Schlagwort-Archive: CTG

Die Vergeheimdienstlichung der EU: Informelle Gruppen rund um Europol

Die Europäische Union hat keine Kompetenz zur Koordination von Geheimdiensten. Dessen ungeachtet kooperieren ihre Organe auf verschiedene Weise mit entsprechenden Behörden aus den Mitgliedstaaten. In dieses undurchsichtige Netz ist auch die EU-Polizeiagentur eingebunden. Der neue Fokus auf „Gefährder“ trägt ebenfalls geheimdienstliche Züge.

Mit dem Vertrag von Lissabon über die Arbeitsweise der EU (AEUV) wurde auch die Rechtsetzung im Bereich Justiz und Inneres in das EU-Gesetzgebungsverfahren übertragen. Bis dahin war die Innen- und Justizpolitik ausschließlich Gegenstand der intergouvernementalen Zusammenarbeit („dritte Säule“) mittels einstimmiger Ratsbeschlüsse. Ausschließlich die EU-Kommission hat das Recht, legislative Initiativen und Maßnahmen im Bereich der grenzüberschreitenden Strafverfolgung zu initiieren. Darüber entscheiden anschließend der Rat der EU (also die Regierungen der Mitgliedstaaten) und das Parlament.

Ausdrücklich keine Kompetenz hat die EU für Geheimdienste. Gemäß Artikel 4 Absatz 2 AEUV bleibt die „nationale Sicherheit“, für welche die Dienste zuständig sind, allein den Mitgliedstaaten vorbehalten. Stets wird deshalb in EU-Dokumenten die Trennung zwischen „strafverfolgungsrelevanten“ und „nachrichtendienstlichen“ Tätigkeiten betont. Die Vergeheimdienstlichung der EU: Informelle Gruppen rund um Europol weiterlesen

Geheimdienstgilde außer Kontrolle: Der Club de Berne

von Jan Jirát und Lorenz Naegeli

Offiziell gilt der Club de Berne als Zusammenschluss der europäischen Geheimdienste. Neue Dokumente zeigen, dass auch US-Dienste mitmischen und dass die Geheimdienstgilde mittlerweile eine eigene operative Plattform samt personenbezogener Datenbank führt – ohne demokratische Kontrolle.

Ein rotes Kreuz, 27 weiße Sterne und der Berner Bär: So sieht das Wappen des Club de Berne aus. Ein Wappen, das nie an die Öffentlichkeit hät­te gelangen sollen. Doch im November 2019 publizierte „Österreich“[1] ein internes Dokument und bescherte dem ominösen Geheimdienstclub damit das größte Leck seiner Geschichte. Offizielle Informationen über den Club de Berne gibt es nur wenige. Und es sind stets dieselben: Ob in einem Budgetbericht des EU-Parlaments zu Antiterroraktivitäten von 2015[2] oder in einer Mitteilung des Schweizerischen Bundesamts für Polizei (Fedpol) vom April 2004:[3] Der Club de Berne ist stets als „informeller Club“ beschrieben, der die Geheimdienstchefs der EU-Staaten sowie der Schweiz und Norwegens zusammenbringe. Geheimdienstgilde außer Kontrolle: Der Club de Berne weiterlesen

Wie sich europäische Geheimdienste in „Gruppen“ und „Clubs“ organisieren

Für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit schließen sich Europas Geheimdienste oder die für sie zuständigen Ministerien in undurchsichtigen Formaten zusammen. Parlamentarisch sind diese Netzwerke schwer zu kontrollieren.

„Berner Club“ und CTG

Zu den wichtigsten Kooperationen gehört der „Berner Club“, an dem auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit den Inlandsgeheimdiensten aller anderen EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegens und der Schweiz teilnimmt. Der „Berner Club“ wurde 1969 als jährliches Treffen der Direktoren westeuropäischer Inlandsgeheimdienste gegründet. 2001 hat die Vereinigung eine „Counter Terrorism Group“ (CTG) gegründet, in der sich die Mitglieder regelmäßig über Vorkommnisse austauschen und Maßnahmen beraten. Seit dem 1. Juli 2016 betreiben der „Berner Club“ und seine CTG eine „operative Plattform“ in Den Haag. Die Inlandsgeheimdienste führen dort eine gemeinsame Datei und ein Echtzeit-Informationssystem. Details dazu sind geheim, eine parlamentarische Kontrolle der Auslandstätigkeit des BfV in Den Haag deshalb kaum möglich. Die CTG soll sich mit polizeilichen Strukturen der EU oder einzelner Mitgliedstaaten vernetzen, Sondierungen laufen hierzu seit dem Frühjahr 2016 mit Europol. Wie sich europäische Geheimdienste in „Gruppen“ und „Clubs“ organisieren weiterlesen

EU-Terrorismusbekämpfung: Mehr Einbindung der Geheimdienste

Die Polizeiagentur Europol soll zur Bekämpfung des Terrorismus enger mit dem geheimdienstlichen Lagezentrum („EU Intelligence Analysis Centre, INTCEN) kooperieren. In einer Mitteilung des Generalsekretariates des Rates der Europäischen Union an den Ständigen Ausschuss für die innere Sicherheit (COSI) werden zukünftige gemeinsame „Bedrohungsanalysen“ angekündigt. Diese sollen regelmäßig erstellt und zunächst in der Ratsarbeitsgruppe „Terrorismus“ vorgestellt werden. Dort verabreden die Delegierten aus den Mitgliedstaaten Schlussfolgerungen, die schließlich dem COSI vorgelegt werden. Der COSI spricht dann Empfehlungen für neue Maßnahmen aus. EU-Terrorismusbekämpfung: Mehr Einbindung der Geheimdienste weiterlesen

Europol will mit neuer Geheimdienstzentrale in Den Haag kooperieren

Europäische Inlandsgeheimdienste errichten derzeit ein „Anti-Terror-Zentrum“ im niederländischen Den Haag. Das Zentrum gehört zu der 2001 gegründeten „Counter Terrorism Group“ (CTG) des sogenannten Berner Clubs. Dort organisieren sich die Geheimdienste aller EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegens und der Schweiz, Frankreich und Italien sind hier gleich mit zwei Diensten präsent. Welche davon sich tatsächlich an dem Zentrum beteiligen, ist allerdings offen. Laut einem Medienbericht wollen „nicht einmal die Hälfte der Mitgliedsländer mitmachen“.

Der Vorschlag für die Geheimdienstzentrale, die einem Europol-Arbeitsbericht zufolge zum 1. Juli ihren Betrieb aufnehmen soll, entstand nach den Anschlägen von Paris am 13. November vergangenen Jahres. Wenige Tage später trafen sich die Geheimdienstchefs zu einer außerordentlichen Sitzung und verabredeten die Einrichtung einer gemeinsamen Plattform in Den Haag. Der Rat der Innen- und Justizminister der EU, der ebenfalls Ende November 2015 zusammenkam, forderte die Geheimdienste der Mitgliedstaaten schließlich auf, Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit zu prüfen. Europol will mit neuer Geheimdienstzentrale in Den Haag kooperieren weiterlesen

Kommentar: Terrorexperten als Nebelwerfer

„Nahtlose“ europäische Zusammenarbeit von Polizeien und Geheimdiensten ist das Problem, nicht die Problemlösung.

Nach jedem Anschlag folgt unweigerlich die Stunde der Experten. Der Terrorexperte der Wahl auf den hiesigen öffentlich-rechtlichen Fernsehkanälen ist derzeit Peter Neumann, ein deutscher Politologe, der am Londoner King’s College lehrt und auch dem „European Expert Network on Terrorism Issues“ des Bundeskriminalamts angehört. Im ARD-Brennpunkt nach den Brüsseler Attentaten am Dienstag vergangener Woche beklagte er die angeblich mangelnde Zusammenarbeit von Polizeien und Geheimdiensten in Europa. „Wenn man freie Bewegung in Europa möchte, muss man auch definitiv dafür sorgen, dass die Sicherheitsbehörden in Europa absolut nahtlos untereinander kooperieren.“ Das seien zwei Seiten derselben Medaille, meint der Herr Professor.

Das, so meine ich, sind wohlfeile Plattitüden, die Sicherheitspolitiker und die von ihnen geliebten Experten zu jeder sich bietenden Gelegenheit herausposaunen. Und sie zeigen ihre Dummheit gleich in doppelter Hinsicht: Kommentar: Terrorexperten als Nebelwerfer weiterlesen

Über den großen Teich – „Transatlantische Kooperation“ gegen Bürgerrechte

von Martin Beck

Die Anschläge vom 11. September 2001 haben eine neue Dynamik der transatlantischen Zusammenarbeit ausgelöst. Ob es um Datenaustausch oder Zusammenarbeit der Dienste geht – klar ist, dass diese Entwicklung noch lange nicht zu Ende ist. Zahlreiche Vorhaben zielen auf eine enge Kooperation, die traditionelle Grenzen über­schreitet.

In welche Richtung die Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden in Europa und den USA geht, zeigt der im Juni 2008 vorgelegte Bericht der „Informellen Hochrangigen Beratenden Gruppe zur Zukunft der Europäischen Innenpolitik“, der so genannten Future Group.[1] Auf dessen Grundlage wollen die Staats- und Regierungschefs der EU 2009 eine gemeinsame Agenda innenpolitischer Ziele für die nächsten fünf Jahre festlegen und die EU-Kommission will einen Aktionsplan ausarbeiten. Über den großen Teich – „Transatlantische Kooperation“ gegen Bürgerrechte weiterlesen

SitCen – Solanas geheimdienstliches Vorzimmer

von Heiner Busch

Das von dem Briten William Shapcott geführte Gemeinsame Lagezentrum (SitCen) ist Teil der Zweiten Säule, der militärisch-außen­politischen Strukturen der EU also. Es ist eine jener Institutionen, die unmittelbar dem „Generalsekretär des Rates und Hohen Beauftragten für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU“ unterstellt sind – ein Doppelamt, das seit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages 1999 von Javier Solana bekleidet wird.

Seinen Auftrag leitet SitCen aus einer Zusatzerklärung zum Amsterdamer Vertrag her, in der sich die Mitgliedstaaten verpflichteten, die damals neu geschaffene „Strategieplanungs- und Frühwarneinheit“ des Ratssekretariats „soweit irgend möglich durch Bereitstellung einschlägiger Informationen, auch vertraulicher Art“ zu unterstützen. Das aus dieser Einheit hervorgegangene Zentrum sei bis zum 11. September 2001 ein „leeres Schneckenhaus“ gewesen, sagte Shapcott im November 2004 in seiner Stellungnahme vor dem EU-Ausschuss des House of Lords. SitCen – Solanas geheimdienstliches Vorzimmer weiterlesen