Wie Europol grenzüberschreitende verdeckte Ermittlungen und Überwachung koordiniert

Die Europäische Union hat zwar Agenturen für die polizeiliche und grenzpolizeiliche Zusammenarbeit, verfügt jedoch nicht über Polizeivollmachten. Das Gleiche gilt für verdeckte Maßnahmen zur Observation und Überwachung. Trotzdem ist die Polizeiagentur Europol in diesem Bereich sehr aktiv und arbeitet seit Jahren daran, entsprechende Einheiten und Arbeitsgruppen aus den Mitgliedstaaten zu vernetzen.

Zuerst hatte Europol im Jahre 2008 eine „Expertenkonferenz“ zur verdeckten Überwachung abgehalten, eine weitere folgte in 2011. Zu den wesentlichen Teilnehmern gehörte die europäische „Cross- Border Surveillance Working Group“ (CSW), ein 2005 gegründeter Zusammenschluss einiger mobiler Einsatzkommandos bzw. vergleichbarer Einheiten aus den Mitgliedstaaten. Dem Bundesinnenministerium zufolge untersucht die CSW „Möglichkeiten des Technikeinsatzes in der Verbrechensbekämpfung“ in den Teilnehmerländern. Sie befasst sich außerdem mit der Frage, wie die „täterseitigen Aktivitäten und technischen Möglichkeiten zur Erkennung polizeilicher Maßnahmen“ verhindert werden können.

Die CSW gehört eigentlich nicht zur Europäischen Union, soweit bekannt sind seit ihrer Gründung 14 EU-Mitgliedstaaten – nämlich Belgien, die Niederlande, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Portugal, Dänemark, Österreich, Italien, Finnland, Irland, Luxemburg, Schweden, und Deutschland – sowie das assoziierte Schengen-Mitglied Norwegen beteiligt. Das Bundeskriminalamt (BKA) gehört neben Europol sowie Behörden aus Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden zur Steuerungsgruppe der CSW. Anfang diesen Jahres hat sich die CSW in „European Surveillance Group“ (ESG) umbenannt. Zuletzt traf sich das Netzwerk zur Frühjahrstagung in Lissabon und zur Herbsttagung in Berlin.

Neustart mit osteuropäischem Netzwerk

Um auch osteuropäische Staaten einzubinden, hat Europol 2014 eine „Versammlung der Regionalgruppen zur verdeckten Observation und Überwachung“ („Assembly of Regional Groups on Surveillance; ARGOS) in Den Haag organisiert. Mit dabei war das 2012 gegründete „Surveillance Expert Network for Southeast Europe“ (SENSEE), das zur „Polizeikooperationskonvention für Südosteuropa“ (PCC SEE) gehört. Obwohl das SENSEE keine Einrichtung der Europäischen Union ist, werden die Ausgaben des Osteuropa-Netzwerks zur Teilnahme bei ARGOS von Europol finanziert. Ebenfalls zur ARGOS-Konferenz eingeladen war die Europol-Arbeitsgruppe von VerbindungsbeamtInnen für sogenannte kontrollierte Lieferungen („Working Group on Controlled Delivery“) sowie eine neugegründete „Surveillance Cooperation Group“ (CSG). Auch Behörden aus Nicht-EU-Ländern nahmen teil, das Bundesinnenministerium spricht von Delegierten „aus 37 Staaten“.

Im Rahmen von ARGOS werden neben „Herausforderungen und Möglichkeiten des Technikeinsatzes in der Verbrechensbekämpfung“ auch rechtliche Rahmenbedingungen thematisiert, mit denen verdeckte Observationen und Ermittlungen erleichtert werden können, darunter die Nutzung der mittlerweile in Kraft getretenen Europäische Ermittlungsanordnung. Inzwischen ist aus ARGOS ein Netzwerk unter Federführung von Europol geworden, das jährliche Treffen seiner Steuerungsgruppe abhält und eine zweite große Konferenz zur „Zukunft der verdeckten Überwachung“ plant. Kommuniziert wird über das Europol-System SIENA, weitere Unterstützung kommt von der EU-Polizeiakademie CEPOL. Nicht alle Mitgliedstaaten bringen sich in ARGOS gleichermaßen ein, aus einer Anwesenheitsliste für ein Vorbereitungstreffen der Konferenz geht hervor, dass daran außer Europol Großbritannien, Slowenien, die Slowakei und Österreich teilnahmen. Das Vortreffen sowie die ARGOS-Konferenz fand im slowenischen Sekretariat des SENSEE in Ljubljana statt.

Grenzüberschreitende Verfolgung von Peilsendern

2011 kamen der Bundespolizei Daten von GPS-Wanzen abhanden. Hier eine Rekonstruktion der verfolgten Personen bzw. Sachen.

Im Bereich der Überwachungstechnologie arbeiten die bei ARGOS beteiligten Polizeibehörden an einer Lösung für die grenzüberschreitende Verfolgung von Peilsendern. Seit Jahren betreibt Europol hierzu das Projekt einer „European Tracking Solution“ (ETS), um GPS-basierte Sender mit einem einheitlichen Datenprotokoll zu verfolgen. Damit würden die teilweise unterschiedlichen nationalen Systeme standardisiert. Der ursprüngliche Vorschlag für eine solche „Europäische Trackinglösung“ stammte vom Ostsee-Netzwerk der Grenzbehörden und wurde von Europol zunächst in einer eigens eingerichteten Arbeitsgruppe behandelt. Unter Beteiligung des BKA hat Europol eine Machbarkeitsstudie durchgeführt und ein Konzept für den Austausch von Ortungsdaten zwischen den nationalen Ortungsservern der Mitgliedstaaten und einem Trackinggateway bei Europol erstellt. Nach einem mehrwöchigen Pilotprojekt im vergangenen Jahr soll das ETS im ersten Quartal 2018 an den Start gehen.

Auch verdeckte ErmittlerInnen nutzen mitunter Technologien zur Bestimmung ihres Aufenthaltsortes oder zum heimlichen Aufzeichnen von Gesprächen („Einsatzmittel für das Abhören des nicht öffentlich gesprochenen Wortes“). Für ihre Verwendung hat die Europäische Union ebenfalls keine Kompetenz. Die EU-Mitgliedstaaten behandeln technische und rechtliche Fragen des grenzüberschreitenden Einsatzes verdeckter ErmittlerInnen deshalb in Netzwerken, die außerhalb der EU-Zuständigkeit liegen. In Europa ist dies die „European Cooperation Group on Undercover Activities“ (ECG), auf internationaler Ebene die „International Working Group on Police Undercover Activities (IWG). In beiden Netzwerken ist Europol kein Mitglied. Die Agentur koordiniert jedoch ein „Netz von Sachverständigen für den Umgang mit Informanten“, an dem die Europol-Mitglieder teilnehmen. In Deutschland werden die Spitzel als „Vertrauenspersonen“ bezeichnet, in Veröffentlichungen von Europol heißen sie „Covert Human Intelligence Source“ (CHIS). Mit ihren konkreten Einsätzen hat Europol nichts zu tun, führt allerdings ein Register ihrer Führungspersonen in den Mitgliedstaaten.

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