Geheimdienstgilde außer Kontrolle: Der Club de Berne

von Jan Jirát und Lorenz Naegeli

Offiziell gilt der Club de Berne als Zusammenschluss der europäischen Geheimdienste. Neue Dokumente zeigen, dass auch US-Dienste mitmischen und dass die Geheimdienstgilde mittlerweile eine eigene operative Plattform samt personenbezogener Datenbank führt – ohne demokratische Kontrolle.

Ein rotes Kreuz, 27 weiße Sterne und der Berner Bär: So sieht das Wappen des Club de Berne aus. Ein Wappen, das nie an die Öffentlichkeit hät­te gelangen sollen. Doch im November 2019 publizierte „Österreich“[1] ein internes Dokument und bescherte dem ominösen Geheimdienstclub damit das größte Leck seiner Geschichte. Offizielle Informationen über den Club de Berne gibt es nur wenige. Und es sind stets dieselben: Ob in einem Budgetbericht des EU-Parlaments zu Antiterroraktivitäten von 2015[2] oder in einer Mitteilung des Schweizerischen Bundesamts für Polizei (Fedpol) vom April 2004:[3] Der Club de Berne ist stets als „informeller Club“ beschrieben, der die Geheimdienstchefs der EU-Staaten sowie der Schweiz und Norwegens zusammenbringe.

Doch kürzlich belegte die Schweizer Wochenzeitung WOZ, dass der Club de Berne weit mehr ist als ein harmloser Debattierclub der europäischen Geheimdienstchefs. Ein bisher unveröffentlichtes Dokument zeigt, dass zumindest noch 2011 unter anderen auch das FBI, die CIA sowie der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad am Informationsaustausch im Club de Berne beteiligt waren.[4] Was aber sind Aufgabe und Zweck dieser Geheimdienstgilde? Was sind ihre Aktivitäten, und wie weit reicht ihr Einfluss? Vor allem aber: Wie ist es möglich, dass der Club de Berne auf europäischem Boden praktisch losgelöst von jeder demokratischen Kontrolle operieren kann?

Entdeckung im Schweizer Bundesarchiv

Die Schweizer Historikerin Aviva Guttmann hat sich im Rahmen ihrer Forschungsarbeit zur Schweizer Terrorabwehr intensiv mit der Gründungsphase des Club de Berne auseinandergesetzt.[5] Für ihre Forschung konnte Guttmann im Schweizer Bundesarchiv in Bern Akten einsehen und fand Erhellendes über den bis dahin öffentlich weitgehend unbekannten Club. Gegründet wurde er 1969 – mutmaßlich in Bern, einen genauen Hinweis darauf fand Guttmann nicht – als Forum, in dessen Rahmen sich fortan zweimal jährlich die Chefs der neun Geheimdienste aus Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Holland, Italien, Luxemburg, Schweiz und der BRD trafen.

Guttmanns Recherchen zeigen, dass sich die Kontakte des Club de Berne schon zwei Jahre nach der Gründung ausweiteten: Die neun west­europäischen Dienste tauschten sich damals mit den israelischen Inlands- und Auslandsgeheimdiensten Shin Beth und Mossad so­­wie dem US-amerikanischen FBI über palästinensische Terroristen und deren Un­terstützer*innen aus. Der Austausch lief über ein verschlüs­sel­tes Telegrammsystem namens Kilowatt. Ab 1974 existierte ein zweites solches System namens Megaton für den nicht-palästinensi­schen Terrorismus.[6] „Bis heute wurden weder die Öffentlichkeit noch das Parlament oder andere Departemente über die Existenz, geschweige denn über das Ausmaß der Praktiken dieses Geheimdienstaustausches informiert“, hält Guttmann fest.[7]

Guttmanns Forschungsarbeit im Schweizer Bundesarchiv geht allerdings nicht über die 1980er Jahre hinaus, neuere Akten unterliegen der üblichen dreißig- bis fünfzigjährigen Sperrfrist bei bundesbehördlichen Dokumenten. Seither ist der Club de Berne weitgehend eine Blackbox. „Ich weiß jedoch“, sagt Guttmann, „dass er bis heute eine bevorzugte Plattform für den Austausch innerhalb der Geheimdienste ist.“

Der Club steht über den nationalen Diensten

Weil die offiziellen Informationen der politischen Behörden zum Club de Berne spärlich und irreführend sind, ist das geheime Dokument, das im November 2019 über das Boulevardblatt „Österreich“ an die Öffentlichkeit gelangte, umso aufschlussreicher.[8] Konkret geht es um eine Sicherheitsüberprüfung, die der Club de Berne im Februar 2019 beim österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Geheimdienst (BVT) durchgeführt hatte. Das BVT war ins Visier der anderen europäischen Dienste geraten, weil Ende 2017 die rechtsextreme FPÖ die Kontrolle über das BVT übernommen hatte – eine Partei, der gute Kontakte nach Russland nachgewiesen wurden. Es bestanden Bedenken, was die Sicherheit der Daten anging.[9]

Die Prüfung durch den Club de Berne stellte dem BVT ein miserables Zeugnis aus: Im Bereich der Gebäudesicherheit und bei der Sicherheitsüberprüfung des Personals bestünden erhebliche Mängel; vor allem aber sei die Cybersicherheit absolut fahrlässig. Über das interne BVT-Netz­werk könnten selbst mäßig begabte Hacker in „Poseidon“, das IT-Netz des Club de Berne, eindringen, konstatierte man.

Der geleakte Bericht bietet einen einmaligen Einblick in das Innenle­ben des Clubs, angefangen beim offiziellen Wappen. Zuständig für das „se­curity assessment“, das am 13. Februar 2019 im Wiener BVT-Haupt­quar­tier stattfand, ist „Soteria“, eine interne Gruppe des Club de Berne. Zu dieser Gruppe gehört auch der Schweizer Nachrichtendienst des Bun­des (NDB), der an jenem Februartag das Personal- und Einstellungsmana­ge­ment des BVT begutachtete. Die weiteren in die Untersuchung involvierten Geheimdienste stammen aus Großbritannien, Deutsch­­land und Litauen. Der Vorgang in Wien bestätigt den großen Ein­fluss des Clubs und zeigt, dass dieser in seinem Selbstverständnis über den nationalen Diensten steht, ja sich sogar für diese verantwortlich fühlt.

NDB: Codenummer 10

Im Laufe der Recherche erhielten die beiden Autoren dieses Artikels ein bisher unbekanntes Dokument aus dem Jahr 2011. Es zeigt, dass sich der Club de Berne seit den 1970er Jahren zu einem noch weit größeren Netzwerk ausgewachsen hat und dass die offiziellen Behauptungen, es handle sich aktuell um eine rein innereuropäische Kooperation, falsch sind: Vor knapp zehn Jahren waren im Verteiler des Kom­mu­nikationsnetzes für den Austausch über islamischen Extremismus – mit dem Namen „Capriccio“ – neben 27 EU-Diensten sowie denen aus der Schweiz (aufgelistet als Codenummer 10) und Norwegen mehrere nichteuropäische Geheimdienste in folgender Codenummer-Reihenfolge aufgelistet: 06 Mossad (Tel Aviv), 12 CSIS (Ottawa), 19 FBI (Washington), 22 ASIO (Canberra), 25 NZSIS (Wellington), 28 CIA (Brüssel) und 94 ISA (Tel Aviv). Ein zweites Dokument, ebenfalls von 2011, belegt einen weiteren Verteiler: „Toccata“ dient dem Informationsaustausch zum nichtislamischen Terrorismus. Im Unterschied zu „Capriccio“ fehlen darin aber der Mossad, die Israeli Security Agency (ISA) und die CIA.

„Operative Plattform“ in Den Haag

Der Club de Berne hat in den letzten zwei Jahrzehnten massiv an Infrastruktur zugelegt: Aus den einst halbjährlichen Zusammentreffen der Dienstchefs in den 1970er Jahren ist mittlerweile eine verfestigte Geheimdienstorganisation gewachsen. Das lässt sich exemplarisch an einer Untergruppe aufzeigen: der Counter Terrorist Group (CTG).

Eine wichtige Information über diese CTG liefert die bereits erwähnte Medienmitteilung der Schweizer Bundespolizei (Fedpol) über ein Treffen des Club de Berne in der Schweiz im Jahr 2004: Damals wurde die Weiterentwicklung der Counter Terrorist Group beschlossen, die 2001 als Untergruppe gegründet worden war – als Schnittstelle mit der EU im Bereich Terrorismusbekämpfung. „Die CTG wird eine tragende Rolle bei der Verfolgung der maßgeblichen Ziele aus der Erklärung des Europäischen Rats zum Kampf gegen den Terror spielen“, steht in der Pressemitteilung. Und die CTG sei auch ein „Forum für Experten für die Entwicklung praktischer Zusammenarbeit und eines besseren Verständnisses terroristischer Bedrohungen“.

Anders gesagt: Der Club de Berne, respektive seine Untergruppe CTG, ist seit 2004 eine zentrale Stelle für die terroristischen Bedrohungsanalysen der europäischen Sicherheitsbehörden. Die CTG erstellt „Bedrohungsanalysen für führende Politiker auf EU Ebene“, basierend „auf Angaben von Mitgliedsdiensten, die Zugang zu allen relevanten nachrichtendienstlichen Erkenntnissen haben“. Damit wird klar, dass die CTG durch ihre Analysen den Fokus der nationalen Sicherheits- und Repressionsorgane maßgeblich beeinflusst – und damit auch den politischen Sicherheitsdiskurs. Der Club de Berne institutionalisiert sich, ohne sich in ein institutionelles demokratisches Gefüge einzubetten.

Der österreichische Historiker und Geheimdienstexperte Thomas Riegler[10] findet das äußerst problematisch: „Da sie nicht offiziell in die institutionelle Architektur der EU eingebettet sind und auch nicht auf einer vertraglichen Abmachung beruhen, sind beide Institutionen – der Club de Berne und die Counter Terrorist Group – lediglich an die nationalen Gesetze der jeweiligen Staaten gebunden. Einheitliche Regelung dazu gibt es nicht“, sagt er im Gespräch. Das mache die rechtliche Frage sehr schwierig. „Der Club und die CTG folgen keinen übergeordneten Regeln. Und da sich die nationalen Gesetze stark unterscheiden, wird Kontrolle unmöglich“, so Riegler. „Für wen arbeiten die Dienste eigentlich? Es entsteht der Eindruck, dass sie sich selber zuarbeiten, statt im Dienst der Öffentlichkeit und der Regierung zu stehen.“ Es sei wichtig, zu verstehen, dass hochrangige Amtsträger innerhalb der Dienste oft massive Macht anhäuften und Eigeninteressen verfolgten. „Sie werden regelrechte Mandarine der Macht, sind aber völlig gesichtslos. Eine aufsichtsleere Plattform wie der Club de Berne verstärkt diesen Effekt.“

Ungeklärter „Beobachterstatus“ der US-Dienste

Zur CTG sind weitere Eckpunkte bekannt. Im November 2016 berichtete netzpolitik.org erstmals umfassend über eine „operative Plattform“, die die CTG mittlerweile am Sitz des niederländischen Geheimdiensts AIVD in der Nähe von Den Haag unterhält.[11] Dort tauschen sich die beteiligten Dienste in Echtzeit zu Maßnahmen und Gefahren aus; zudem gebe es auch „gemeinsame Operationsteams in diversen Formaten und zu verschiedenen Themenfeldern“, wie der niederländische Geheimdienstdirektor Rob Bertholee in einer Rede im Januar 2016 vermerkte.[12]

Zwei Jahre später veröffentlichte die niederländische Aufsichtsbehörde CTIVD einen Prüfbericht über die CTG-Datenbank „Phoenix“, die personenbezogene Daten über Dschihadreisende erfasst.[13] Der Bericht stellte etwa fest, dass das Qualitätsmanagement der eingespeisten Daten mangelhaft sei. Und er legte offen, dass US-Geheimdienste innerhalb der CTG „Beobachterstatus“ genießen – was das genau heißt, bleibt allerdings ungeklärt. Die Autoren dieses Artikels reichten bei der CTIVD insgesamt sieben Anfragen zu ihrem Bericht ein, sie blieben unbeantwortet, telefonisches Nachhaken wurde abgeklemmt, zu den versprochenen Rückrufen kam es nicht.

Auskunftsverweigerung partout

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko hat in den letzten Jah­ren immer wieder versucht, über parlamentarische Anfragen an die Bundesregierung zum Club de Berne und zur Counter Terrorist Group Licht ins Dunkel zu bringen. Vergeblich. Die Bundesregierung verweigerte standhaft praktisch jegliche Auskunft mit dem Verweis auf die sogenannte „Third Party Rule“.[14] Mitte März 2020 wollte Hunko von der Bundesregierung Details zur Reichweite des Informationsaustauschs im Club de Berne erfahren.[15] Zudem wollte er wissen, ob die Bundesregierung „sich die Mühe gemacht hat, ein Freigabeersuchen an die Dienste“ zu erwirken, um „dem Informationsbedürfnis des Parlaments“ zu entsprechen. Erneut blieben die Fragen mit Verweis aufs Staatswohl unbeantwortet. Eine Begründung dafür brauche die Bundesregierung nicht, ließ Innenstaatssekretär Volkmar Vogel verlauten.

Hunko pocht weiter auf Aufklärung: „Mit der operativen Plattform CTG ist der deutsche Inlandsgeheimdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, seit 2016 de facto ein Auslandsgeheimdienst geworden. Dafür braucht es Öffentlichkeit, denn es ist ein gravierendes Demokratieproblem, wenn über diese Verschiebung nichts bekannt werden darf.“

Überhaupt weitet sich das Tätigkeitsfeld der CTG laufend aus. Im Jahresbericht 2018 der EU-Polizeiagentur Europol sind zwei gemeinsame Anti-Terror-Übungen („two table top exercises“) mit der CTG ausge­wiesen, an der auch das Zentrum für Terrorismusbekämpfung (ECTC), das Zentrum für Migrantenschleusung (EMSC) und die Meldestelle für Internetinhalte bei Europol teilnahmen.[16] Diese Zusammenarbeit soll weiter „verbessert“ werden.[17] Ungeachtet der Tatsache, dass die EU dazu kein Mandat hat, kooperieren EU-Organe mit der CTG.

Nur die Spitze des Eisberges

Aus all diesen Puzzlestücken ergibt sich letztlich ein klareres Bild vom Club de Berne: Aus den einst halbjährlichen Zusammentreffen der Dienstchefs in den 1970er Jahren ist über die Jahrzehnte eine verfestigte Geheimdienstorganisation gewachsen, mitsamt einer operativen Plattform in Den Haag, gemeinsamen Operationsteams und einem Informationsaustausch, der bis heute auch nichteuropäische Dienste umfasst. Wie der Schweizer Historiker Adrian Hänni in einem lesenswerten Aufsatz nachzeichnet, ist der Club de Berne übrigens nicht die einzige geheim operierende Plattform.[18] „Zu diesen Clubs, die fast ausschließlich im Geheimen operieren und kaum einmal in der Medienberichterstattung auftauchen, zählen die Counter Terrorist Group (CTG) des Club de Berne, die Pariser Gruppe, die SIGINT Seniors, die Police Working Group on Terrorism (PWGOT) und die G 13+“, schreibt Hänni.

Das zentrale Problem dabei: Es gibt zwar nationale Gesetze, so auch das neue Schweizer Nachrichtendienstgesetz, die eine Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten erlauben wie auch die Bekanntgabe von Personendaten an solche Dienste. Für die multilaterale Geheimdienstzusammenarbeit innerhalb des Club de Berne, die bewusst nicht an Institutionen wie die EU oder die Nato angebunden ist, existiert hingegen keine gesetzliche Grundlage. Konsequenterweise ist deshalb auch keine Aufsicht vorgesehen. Der Club de Berne, das zeigt das Beispiel aus Wien, ist niemandem Rechenschaft schuldig. Gerade die Schweiz weiß aber seit der „Fichenaffäre“, dem großen Staatsschutzskandal von 1989, dass Geheimdienste ohne adäquate Aufsicht ein Eigenleben entwickeln und letztlich die demokratischen Grundwerte unterminieren, die sie eigentlich schützen sollen.

Thorsten Wetzling von der Berliner Stiftung Neue Verantwortung[19] hält diesen aufsichtsleeren Raum für demokratiepolitisch gefährlich. „Es ist deshalb an der Zeit – zumindest im europäischen Rahmen –, für eine Harmonisierung der Rechtsschutzstandards und eine Erweiterung der Kontrollbefugnisse zu streiten“, sagt Wetzling im Gespräch.[20] In den letzten Jahren habe es in einigen Ländern neue Nachrichtendienstgesetze gegeben, die wichtige Errungenschaften der demokratischen Kontrolle enthielten. „Leider bringen aber auch die besten Regelungen im nationalstaatlichen Kontext nichts, wenn man sie mittels der internationalen Kooperation umgehen oder aushebeln kann.“ Einen ersten Fortschritt sieht Wetzling in der Gründung der internationalen Austauschplattform European Intelligence Oversight Forum,[21] an der unter anderem auch die Schweizer Aufsichtsbehörde AB-ND mitmacht.

Sämtliche Fragen an die Behörden bleiben unbeantwortet

Die Rechercheergebnisse werfen zahlreiche Fragen auf. Die beiden Autoren haben sie mit einem Fokus auf den Schweizer Geheimdienst (NDB) und die entsprechenden Dienstaufsichtsorgane aufgeworfen: Werden von den halbjährlichen Treffen des Club de Berne einsehbare Protokolle erstellt? Wie viele Schweizer Bürger*innen sind in der „Phoenix“-Datenbank erfasst? Können Betroffene einen Missbrauch ihrer Daten in den Niederlanden rechtlich überhaupt anfechten? Weshalb wird die Beteiligung der US-Dienste verschwiegen? Kann ausgeschlossen werden, dass vom NDB gelieferte Daten und Informationen über Datenbanken und Verteiler wie „Capriccio“ als Grundlage für den US-Drohnenkrieg dienen?

Der Schweizer Nachrichtendienst antwortete äußerst knapp: „Der NDB arbeitet mit über 100 ausländischen Partnerdiensten zusammen. Diese Liste wird vom Bundesrat genehmigt und ist klassifiziert, weshalb sich der NDB grundsätzlich nicht zur Zusammenarbeit mit seinen Partnerdiensten äußert.“ Auch der holländische Geheimdienst AIVD, der für das operative Zentrum der CTG verantwortlich ist, mauert. „Wir kommentieren nie etwas zum Club de Berne.“ Ein Besuch vor Ort in Den Haag komme nicht infrage.

Einen umfangreichen Fragebogen schickten wir auch der „unabhängigen Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten“, AB-ND, dem parlamentarischen Aufsichtsgremium GPDel (Geschäftsprüfungsdelegation) sowie dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten. Alle drei Aufsichtsbehörden bestätigen, dass sie Kenntnis vom Club de Berne und von der CTG hätten. Unisono verweisen sie darauf, dass mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz die Grundlage für die Zusammenarbeit mit dem Ausland und die Bekanntgabe von Personendaten an das Ausland gegeben sei. Verstörend ist insbesondere die Rückmeldung der GPDel, die zu keinem einzigen Punkt konkret Stellung bezieht.

Der rechte Troll

Unbeantwortet ist auch die Frage, wie politisch der Club de Berne ist. In einer BBC-Dokumentation über Nato-Operationen in Italien aus dem Jahre 1992 sagt das hochrangige italienische Geheimdienstmitglied Federico D’Amato, dass der Club de Berne als Reaktion auf die „Revolution der 68er“ in Frankreich gegründet worden sei.[22] Recherchen der deutschen Journalistin Regine Igel bestätigen das. Gemäß ihr vorliegenden Informationen aus dem Protokoll einer Versammlung des Club de Berne in Köln 1973 sei „ein neuer Typus von Vertrauensleuten (sprich: Spitzeln, Anm.  d.  Red.) in aufständischen Organisationen gefragt, der auch aktiv werde, zum Motor der Gewalt werden müsse, um dann in die Führung der Organisationen der extremen Linken zu gelangen.“[23]

In der erwähnten BBC-Dokumentation tritt auch Vincenzo Vinciguerra auf, einstiges Mitglied der neofaschistischen Terrororganisation „Ordine Nuovo“.[24] Gemäß Vinciguerra hat der Berner Club in Italien auf die Dienste neofaschistischer Gruppen zurückgegriffen. Er beschreibt in der Doku die „Operation Chinese Poster“ als konkrete Aktion des Club de Berne. Dabei handelte es sich um die Infiltrierung einer linken Demonstration in Italien im Jahr 1972 durch vermeintlich maoistische Kräfte, die in Wirklichkeit der neofaschistischen „Avanguardia Nazionale“ angehörten. Der Club de Berne wollte damit antikommunistische Ressentiments fördern, indem er eine „ultralinke“, extremistische Kraft produzierte. Dass Vinciguerra darüber im Detail Bescheid weiß, erstaunt nicht: Auch er war Mitglied bei der Avanguardia Nazionale.

Der Club de Berne operiert mutmaßlich auch heute noch im Bereich „Linksextremismus“. Das interne Dokument des Club de Berne aus dem Jahr 2011 belegt, dass es damals auch einen Verteiler namens „Rile“ zum Links- und Rechtsextremismus gab. So ist die Frage, ob der Club de Berne etwa im Sommer 2017 im Vorfeld oder auch während des G20-Gipfels in Hamburg, gegen den es massive linke Proteste gab, aktiv war.

Der Blick gegen Links hat historische Kontinuität: Im November 2018 hielt Hans-Georg Maaßen in Warschau seine Abschiedsrede vor dem Club de Berne. Kurz davor hatte die Regierung seine Absetzung als Chef des deutschen Inlandsgeheimdiensts beschlossen. Maaßen hatte die rechtsextremistischen Hetzjagden in Chemnitz im August 2018 öffentlich als „gezielte Falschinformation“ bezeichnet. In seiner Rede wiederholte er diese – widerlegte – Äußerung. Mehr noch: Er monierte, dass „linksradikale Kräfte in der SPD“ seine Äußerungen instrumentalisiert hätten, um „einen Bruch dieser Regierungskoalition zu provozieren“.

Entfesselt statt kontrolliert

Am Ende bleiben zum Club de Berne viele – zu viele – Fragen von öffentlichem Interesse offen. Klar ist hingegen: Der Deal beim neuen Schweizer Geheimdienstgesetz, das seit Herbst 2017 in Kraft ist, war eine reine Illusion. Das Gesetz sollte dem NDB massiv mehr Kompetenzen verschaffen, aber auch eine stärkere Aufsicht enthalten, versprachen die Schweizer Behörden im Vorfeld der Volksabstimmung im September 2016. Die Realität ist eine andere: Der Schweizer Geheimdienst ist entfesselt und operiert über seine internationalen Verstrickungen wie den Club de Berne sowie die CTG in einem Raum ohne Aufsicht. Die Kontrollbehörden dulden das nicht nur, sie rechtfertigen es auch noch.

[1]      Alarm: Verfassungsschutz steht total blamiert da, oe24.at v. 11.11.2019
[2]     European Parliamentary Research Service: Counter-terrorism funding in the EU budget, Brie­fing, June 2015 (www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2015/559490/EPRS_BRI(2015)559490_EN.pdf)
[3]     Treffen des Club de Berne in der Schweiz, Fedpol-Medienmitteilung v. 28.4.2004 (www.fedpol.ch)
[4]     Der geheime Club der geheimen Dienste, WOZ v. 5.3.2020 (www.woz.ch)
[5]     Guttmann, A.: The Origins of International Counterterrorism. Switzerland at the Forefront of Crisis Negotiations, Multilateral Diplomacy, and Intelligence Cooperation (1969-1977), Leiden/Boston 2017
[6]     Aldrich, R.J.: Transatlantic intelligence and security cooperation, in: International Affairs 2004, No. 4, pp. 733-755 (https://warwick.ac.uk/fac/soc/pais/people/aldrich/ publications/ inta80_4_08_aldrich.pdf)
[7]     So spionierte die Schweiz mit Israel Araber aus, Tagesanzeiger v. 7.2.2016
[8]     Alarm: Verfassungsschutz steht total blamiert da, OE 24 v. 11.11.2019
[9]     Insider: Rauswurf des BVT aus „Berner Club“ war nicht geplant, Kurier online v. 2.11.2018
[10]   Thomas Riegler verfasste u.a. das Buch: Österreichs geheime Dienste, Wien 2018 (Ausschnitt online unter http://thomas-riegler.net v. 8.10.2019)
[11]    Zusammenarbeit europäischer Geheimdienste: Erste „operative Ergebnisse“ in Den Haag, Netzpolitik.org v. 16.11.2016
[12]   Rede am Global Counterterrorism Forum (https://english.aivd.nl/publications)
[13]   https://english.ctivd.nl/latest/news/2018/04/26/index
[14]   Monroy, M.: Mit Geheimhaltung gegen Geheimdienstkontrolle, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 113 (September 2017), S. 96
[15]   BT-Plenarprot. 19/151 v. 11.3.2020, S. 18848f.
[16]   Europol: Consolidated Annual Activity Report 2018, Bucharest May 2019 (siehe www.europol.europa.eu/publication-documents)
[17]   BT-Drs. 19/17002 v. 3.2.2020
[18]   Hänni, A.: Die Nachrichtendienste und ihre geheimen Clubs, VSN-Bulletin v. 29.10.2018 (www.swissint.ch)
[19]   www.stiftung-nv.de
[20]  Geheimdienstaufsicht: Völlig unzureichend kontrolliert, WOZ v. 5.3.2020
[21]   https://guardint.org/about
[22]   https://www.youtube.com/watch?v=1YhRBxxyRqs
[23]   Igel, R.: Terrorjahre. Die dunkle Seite der CIA in Italien, München 2006, S. 281
[24]   siehe die Wikipedia-Einträge zu Vinciguerra und Ordine Nuovo

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