos.[1]

06.09.: Bundesregierung verschweigt Polizeihilfe: Durch einen Medienbericht wird bekannt, dass die Bundesregierung in den Antworten auf mindestens 16 Anfragen der Linksfraktion umstrittene Ausrüstungs- und Ausbildungshilfen für die weißrussische Polizei während der Jahre 2008 bis 2010 verschwiegen hat.

08.09.: NPD-Verbot: Mehrere Bundesländer ziehen ihre Beiträge aus der Materialsammlung des Verfassungsschutzes für das geplante NPD-Verbotsverfahren zurück. Es sei nicht auszuschließen, dass die in dem rund 1.200 Seiten starken Dossier enthaltenen Informationen zur Verfassungsfeindlichkeit der Partei von V-Leuten stammten. Betroffen sind mehr als 300 von etwa 3.000 Belegen. Am 13. 11. geht die NPD in die Offensive und beantragt beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ihre Verfassungstreue gerichtlich zu prüfen. Am 05.12. befürworten die Länderinnenminister einen neuen Verbotsantrag, einen Tag später auch die MinisterpräsidentInnen zu. Am 14.12. beschließt der Bundesrat, einen Verbotsantrag stellen zu wollen.

Ausschreitungen bei Kurdischem Kulturfest: In Mannheim kommt es bei einem kurdischen Kulturfestival mit etwa 40.000 TeilnehmerInnen aus ganz Europa zu heftigen Ausschreitungen, nachdem die Polizei einem 14-Jährigen den Zutritt zum Gelände verwehrt, weil er eine verbotene Organisationsfahne trägt. 31 Personen werden festgenommen, 80 Polizisten verletzt.

Marsch gegen „Residenzpflicht“: In Bayern beginnen 20 Asylsuchende einen Marsch nach Berlin, um gegen die so genannte Residenzpflicht zu protestieren. Weitere aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen schließen sich unterwegs an. Die Polizei greift nicht ein. Am 05.10. erreicht der Marsch mit nunmehr 800 TeilnehmerInnen die Hauptstadt. Nach einem Protestcamp im Berliner Stadtteil Kreuzberg zieht der Protestzug am 13.10. mit ca. 2.000 TeilnehmerInnen zum Bundestag. Am 25.10. setzen etwa 30 Personen ihren Protest mit einer Mahnwache am Brandenburger Tor fort und treten in den Hungerstreik. Die Polizei baut trotz Regens – angeblich wegen einer fehlenden Genehmigung – ein Zelt ab; zudem werden in den folgenden Tagen regelmäßig Schlafsäcke, Isomatten, Decken und Schirme beschlagnahmt. Nach einem mehrstündigen Gespräch mit der Flüchtlingsbeauftragten der Bundesregierung und der Berliner Integrationssenatorin brechen die Protestierenden am 01.11. ihren Hungerstreik ab; nachdem daraufhin jedoch nichts geschieht nehmen sie ihn am 16.11. wieder auf und unterbrechen ihn erst am 02.12. wieder „um neue Kraft“ zu sammeln, wie es in ihrer Erklärung heißt.

09.09.: Gefahr rechtsextremischer Anschläge: Durch einen Medienbericht wird ein vertrauliches Papier bekannt, in dem das Bundeskriminalamt (BKA) vor möglichen Anschlägen von Rechtsextremisten auf AusländerInnen, PolizistInnen, PolitikerInnen und andere Personen des öffentlichen Lebens warnt. Es sei auch „mit Tötungsdelikten zu rechnen“.

Rocker-Kriminalität: Bei einer Alkoholkontrolle werden in Berlin zwei Zivilpolizisten von mehreren Rockern angegriffen. Ein Beamter gibt einen Warnschuss ab; verletzt wird niemand. In einem Prozess gegen Mitglieder der „Hells Angels“ wegen eines Brandanschlages sagt in Berlin am 12.09. ein Ex-Mitglied der „Bandidos“ als Kronzeuge aus und bleibt dafür in dem Verfahren straffrei. Für eine frühere Tat war er zuvor zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Laut einem Bericht des BKA kam es 2011 zu insgesamt 589 Ermittlungsverfahren gegen Rocker. Am 18.09. wird bekannt, dass eine DNA-Spur auf einen Zusammenhang zwischen den NSU-Morden und einer Schießerei unter Berliner Rockern verweisen könnte. Fünf Monate nach lebensgefährlichen Schüssen auf ein führendes Mitglied der „Hells Angels“ nimmt in Berlin ein Sondereinsatzkommando (SEK) am 21.11. zwei tatverdächtige Rocker fest. In einem gemeinsamen Großeinsatz kontrollieren am 23.11. Berliner und Brandenburger Polizei in Potsdam ein Treffen von rund 100 Rockern. Am 27.11. wird bei Offenburg die Leiche eines erschossenen „Hells Angel“ gefunden. Mit einem Großaufgebot von 500 BeamtInnen und Wasserwerfern kontrolliert die Berliner Polizei am 21.12. ein Jahrestreffen der „Hells Angels“. Gleichentags kommt es in Esslingen zu einer Messerstecherei zweier verfeindeter Rockerbanden. Ein Mann stirbt dabei.

10.09.: Salafismus: Der neue BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen, erklärt, sein Amt registriere eine zunehmende Ausreisewelle mutmaßlicher Salafisten nach Ägypten. Dem widerspricht tags darauf die Berliner „Stiftung für Wissenschaft und Politik“: Das BfV vermische unzulässigerweise Salafismus und Dschihadismus. Vor dem Landgericht (LG) Bonn gesteht der Salafist Murat K. am 10.10. eine Messerattacke, bei der zwei Polizeibeamte verletzt wurden.

Staatstrojaner: Der Chaos Computer Club veröffentlicht ein ihm zugespieltes Schreiben des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar an den Bundestagsinnenausschuss. Darin beklagt Schaar, dass ihm eine Prüfung der vom BKA eingesetzten Trojaner unmöglich gewesen sei, da die Herstellerfirma DigiTask unannehmbare Bedingungen für den Zugang zum Quellcode der Software gestellt habe. In München spricht sich der Juristentag am 20.09. für Online-Durchsuchungen mittels Trojanern und für die Vorratsdatenspeicherung aus.

13.09.: Occupy-Bewegung: In Frankfurt/Main löst die Polizei eine Mahnwache der Occupy-Bewegung auf, nachdem die Anmelderin diese zuvor für beendet erklärt hatte.

Rechtswidrige Dublin-II-Abschiebung: Durch Presseberichte wird bekannt, dass die Bundespolizei einen afghanischen Asylbewerber bereits am 21.08 nach Italien abgeschoben hat, obwohl das Verwaltungsgericht Oldenburg zuvor im Eilverfahren die Abschiebeanordnung ausgesetzt hatte, weil Flüchtlingen in Italien menschenunwürdige Behandlung und Obdachlosigkeit droht.

Sachsen-Anhalts LfV-Chef geht: Volker Limburg tritt von seinem Amt zurück – angeblich weil seinem LfV seit 1995 das Protokoll einer Befragung von NSU-Mitglied Uwe Mundlos durch den Militärischen Abschirmdienst vorlag.

V-Mann Thomas S.: Durch Medienberichte wird bekannt, dass das Berliner Landeskriminalamt (LKA) den mutmaßlichen NSU-Unterstützer Thomas S. von Ende 2000 bis Anfang 2011 als V-Mann führte und dabei Hinweise auf mögliche Aufenthaltsorte des NSU-Trios erhielt. Erst im März hatte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) dies dem Generalbundesanwalt, nicht aber dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages gemeldet. Um den Anschein der Befangenheit auszuräumen, zieht sich Henkels Amtsvorgänger Ehrhardt Körting (SPD) am 17.09. aus der Bund-Länder-Kommission zum „Rechtsterrorismus“ zurück. Am 27.09. ernennt Henkel Oberstaatsanwalt Dirk Feuerberg als Sonderermittler in der Sache. Am 06.11. wird bekannt, dass beim LfV Berlin im Juni 25 aussortierte Rechtsextremismus-Akten geschreddert wurden. Darin sollen sich keine Hinweise auf den NSU, aber auf V-Mann Thomas S. befunden haben. Am 13.11. tritt Claudia Schmid als LfV-Präsidentin zurück. Am 14.01.2013 legt Feuerberg seinen Bericht vor.

15.09.: Nazi-Demo verhindert: In Potsdam verhindern mehr als 2.500 Menschen friedlich einen geplanten Aufmarsch der NPD.

17.09.: GSG 9: In Bonn begeht die Spezialeinheit der Bundespolizei ihr 40-Jähriges Bestehen. In dieser Zeit hat sie über 1.700 Einsätze absolviert, bei denen drei Beamte ums Leben kamen.

18.09.: Terrorismus-Verdacht: In Bonn wird ein 20-Jähriger Deutsch-Afghane festgenommen. Er wird verdächtigt Mitglied der „Islamistischen Bewegung Usbekistans“ (IBU) zu sein.

19.09.: BKA-Chef bleibt: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verlängert die Amtszeit von BKA-Präsident Jörg Ziercke bis Mitte 2014.

Rechtsextremismus-Datei: In Berlin wird die neue Datenbank in Betrieb genommen. Nach dem Vorbild der Anti-Terror-Datei speichern hier Polizei und Geheimdienste ihre Informationen über Rechtsextremisten.

21.09.: Neues Meldegesetz: Der Bundesrat streicht die Regelung, wonach Meldeämter die Daten von BürgerInnen ohne deren Zustimmung zu Werbezwecken verkaufen können, aus der Neufassung des Gesetzes.

Demonstrationen gegen Mohammed-Video: In verschiedenen Städten protestieren mehrere hundert Menschen friedlich gegen ein islamfeindliches Hetz-Video. Unterstützung bekamen die Muslime auch von anderen Religionsgemeinschaften.

Oktober 2012

04.10.: Neonazis verurteilt: Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt ein Urteil des LG Stuttgart gegen zwei Rechtsextremisten, die im April 2011 aus einer Gruppe heraus eine grillende türkische Familie überfallen hatten. Danach können Mitglieder rechtsextremer Banden auch dann verurteilt werden, wenn die Tat einzelnen Personen nicht konkret zugeordnet werden kann.

06.10.: Tod nach Polizeischüssen: Ein 50-Jähriger ist im Berliner Stadtteil Wedding mit einer Axt und zwei Messern unterwegs. Als die herbeigerufenen Polizisten ihn auffordern, die Waffen niederzulegen, kommt es zu einer Auseinandersetzung, bei der die Beamten Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzen und schließlich mehrfach auf den Mann schießen. Laut Polizeiangaben sei es erst durch den Einsatz weiterer Beamter und eines Polizeihundes gelungen, dem am Boden liegenden schwer Verletzten sein Messer zu entreißen. Am 19.10. stirbt der Mann im Krankenhaus.

Anti-Nazi-Proteste: In Göppingen protestieren rund 200 Personen zunächst friedlich gegen einen Neo-Nazi-Aufzug; am Nachmittag kommt es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und etwa 2.000 GegendemonstrantInnen. 60 Personen werden festgenommen.

07.10.: Rechte Berliner Polizisten: Durch einen Pressebericht wird bekannt, dass sich mehrere Berliner Polizisten im Nazi-Ausrüstungsladen des NPD-Landeschefs mit privater Einsatzkleidung ausstatten.

08.10.: Polizisten im Ku-Klux-Klan: Medien berichten unter Berufung auf einen Informanten des BfV, dass in Baden-Württemberg um die Jahrtausendwende mindestens fünf Polizisten Mitglieder des deutschen Ku-Klux-Klans (KKK) waren. Dem Landesinnenministerium sei dies seit 2002 bekannt gewesen, aber ohne dienstliche Folgen für die Beamten geblieben. Innenminister Reinhold Gall (SPD) unterrichtet am 25.10. den Landtag in nichtöffentlicher Sitzung, dass auch ein Verfassungsschützer seinerzeit Mitglied des KKK gewesen sei und diesen vor einer Telefonüberwachung gewarnt hatte.

10.10.: Entschädigung wegen Folterandrohung: Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt/M. bestätigt ein Urteil des Landgerichts von 2010, wonach dem Entführer und Kindermörder Magnus Gäfgen wegen der ihm seinerzeit von der Polizei angedrohten Folter eine Entschädigung von 3.000 Euro zusteht. Eine Revision ist nicht mehr möglich.

Beobachtung der Linken: Auf eine parlamentarische Anfrage der GRÜNEN-Bundestagsfraktion bestätigt das Bundesinnenministerium, dass das BfV die Jugendorganisation „Solid“ der Partei seit zwei Jahren überwacht.

12.10.: Opferschutzbeauftragter: Als erstes Bundesland ernennt Berlin einen Opferschutzbeauftragten. Er soll die verschiedenen Hilfsorganisationen für Gewalt- und Kriminalitätsopfer vernetzen und koordinieren.

16.10.: Schmerzensgeld für Prügelopfer: Das Amtsgericht (AG) Berlin-Tier­garten spricht einem Demonstranten, der 2009 wegen eines angeblich nicht befolgten Platzverweises von Polizisten verprügelt wurde, ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zu. Er hatte einen Oberlippenabriss, Prellungen und Abschürfungen sowie eine Traumatisierung erlitten.

17.10.: Urteil zu S-21-Übergriffen: Das AG Stuttgart verurteilt einen Polizisten wegen rabiaten Verhaltens bei einer Demonstration gegen das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe.

18.10.: Rechtextremer Bundespolizist: Nach vorherigen verdeckten Ermittlungen setzt die Bundespolizei die GSG 9 gegen einen ihrer Beamten ein, der tief in die Aktivitäten rechtsradikaler Organisationen verstrickt sein soll.

30.10.: Racial profiling: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz hält fest, dass die ausschließlich aufgrund der Hautfarbe erfolgte Kontrolle eines schwarzen Studenten durch die Bundespolizei im Dezember 2010 rechtswidrig gewesen ist. Der Leiter der zuständigen Bundespolizeidirektion entschuldigt sich, der Beschluss bleibt ohne Folgen (Az: 7A 10531/12.OVG).

31.10.: Polizeilicher Schusswaffengebrauch: Im hessischen Idstein nimmt ein psychisch kranker 17-Jähriger seinen kleinen Bruder als Geisel. Als er herbeigerufene Polizisten mit einem Messer angreift, schießt ein Beamter und verletzt ihn schwer.

November 2011

02.11.: Polizeilicher Todesschuss: In Singen (Baden-Württemberg) wollen Polizisten einen 64-Jährigen Mann, der seine Haftstrafe nicht angetreten hat, zur Vorführung abholen. Der Mann liegt betrunken auf seinem Bett und zielt mit einem (Schreckschuss)-Revolver auf die Beamten. Als er auf Aufforderung seine Waffe nicht niederlegt, schießt einer der Beamten auf ihn und trifft ihn tödlich.

03.11.: V-Leute-Datei: Als Folge der NSU-Affäre plädiert der neue BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen für ein zentrales V-Leute-Register des Bundes und der Länder bei seiner Behörde. SPD und CDU und am 07.12. auch die Innenministerkonferenz unterstützen den Vorschlag.

06.11.: Anti-Terror-Datei: Im Kontext der Verfassungsbeschwerde eines ehemaligen Richters führt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Anhörung über die Rechtmäßigkeit der Anti-Terror-Datei durch.

07.11.: Tatprovokation: Das LG Berlin verurteilt vier Drogenschmuggler, die 2009 versucht hatten, insgesamt 100 Kilo Kokain zu importieren, zu relativ milden Haftstrafen zwischen zwei und viereinhalb Jahren. Ein V-Mann der Berliner Polizei und ein Verdeckter Ermittler des Zolls hatten sie gezielt und über längere Zeit zu dieser Tat gedrängt.

08.11.: NSU-Anklage: Vor dem OLG München erhebt die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Beate Zschäpe – u.a. wegen Mordes in zehn Fällen – sowie gegen Ralph Wohlleben, André E., Holger G. und Carsten S. Gegen acht weitere NSU-Unterstützer dauern die Ermittlungen an.

15.11.: Neues Abwehrzentrum: Bundesinnenminister Friedrich eröffnet in Köln das „Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum“ (GETZ), in dem Polizeien und Geheimdienste des Bundes und der Länder regelmäßig ihre Informationen über Rechts-, Links- und Ausländerextremismus, Spionage und Proliferation austauschen sollen. Das erst elf Monate zuvor gegründete „Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus“ (GAR) geht in das neue GETZ auf. Da die Länder erst eine Woche zuvor über die Gründung des GETZ informiert wurden, verweigern sechs zunächst ihre Mitarbeit. Am 07.12. gibt die Innenministerkonferenz nachträglich ihren Segen zu der neuen Institution.

Aufbauhilfe für Neonazis: Die Presse berichtet, dass das Bayerische LfV in den 90er Jahren über einen V-Mann aktiv an Aufbau und Betrieb des rechtsradikalen „Thule“-Netzwerkes beteiligt war.

Sicherungsverwahrung: Das LG Augsburg verurteilt einen Mann, der 2002 ein 12-Jähriges Mädchen getötet hatte, nach verbüßter Haft zu nachträglicher Sicherungsverwahrung, da bei ihm weiterhin ein hohes Risiko für weitere Tötungsdelikte bestehe. Am 29.11. entscheidet das OLG Karlsruhe in zweiter Instanz, dass Baden-Württemberg vier ehemals sicherungsverwahrten Männern für den überlangen Freiheitsentzug insgesamt 240.000 Euro Entschädigung zahlen muss. Am 01.12. reichen in Berlin sieben Männer ebenfalls Klagen wegen zu langer Sicherungsverwahrung ein. Hessen und Thüringen unterzeichnen einen Staatsvertrag über den Neubau einer Haftanstalt für Sicherungsverwahrte. Hessen hat zu diesem Zeitpunkt 48, Thüringen 10 Sicherungsverwahrte.

16.11.: Übergriffe gestanden: Vor dem AG Tiergarten gesteht ein Polizist überraschend, in der Silvesternacht 2010 einen 23-Jährigen derart geprügelt zu haben, dass dabei sein Holzschlagstock zerbrach. Seine Kollegen hatten zuvor gemeinschaftlich versucht, den Vorfall zu vertuschen. Der Beamte wird zu 10 Monaten auf Bewährung verurteilt.

19.11.: Nationales Waffenregister: Bundesinnenminister Friedrich verkündet den Start eines zentralen Waffenregisters beim Bundesverwaltungsamt in Köln zum 1. Januar 2013. Damit setzt die Bundesrepublik zwei Jahre früher als gefordert eine EU-Richtlinie um.

22.11.: Elektronische Fußfessel: Das Berliner Abgeordnetenhaus billigt ein Gesetz zur Einführung der „elektronischen Fußfessel“ und zur Beteiligung an der länderübergreifenden Überwachungsstelle in Hessen.

Polizeiübergriff auf Zivilpolizisten: Das AG Frankfurt/M. verurteilt zwei Polizisten zu Geldstrafen, die im März 2011 bei einem Einsatz gegen Fußball-Hooligans, zwei Zivilbeamte schwer verprügelt hatten.

27.11.: Misshandlung: Das LG Traunstein verurteilt den Rosenheimer Polizeichef zu einer elfmonatigen Bewährungsstrafe und einem Schmerzensgeld von 6.000 Euro. Er hatte im Sommer 2011 auf einem Volksfest einen 15-jährigen Schüler schwer misshandelt. Der Beamte legt Revision ein.

Dezember 2012

04.12.: Fall Oury Jalloh: Im Verfahren um den Verbrennungstod des aus Sierra Leone stammenden Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Gewahrsamszelle des Dessauer Polizeireviers 2005 lehnt das LG Madgeburg ein neues Brandgutachten ab. Angeklagt ist ein Dienstgruppenleiter der Polizei, der beim Brand in Jallohs Zelle im Januar 2005 nicht auf die Signale des Feuermelders reagiert haben soll. In einem ersten Verfahren war er im Dezember 2008 freigesprochen worden. Am 13.12. verurteilt das Gericht den Beamten wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassung zu einer Geldstrafe in Höhe von 10.800 Euro. Am 15.12. legt die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Revision ein (siehe den Beitrag von Dirk Vogelskamp auf S. xx-xx).

07.12.: Polizeilicher Todesschuss: Im südhessischen Lindenfels ruft ein 31-Jähriger Mann bei der Polizei an und droht mit einem Amoklauf. Als die Beamten ihn stellen, bedroht er sie mit einer Schusswaffe. Einer der Beamten schießt und trifft den Mann tödlich in die Brust.

10.12.: Mutmaßlicher Terroranschlag misslungen: Auf dem Bonner Hauptbahnhof wird eine Tasche mit Sprengmaterialien gefunden. Laut den Ermittlungen hat der Sprengsatz aufgrund eines Konstruktionsfehlers nicht gezündet. Zwei am 11.12. festgenommene Männer aus der lokalen Islamistenszene müssen tags darauf wieder freigelassen werden, weil sich der Verdacht gegen sie nicht halten ließ. Nach Zeugenaussagen und Videoauswertungen wird nach drei Männern gesucht, von denen zumindest einer Kontakte zu islamistischen Terroristen haben soll. Am 23.12. kündigt die Bahn an, die Videoüberwachung von Bahnhöfen zu verschärfen und auszuweiten.

12.12.: Rechte terroristische Vereinigungen: Die Bundesanwaltschaft gibt bekannt, man ermittele derzeit gegen drei rechtsextremistische Gruppierungen wegen des Anfangsverdachtes der Bildung einer terroristischen Vereinigung.

13.12.: Fall el-Masri: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Mazedonien zu einer Schmerzensgeldzahlung an den Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri. El-Masri war 2003 in Mazedonien verhaftet und an ein CIA-Kommando übergeben worden, das ihn als vermeintlichen Terrorverdächtigen in ein afghanisches Folterlager verschleppte.

129b-Urteil: Das Kammergericht Berlin verurteilt einen 27-jährigen Deutschen wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu vier Jahren und drei Monaten Haft. Als Mitglied der „Deutschen Taliban Mudschahidin“ (DTM) habe er sich in Afghanistan an Waffen und Sprengstoffen ausbilden lassen und an zwei Propaganda-Videos mitgewirkt.

17.12.: Überprüfung rechter Straftaten: Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) entspricht einer Forderung des „Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ und kündigt an, sämtliche Tötungsfälle im Land seit 1990 auf einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund neu untersuchen zu lassen.

20.12.: Massengentests: Der Bundesgerichtshof begrenzt die Verwertung von Massengentests. Künftig darf die Polizei so genannte Beinahe-Treffer von Verwandten eines Täters nicht mehr verwenden. Hintergrund ist ein Vergewaltigungsfall in Niedersachsen vom Juli 2010 (Az: 3 StR 117/12).

[1]      Hier notieren wir nur ausgewählte Ereignisse rund um den „Nationalsozialistischen Untergrund“. Eine von Martina Kant zusammengestellte ausführliche Chronologie zum Thema – von November 2011 bis Dezember 2012 – findet sich in Bürgerrechte & Polizei/CILIP 101-102 (1-2/2012), S. 13-23.