Überwachung berechnen

Josefine Kulbatzki

Die Zahl der Überwachungs- und Sicherheitsgesetze steigt in Deutschland konstant. Einzelne Ereignisse führen zu übereilten Legislativvorschlägen, ein bereits existierender Rechtsrahmen wird kaum berücksichtigt. Einige der neuen Gesetze werden deshalb vom Bundesverfassungsgericht nachträglich als verfassungswidrig eingestuft.

Eine „Überwachungsgesamtrechnung“ soll diesen Wildwuchs in Zukunft verhindern. Der erste Impuls für eine solche Kosten-Nutzen-Analyse geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2005 zurück,[1] wissenschaftlich wurde sie aber nie konkretisiert.[2] Jetzt hat das Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht ein entsprechendes Konzept vorgelegt. Es soll einen realistischen Einblick in die Überwachungslast ermöglichen, einen ersten Vorschlag hat das Institut in einer Bundestagsanhörung vorgestellt.[3] Das Instrument soll demnach empirische Daten zur Überwachungsintensität liefern können. Außerdem soll es für mehr Transparenz sorgen und einen Überblick über bestehende Maßnahmen geben.

Die Berechnungsweise dieser „Überwachungsgesamtrechnung“ ist noch nicht komplett ausgearbeitet, die Wissenschaftler*innen haben jedoch ein grobes Gerüst vorgestellt. Um sie berechnen zu können, wird jeder Maßnahme ein Wert zugeschrieben. Hierfür soll die verfassungsrechtliche Einordnung herangezogen werden. Grundlage wären etwa Ur­teile des Bundesverfassungsgerichts, das in schwere und weniger schwere Eingriffe unterscheidet. Weitere Kriterien könnten sein, ob die Maßnahme verdeckt oder offen stattfindet und ob es sich um personenbezogene Daten handelt. Das so entstandene Ergebnis wird dann mit der Häufigkeit der Eingriffe verrechnet, woraus sich ein Gesamtwert für eine spezifische Maßnahme in einem bestimmten Jahr ergäbe. Die Interpretation dieses Wertes bliebe dann der Politik überlassen.

Mit einer solchen Datengrundlage für alle Überwachungsgesetze und den über mehrere Jahre verfolgten Werten könnten Aussagen über die Überwachungsgesamtlast und ihre Entwicklung getroffen werden. Es wäre ebenfalls denkbar, dass verschiedene Maßnahmen in ein Verhältnis gesetzt werden könnten, beispielsweise wie viel Prozent der Überwachungsgesamtlast die Telekommunikationsüberwachung im Vergleich zur Fluggastdatenspeicherung ausmacht. Neue Gesetze könnten dann vielleicht erst beschlossen werden, wenn die Überwachungsgesamtlast zurückginge oder ein gleichwertiges Gesetz im selben Bereich abgeschafft würde.

[1]      BVerfG v. 12.4.2005 – 2 BvR 581/01 -, Rn. 1-67
[2]     NGOs wie digitalcourage haben sich allerdings mit dem Thema auseinandergesetzt, vgl. etwa https://digitalcourage.de/ueberwachungsgesamtrechnung
[3]     Öffentliche Anhörung des Ausschuss für Inneres und Heimat am 22.2.2021 zum Antrag auf BT-Drs.19/23695 v. 27.10.2020

Beitragsbild: Lianhao Qu on Unsplash.

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