Archiv der Kategorie: CILIP 050

(1/1995) Bürgerrechtsgruppen und Polizei

Redaktionelle Vorbemerkung

von Otto Diederichs

Bei dem vorliegenden Heft handelt es sich mit Heft 50 um die Jubiläumsausgabe von Bürgerrechte & Polizei/CILIP. Während sich der seit 1978 bestehende Informationsdienst ansonsten überwiegend mit der ‚Politik Innerer Sicherheit‘ und deren Wirkungen auf die Bürgerrechte beschäftigte, wurde dieser Ansatz hier nun einmal umgekehrt. Bürger- und Menschenrechtsorganisationen und deren Auswirkungen auf die offizielle Politik sollen dabei betrachtet werden. Der Tradition von CILIP entsprechend konzentriert sich das Heft dabei in erster Linie auf jene Initiativen, Gruppen und Grüppchen, die mit der Verteidigung von Bürgerrechten und der Aufklärung über Polizei- und Geheimdienstarbeit befaßt sind oder waren. Redaktionelle Vorbemerkung weiterlesen

Notizen zur Geschichte der Bürgerrechtsgruppen im Nachkriegsdeutschland

Ungeachtet ihres rinnsalartigen Begleitens des mächtig etablierten Stroms alt- und neubundesdeutscher und ehemals auch DDR-licher Politik hat es Bürgerrechtsgruppen immer gegeben. Die von dem Politologen und Theologen Alfred Roos getroffene Feststellung, „(…) wenn es sich schon um Bürgerrechtsthemen handelt, dann stehen die Menschen- und Bürgerrechtsbewegten im größeren Deutschland mit dem Rücken zur Wand“ kennzeichnet die randständige Rolle aller Bürgerrechtsgruppierungen in den beiden kleineren Deutschlands, BRD und DDR, von Anfang an. Freilich, es handelt sich um einen oszillierenden Zustand: Phasen nahezu völligen Schweigens folgen auf Phasen erheblicher Aktivitäten. Nur einmal allerdings schienen Bürgerrechte und entsprechende Gruppierungen eine entscheidende Rolle zu spielen, in der besonderen Konstellation 1989/90. Ansonsten wirkten alle Aktivitäten bestenfalls als Nadelstiche oder leisteten einzelne Personen nützliche, zuweilen sogar existentielle Hilfe. Insgesamt betrachtet und gewertet, vermochten die Bürgerrechtsgruppen nicht mehr, aber auch nicht weniger, als Sand ins Getriebe einer politischen Maschinerie zu werfen, die allzusehr nach dem Motto funktionierte, daß Bürger- und Menschenrechte nur dann zu beachten seien, wenn sie dem etablierten System herrschender Interessen nützten. Notizen zur Geschichte der Bürgerrechtsgruppen im Nachkriegsdeutschland weiterlesen

Chronologie

zusammengestellt von Norbert Pütter

November 1994

01.11.: Das neue Bundesgrenzschutzgesetz tritt in Kraft. U.a. wird die Zuständigkeit des BGS auf einen 30 Kilometer breiten Grenzstreifen aus-gedehnt, und er wird ermächtigt, Personen in „Unterbindungsgewahrsam“ zu nehmen.
Die Landesregierung in Hannover beschließt den Entwurf einer Änderung des niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes, demzufolge der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel bei allen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen gestattet wird. Chronologie weiterlesen

Der „Ermittlungsausschuß Berlin“ – stellvertretend für alle anderen

von Mitgliedern des ‚EA Berlin‘

Am 12. Dezember 1980 räumte die Westberliner Polizei im Bezirk Kreuzberg einige besetzte Häuser und rief dadurch die größten Demonstrationen und Krawalle hervor, die diese Stadt in den vergangenen Jahren erlebt hatte. Als eine der Folgen dieser Räumungen entstand noch am gleichen Tag der Ermittlungsausschuß (EA). Der EA Berlin war damit nach Hamburg der zweite Ermittlungsausschuß in der Bundesrepublik. Der Hamburger EA hatte sich rund drei Jahre zuvor nach der zweiten großen Brokdorf-Demonstration gegründet. Später wurden Ermittlungsausschüsse auch von den linken ‚Szenen‘ anderer Städte übernommen, wobei die dortigen EAs, meist aus spektakulären Anlässen geschaffen, häufig ebenso schnell wieder aufgelöst wurden. Längerfristige Aktivitäten entfaltete neben Hamburg und Berlin nur noch der EA Frankfurt, der die Folgen der heftigen Proteste gegen die ‚Startbahn-West‘ aufarbeitete.

Die Entstehungsgeschichte des Berliner Ermittlungsausschusses, der hier stellvertretend für alle andere EAs stehen soll, ist in Gänze nur zu verstehen, wenn man/frau sich der politischen Entwicklung der damals geteilten Stadt Berlin seit den unruhigen 60er Jahren erinnert. Der Tod des demonstrierenden Studenten Benno Ohnesorg durch die Schußwaffe des Polizeibeamten Kurras am 2.6.67 und die nachfolgende Gründung des studentischen Untersuchungskomitees zur Aufklärung der Vorfälle und die Aktivitäten des EA in Hamburg können als die (traditionellen) Wurzeln der EA-Gründung angesehen werden. Der „Ermittlungsausschuß Berlin“ – stellvertretend für alle anderen weiterlesen

Summaries

An Editorial Comment
by Otto Diederichs
This 50th issue of CILIP is, as would be expected, a special anniversary is-sue. While the information service which began in 1978 has traditionally fo-cused on documenting developments in the field of domestic security and their effects on civil rights, we shall attempt to reverse the order in this spe-cial issue. In this issue, human and civil rights organizations and their effects on official policy makers and their decisions is one of the key points of focus in this issue. In keeping with past tradition, CILIP focuses in on those organizations predominantly occupied with defending human and civil rights in their daily activities today or in the past. Summaries weiterlesen

Der Verein ‚Bürger beobachten die Polizei‘ e. V.

Im Rückblick mag die Berliner Arbeitsgruppe Bürger beobachten die Polizei nur als eines der vielen Strohfeuer linker Auseinandersetzung mit staatlicher Gewalt erscheinen. 1979 gegründet, erzeugte sie in den beiden folgenden Jahren einen heftigen Medienrummel und ging Mitte der 80er Jahre so sang- und klanglos ein, daß einige (auch bei der Polizei) dies bis heute nicht bemerkt haben. Dennoch, gerade angesichts der sich häufenden polizeilichen Übergriffe auf AusländerInnen sind die Ziele der Arbeitsgruppe aktueller denn je. So wollte der Verein „1. als Anlaufstelle für von Polizeiübergriffen Betroffene (…) dienen und Unterstützung (…) leisten, 2. polizeiliche Maßnahmen.(…) beobachten und polizeiliche Übergriffe der Öffentlichkeit zur Kenntnis (…) bringen, 3. Fälle von polizeilichen Übergriffen (…) sammeln und in geeigneter Weise (…) publizieren, 4. über Reaktionsmöglichkeiten gegenüber Polizeimaßnahmen (…) informieren.“ Der Verein ‚Bürger beobachten die Polizei‘ e. V. weiterlesen

Das ‚Bürgerkommitee 15. Januar‘ e.V. – Verein zur Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit

von Uwe Boche

Das Bürgerkomitee 15. Januar e.V. ist ein gemeinnütziger Verein mit etwa 40 Mitgliedern. Er wurde Anfang 1991 gegründet und ist aus dem ‚Bürgerkomitee Normannenstraße‘, der ‚Arbeitsgruppe Sicherheit des Zentralen Runden Tisches‘ der DDR und ihrer Operativen Gruppe sowie verschiedenen anderen Bürgerrechtlern und Sympathisanten hervorgegangen. Der Name ’15. Januar‘ verweist dabei auf jenen Tag im Jahre 1990, an dem die Bürger und Bürgerinnen der damaligen DDR die Tore der Zentrale des ‚Ministeriums für Staatssicherheit‘ (MfS) – kurz Stasi genannt – in der Berliner Normannenstraße öffneten. Der Verein ist mit dem Ziel angetreten, den Machtmißbrauch durch die ehemalige Staatspartei SED und die sie stützenden Organisationen, insbesondere die Stasi, aufzudecken und einen Beitrag zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte zu leisten. Das ‚Bürgerkommitee 15. Januar‘ e.V. – Verein zur Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit weiterlesen

Bürgerrechte & Polizei/CILIP I – Ein Rückblick

von Falco Werkentin

Als wir, Mitarbeiter eines von der ‚Berghof-Stiftung für Konfliktforschung‘ geförderten Forschungsprojekts zur aktuellen Polizeientwicklung in der Bundesrepublik, im März 1978 die Null-Nummer von Bürgerrechte & Polizeientwicklung per Fotokopierer in wenigen hundert Exemplaren herstellten und mit einer deutsch- und einer englischsprachigen Fassung (Civil Liberties and Police Development – CILIP) um AbonnentInnen und MitarbeiterInnen warben, hatte das innenpolitische Klima der Bundesrepublik gerade einen Siedepunkt erreicht.

Im Deutschen Bundestag wurden Linkskatholiken wie Heinrich Böll oder Luise Rinser als geistige Wegbereiter des politischen Terrorismus gegeißelt. Die Regelanfrage bei den Ämtern für Verfassungsschutz zur politischen Gesinnung von Bewerbern um Stellen im öffentlichen Dienst führte zu einer Be-rufsverbotspraxis, die weit über die unmittelbar Betroffenen hinaus ein-schüchterte.

Das politische Strafrecht der Bundesrepublik, 1968 von den Exzessen des ‚Ersten Strafrechtsänderungsgesetzes‘ des Jahres 1951 bereinigt, war inzwi-schen um neue/alte Tatbestände aufgerüstet worden, die vorderhand Mei-nungsäußerungen ahnden sollten (1976 die 88a und 130a StGB). Bürgerrechte & Polizei/CILIP I – Ein Rückblick weiterlesen