Alle Beiträge von Heiner Busch

Europäische Innere Sicherheit – Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle?

von Heiner Busch

Seit Mitte der 70er Jahre wurde die polizeiliche Zusammenarbeit in Europa quantitativ und qualitativ erheblich ausgedehnt. Betrieben von den nationalen Sicherheitsexekutiven, zeichnete sich die Europäisierung der Inneren Sicherheit von Anfang an durch ihr demokratisches Defizit aus. Die Themen und Gegenstände der Kooperation waren die gleichen, die auch im Staatsinnern zentral waren. Vor allem durch die Terrorismusbekämpfung wurde die Kooperation maßgeblich ausgebaut. Dabei wurden neue Institutionen geschaffen und Verträge geschlossen, die nur zum Teil auf die ‚Europäische Gemeinschaft‘ (EG) bezogen sind.

Bis zum Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages über die Europäische Union (EUV) gab es keine rechtliche Grundlage für eine Zusammenarbeit auf justiz- und innenpolitischem Gebiet im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft. Dennoch begannen die EG-Mitgliedstaaten ihre Kooperation auf diesem Sektor bereits in den 70er Jahren. 1976 trafen sich die für die Polizei zuständigen Innen- bzw. Justizminister der Mitgliedstaaten erstmals im Rahmen von TREVI (terrorism, radicalism, extremism, violence international). Obwohl das Gremium auf die EG-Staaten begrenzt war bzw. parallel zur Erweiterung der EG wuchs, blieb TREVI bis zu seinem formalen Ende im Jahre 1993 außerhalb der formellen Strukturen der Gemeinschaft. Weder die EG-Kommission noch das Europäische Parlament wurden beteiligt oder in zureichendem Maße informiert. Europäische Innere Sicherheit – Möglichkeiten parlamentarischer Kontrolle? weiterlesen

Technologische Revolution bei der Schweizer Polizei – Schnüffelstaat in Zahlen

Als die ‚Parlamentarische Untersuchungskommission über besondere Vorkommnisse im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement‘ (EJPD) 1989 die Bundesanwaltschaft und die ihr unterstellte Bundespolizei unter die Lupe nahm, fand sie vor allem riesige Mengen Papier: Karteikarten (Fichen) und Dossiers über insgesamt 900.000 Personen, die als politisch unzuverlässig ‚fichiert‘ worden waren. Heute müßte sich eine neue Kommission dagegen in Computersysteme einklinken, denn in der Folge des ‚Fichenskandals‘ baute das EJPD bestehende Computersysteme aus und neue auf. Überwacht und erfaßt wird weiterhin.

Der Scherbenhaufen des ‚Fichenskandals‘ sei beiseite geräumt, erklärte Justizminister Arnold Koller am 11. April diesen Jahres vor der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren. (1) Das 1994 von der Bundespolizei, der Zentrale der politischen Polizei, in Vollbetrieb genommene ‚Staatsschutzinformationssystem (ISIS)‘ sei nicht nur effizient, sondern vor allem rechtsstaatlich einwandfrei und bestens kontrolliert. Falsche und nicht mehr benötigte Daten würden regelmäßig gelöscht. Die Bundespolizei (BUPO), so lobte Koller seine ca. 100 Bundesschnüffler, sei die „bestkontrollierte Verwaltungseinheit des Bundes“. Die gepriesene Transparenz erweist sich beim näheren Hinsehen allerdings als reiner Werbegag für das am 21. März von National- und Ständerat, den beiden Parlamentskammern, beschlossene neue Staatsschutzgesetz, gegen das vom Komitee ‚Schluß mit dem Schnüffelstaat‘ und einer breiten Koalition von linken, grünen und Gewerkschaftsorganisationen das Referendum ergriffen wurde. (2) Technologische Revolution bei der Schweizer Polizei – Schnüffelstaat in Zahlen weiterlesen

Polizeihilfe für die Polizeien in Mittel- und Osteuropa – Die Helfer helfen sich selbst

Seit dem Zusammenbruch des ‚Realen Sozialismus‘ 1989 raufen sich die westlichen Länder darum, bei den ‚Brüdern und Schwestern im Osten‘ eine ganz besondere Entwicklungshilfe zu leisten – Hilfe zum Um- und Ausbau des staatlichen Gewaltapparates, Hilfe für Polizeien und Geheimdienste. Die Helfer helfen sich damit vor allem selbst: Sie passen die osteuropäischen Partner an ihre eigenen Bedrohungsszenarien, Konzepte und Methoden an. Bei alledem sind die Vertreter der ‚Sicherheit‘ weitgehend unter sich. Polizeihilfe ist weiterhin ein undurchsichtiges Feld, in dem Bürgerrechte und Demokratie allenfalls eine legitimatorische Rolle spielen.

Durch die Hilfe beim Aufbau einer schlagkräftigen Polizei will die Schweiz – so Wolfgang Wendrich, Vizedirektor des Bundesamtes für Justiz in Bern – vor allem den Kampf gegen die organisierte Kriminalität (OK) unterstützen. Wenn der „Druck der OK möglichst weit weg von den Grenzen der Schweiz gehalten wird, so kommt dies schließlich auch uns zugute“. (1) Wendrich ist zuständig für die Koordination der schweizerischen ‚Osthilfe‘-Projekte im Bereich Polizei und Justiz. So wie er denkt man auch im deutschen Innenministerium. Die Unterstützung für den Osten – so heißt es in den Erläuterungen zur ‚Ausstattungshilfe‘ für 1995-98 – solle vor allem die „Zusammenarbeit mit deutschen Polizeibehörden bei der internationalen Verbrechensbekämpfung“ verbessern. Polizeihilfe für die Polizeien in Mittel- und Osteuropa – Die Helfer helfen sich selbst weiterlesen

Die Schweiz – mit oder ohne Schnüffelpolizei? Staatsschutzgesetz versus Abschaffungsinitiative

von Catherine Weber und Heiner Busch

Der 1994 vom ‚Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement‘ (EJPD), dem Justizministerium der Schweiz, vorgelegte Entwurf eines Staatsschutzgesetzes ist am 4./5.6.96 vom Nationalrat, der großen Parlamentskammer, beraten worden. Der Nationalrat hat den Entwurf zwar in einigen Punkten gegenüber der im Vorjahr beschlossenen Version des Ständerats, der kleinen Kammer, entschärft, bereits jetzt steht aber fest: Eine Einsicht in Staatsschutzakten, wie sie nach der ‚Fichenaffäre‘ 1989 erkämpft wurde, wird es nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr geben.

In der Schweiz leben ca. 6 Mio. Menschen. In den Archiven der Bundespolizei, so stellte die ‚Parlamentarische Untersuchungskommission‘ (PUK) über „besondere Vorkommnisse im Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement“ fest, waren 1989 über 900.000 Personen auf Karteikarten – sog. Fichen – erfaßt.(1) Der Bericht der PUK löste den ‚Fichenskandal‘ aus, der in der Schweiz kurz vor dem 700jährigen Jubiläum der Eidgenossenschaft zu breiter Empörung führte. (2) Zwei Schlußfolgerungen zog die Linke aus der flächendeckenden Überwachung: Sie startete eine Volksinitiative zur Abschaffung der politischen Polizei und forderte umfassende Einsicht in die Akten des Staatsschutzes. Die Schweiz – mit oder ohne Schnüffelpolizei? Staatsschutzgesetz versus Abschaffungsinitiative weiterlesen

Zollkooperation in Europa – Informationssysteme und verdeckte Ermittlungen

Der Ausbau des Zollkriminalamtes (ZKA) Anfang der 90er Jahre rückte die Zollverwaltungen nur kurzfristig ins Rampenlicht der öffentlichen Diskussion. Der Zollfahndungsdienst wird allenfalls als kleiner Bruder der Polizei wahrgenommen, seine Befugnisse und Methoden – und die daraus resultierenden Gefahren für die Bürgerrechte – werden selbst von PolizeikritikerInnen kaum zur Kenntnis genommen. Kein Wunder also, daß auch die europäische Zusammenarbeit der Zollbehörden im Hintergrund bleibt.

Ebenso wie der britische gehört der deutsche Zoll zu den starken Zolldiensten in der EU. Er verfügt nicht nur über Befugnisse der Warenabfertigung und Kontrolle an der Grenze und im grenznahen Raum, sondern besitzt mit seinem Zollfahndungsdienst darüber hinaus alle strafprozessualen Ermittlungsbefugnisse, die auch der Polizei zukommen – von der Durchsuchung bis zur Telefonüberwachung und verdeckten Ermittlung. Zuständig ist der Zoll für alle Ein- und Ausfuhrdelikte – vom „gewöhnlichen“ Bannbruch, d.h. der Hinterziehung von Zollabgaben, über den Handel mit kontrollierten oder verbotenen Waren (Drogen, Waffen, Nuklearmaterial, Sondermüll) bis hin zur Geldwäsche. Zollkooperation in Europa – Informationssysteme und verdeckte Ermittlungen weiterlesen

EUROPOL – Eigenständiger Organismus mit Zukunft

Was in den 70er Jahren noch ein unrealistischer Polizistentraum war, ist seit 1994 Realität geworden. Die EUROPOL-Drogeneinheit (EDU) nahm als erste Stufe des „Europäischen Polizeiamtes – EUROPOL“ ihre Arbeit auf. Mit der Unterzeichnung der EUROPOL-Konvention im Juli 1995, für deren Ratifizierung weitere zwei bis drei Jahre kalkuliert werden müssen, begann die Konzeption und Planung der Informationssysteme des neuen Amtes sowie die Arbeit an den vorgesehenen Durchführungsbestimmungen. Der Inhalt des Vertrages verbürgt, daß die Datenzentrale der EU-Polizeien von wirklicher Kontrolle weitgehend verschont bleiben.

Schon in den 70er Jahren weckte die Unzufriedenheit mit Interpol das Interesse (vor allem deutscher) Polizeibeamter an einer zentralen europäischen Polizei. 1974 präsentierte der ‚Bund Deutscher Kriminalbeamter‘ (BDK) seinen „EUROPOL-Gedanken“: Das Konzept einer zentralen europäischen Po-lizei mit Eingriffsbefugnissen in den Mitgliedstaaten, eines Euro-FBI, fand keinen rechten Anklang. Der damalige Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA) Horst Herold hielt dies für eine gefährliche Verdoppelung von Interpol, dessen Generalsekretariat er statt dessen zu einer wirklichen Zentralstelle ausgebaut sehen wollte. Die Vorstellung von einem europäischen Kriminalamt verschwand nie völlig aus der Diskussion. In den 80er Jahren schien dem BKA-Mann Harald Maaß das Europäische Sekretariat beim Interpol-Generalsekretariat in St. Cloud bei Paris die „Keimzelle einer Euro-Kripo“. Die dünne Personaldecke des Sekretariats und seine schleppende Weiterentwicklung verhinderten aber, daß diese Zelle zu wuchern begann. EUROPOL – Eigenständiger Organismus mit Zukunft weiterlesen

Der Verein ‚Bürger beobachten die Polizei‘ e. V.

Im Rückblick mag die Berliner Arbeitsgruppe Bürger beobachten die Polizei nur als eines der vielen Strohfeuer linker Auseinandersetzung mit staatlicher Gewalt erscheinen. 1979 gegründet, erzeugte sie in den beiden folgenden Jahren einen heftigen Medienrummel und ging Mitte der 80er Jahre so sang- und klanglos ein, daß einige (auch bei der Polizei) dies bis heute nicht bemerkt haben. Dennoch, gerade angesichts der sich häufenden polizeilichen Übergriffe auf AusländerInnen sind die Ziele der Arbeitsgruppe aktueller denn je. So wollte der Verein „1. als Anlaufstelle für von Polizeiübergriffen Betroffene (…) dienen und Unterstützung (…) leisten, 2. polizeiliche Maßnahmen.(…) beobachten und polizeiliche Übergriffe der Öffentlichkeit zur Kenntnis (…) bringen, 3. Fälle von polizeilichen Übergriffen (…) sammeln und in geeigneter Weise (…) publizieren, 4. über Reaktionsmöglichkeiten gegenüber Polizeimaßnahmen (…) informieren.“ Der Verein ‚Bürger beobachten die Polizei‘ e. V. weiterlesen

Polizeiliche Beobachtung – Mit der Stange im Nebel

von Heiner Busch

Ende der 70er Jahre wurde der Begriff der ‚Beobachtenden Fahndung‘ (BeFa) durch den der ‚Polizeilichen Beobachtung‘ (PB) ersetzt. Zu einer inhaltlichen Änderung kam es dabei jedoch nicht. Ob BeFa oder PB, das Kürzel steht für die heimliche Überwachung von Reisebewegungen. Möglich wurde dies durch den Auf-bau der elektronischen Fahndung mit Hilfe des INPOL-Systems in den 70er Jahren. In den Fahndungsdateien können Personen oder Fahrzeuge mit dem Fahndungszweck ‚Beobachtung‘ ausgeschrieben werden. ‚Fahndungstreffer‘ vor allem an Kontrollstellen, sollen den ausschreibenden Dienststellen ein Bild über die Kontakte und Bewegungen der beobachteten Person liefern. An der Effektivität dieser Vorfeldmaßnahme sind Zweifel aber durchaus angebracht.

Im Mai 1990 begab sich der Parlamentarische Untersuchungsausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses, der die Vorgänge um den Mordfall Schmücker unter die Lupe nehmen sollte, nach Nordrhein-Westfalen. In der polizeilichen Fortbildungseinrichtung ‚Schloß Schellenberg‘ sollten die ehemaligen V-Leute des Berliner Landesamtes für Verfassungsschutz, Volker Weingraber, Deckname „Wien“, und Christian Hain, Deckname „Flach“, in öffentlicher Sitzung befragt werden. Die für die Sicherheit der einstigen Spitzel verantwortliche nordrhein-westfälische Polizei bestand darauf, eventuelle ZuhörerInnen vorher durch eine Anfrage im INPOL-Datensystem zu überprüfen. Aufgrund der dabei zutage geförderten Ergebnisse sollte einigen Zuhörern der Zugang zu den Sitzungen verwehrt werden. Erst nach Protesten der Ausschußmitglieder wurden sie eingelassen. Polizeiliche Beobachtung – Mit der Stange im Nebel weiterlesen