Am 31. Oktober 2024, nur 52 Tage nachdem das Kabinett den Entwurf beschlossen hatte, trat mit dem Gesetz zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems der erste Teil des „Sicherheitspakets“ in Kraft,[1] mit dem die Ampel-Regierung nach den tödlichen Messerangriffen von Mannheim und Solingen harte Kante zeigen wollte. Der zweite Teil des Pakets, das Gesetz zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung, war hingegen am 18. Oktober im Bundesrat abgelehnt worden.
Mit dem neuen Gesetz wurde, erstens, das Bundesverfassungsschutzgesetz geändert, um den Geheimdiensten die Überwachung von Finanzströmen zu erleichtern. Nachdem die Innenministerkonferenz (IMK) bereits 2020 eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Maßnahmen zur Aufklärung von Einnahmequellen rechtsextremer Organisationen eingesetzt hatte,[2] war ein entsprechender Prüfauftrag in den Ampel-Koalitionsvertrag aufgenommen worden.[3] Ohne Aufsehen wurde nun § 8a BVerfSchG geändert, um „besondere Auskunftsverlangen“ der Dienste zu Bestands- und Transaktionsdaten bei Banken und anderen Finanzunternehmen auch dann zu ermöglichen, wenn keine Gewaltaffinität der beobachteten „Bestrebungen“ erkennbar ist. Bewegten sich die von den G10-Kommissionen zu genehmigenden Auskunftsverlangen bislang im niedrigen zweistelligen Bereich pro Jahr,[4] ist nun ein deutliches Wachstum zu erwarten. Dabei ist absehbar, dass nicht nur Rechtsextreme ins Visier geraten.
Zweitens wurde das Asyl- und Aufenthaltsrecht verschärft. Demnach kann nun u. a. Menschen mit unmittelbarer Wirkung der Schutz verweigert bzw. aberkannt werden, wenn sie wegen Schleusungsdelikten oder antisemitisch, rassistisch oder anderweitig menschenfeindlich motivierten Straftaten zu mindestens einem Jahr Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt wurden. Erleichtert wurde zudem die Möglichkeit, Ausweisungen zu verfügen, so bereits bei einjährigen Freiheitsstrafen wegen Widerstandshandlungen oder Angriffen gegen Rettungskräfte und – ausdrücklich begründet mit den aktuellen pro-palästinensischen Protesten – wegen einfachen Landfriedensbruchs. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhielt die Befugnis, die Lichtbilder von Schutzsuchenden mit Daten aus dem Internet biometrisch abzugleichen, um deren Identität und Staatsangehörigkeit zu überprüfen (§ 15b AsylG). Wie das Vorhaben technisch umgesetzt werden soll, bleibt völlig unklar. Geregelt wurde lediglich, dass eventuelle Drittanbieter ihren Sitz in Europa haben müssen und die technischen Details später durch eine Rechtsverordnung bestimmt werden sollen. Aufgrund der Kritik von Sachverständigen wurde schließlich noch eine Verpflichtung aufgenommen, die Befugnis spätestens nach drei Jahren unabhängig evaluieren zu lassen. In jedem Fall wird das BAMF Pionierarbeit für die Polizei leisten, die aufgrund des Scheiterns des Gesetzes zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung auf vergleichbare Befugnisse vorerst verzichten muss.
Verschärft wurde, drittens, das Waffenrecht, u. a. damit die Waffenbehörden auch Bundespolizei und Zollkriminalamt anfragen, bevor sie Waffenscheine ausstellen oder verlängern. Einschneidender aber ist die Einführung eines generellen Messerverbots sowie neuer Polizeibefugnisse zur anlasslosen Kontrolle und Durchsuchung von Personen, um Waffenverbote auf öffentlichen Veranstaltungen wie Weihnachtsmärkten, im Bus- und Schifffernverkehr sowie in Waffenverbotszonen durchzusetzen (§ 42c WaffG). Dabei soll ein Verbot, bei den Kontrollen an einschlägige Diskriminierungsmerkmale anzuknüpfen, angeblich Racial Profiling verhindern, erlaubt aber eben dies ausdrücklich, wenn ein „sachlicher Grund“ wie z. B. „besondere Lageerkenntnisse“ vorliegen.
Ergänzt wurde im parlamentarischen Verfahren zudem ein Gesetz, um die seit 2012 existierende „Beratungsstelle Radikalisierung“ beim BAMF zu verstetigen und das Bundesinnenministerium und das BAMF mit der bundesweiten Koordination von Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Behörden zur Weiterentwicklung von Präventionsmaßnahmen zu beauftragen. Bereits Anfang Oktober berief Innenministerin Nancy Faeser dazu eine neun-köpfige „Task Force Islamismusprävention“.[5]